Aktuell | 17. Januar 2022

Das Metaverse nimmt Gestalt an

«Aus Facebook wird Meta». Spätestens seit dieser Ankündigung von Mark Zuckerberg ist klar: Das «Metaverse» wird Teil unserer Zukunft. Doch was es genau ist, war lange Zeit unklar. Nun zeichnet sich langsam ab: Es könnte die nächste Evolutionsstufe des Internets sein. Ralph Hutter, Studiengangsleiter CAS Platforms & Ecosystems HWZ und verantwortlich für die Produktentwicklung des Institute for Digital Business, ist der neuen Entwicklung auf den Grund gegangen.

Portrait Ralph Hutter HWZ

Studiengangsleiter Ralph Hutter HWZ

Seit der Umfirmierung des Facebook Mutterkonzerns auf den Namen «Meta» hat der Begriff «Metaverse» den Weg in die Öffentlichkeit und in die Massenmedien gefunden. Die Idee dahinter ist noch undefiniert, die Technologien nicht standardisiert, Rollen und Organisation offen. Aber trotzdem zeichnet sich Schritt für Schritt ein Verständnis ab, was DAS Metaverse sein könnte: Nichts weniger als die nächste Evolutionsstufe des Internet.

Das neue Internet wird 3D

Heute nutzen wir das Internet hauptsächlich über zweidimensionale Benutzerschnittstellen: über das Smartphone, über einen Browser an einem Computer oder etwas seltener mit Hilfe der Personal Assistants wie Alexa, Siri und Co. mittels Stimmbedienung.

Die nächste Generation Internet und dessen Anwendungen werden sich primär über neue Arten von Interfaces und deren Kombinationen entwickeln. Tasten, Regler oder Touchscreens werden langsam aussterben. An deren Stelle kommen Virtual Reality (VR) Headsets, Gesten- und Hand-Tracking, Sprachsteuerung, Brillen mit Augmented Reality Funktion oder sogar neurale Interfaces, welche direkt Hirnströme steuern.

Digitale Spiegelwelten zur realen Welt

Es wäre zu kurz gegriffen, das Metaverse einfach als Entwicklung vom zwei- zum dreidimensionalen Raum zu sehen – wie diese bereits in SecondLife seit 2003 verfügbar ist. Es ist vielmehr eine Überlagerung von Informationen in die reale Welt z. B. über eine Datenbrille oder auch im Head-Up-Display in Fahrzeugen, aber eben auch eine Präsenz in verschiedenen, rein virtuellen Welten.

Das Metaverse als eine Summe von Spiegelwelten sowohl in der physischen als auch in verschiedenen virtuellen Welten ist ein starkes Bild, welches eine mögliche Vision illustriert.

Zahlreiche Elemente dieses Metaverse sind bereits Realität. Horizon ist die VR Plattform von Meta, welche mittels VR Brille (auch von Meta) benutzt und erkundet werden kann. Fortnite, eigentlich ein Multiplayer Shooting Game mit über 350 Millionen Spielern, entwickelt sich zunehmend zur Plattform, in welcher die Benutzer ihre Spielewelt anpassen, virtuelle Gegenstände kaufen und neben Spielinhalten auch Konzerte von realen Künstlern live in der Fortnite Welt erleben können. Dahinter steckt die Unreal Engine von Epic Games. Pokémon GO ist ein AR Spiel, in welchem über 160 Millionen Users virtuelle Pokemon mittels Smartphone sehen, finden und einfangen. The Sandbox ist ein virtuelles Metaverse, in welchem die Spieler Grundstücke und Spielcharaktere gegen Kryptowährung kaufen und verkaufen und gar eigene Spiele entwickeln können – ein ähnliches Konzept verfolgen auch Decentraland und Superworld.

Diese Beispiele zeigen eindrücklich, dass das Grundkonzept von Metaverse funktioniert, eine grosse Anziehungskraft hat und die Technologie in Richtung Massenadaption schreitet. Aber noch sind es Solitäre. Das ist noch nicht DAS Metaversum. Es sind bislang einfach proprietäre Plattformen, die nicht miteinander kompatibel oder vernetzt sind und von Game-Herstellern, sozialen Netzwerken, Techgiganten oder Blockchain Firmen kontrolliert werden.

Die 3D Engines als Nachfolger der Betriebssysteme wie Android oder iOS.

Damit DAS Metaverse Realität wird, braucht es neben den Elementen Community, Software und Hardware noch mehr. Infrastruktur für dezentrale Datenhaltung, Standardisierung, Connectivity. Ein erster Teil der Anforderungen ist erfüllt und Realität geworden.

Die kritische Masse an Nutzern, eine lebendige Community mit genügend Nachfrage und Akzeptanz ist offensichtlich auf zahlreichen Plattformen millionenfach vorhanden.

Auch seitens Software und Betriebsplattformen sind die Hersteller der Engines für 3D-Welten bereit. Ihre Börsenkapitalisierung geht mittlerweile in die Milliardenhöhe. Die kommerzielle Verwendung der Engines erstreckt sich dabei nicht nur auf Computerspiele, sondern ist in der Hollywood Filmindustrie für Spezialeffekte angekommen. Die Engines sind die wahren Stars der Metaverse Idee. Die 3D Engines sind die Nachfolger der Betriebssysteme wie Android oder iOS.

Hardware und Software sind ready für das Metaverse

Auch wenn wir uns an die Nutzung von Smartphones, Gamekonsolen und PC gewöhnt haben; AR/VR Headsets wie Hololens, Occulus, Playstation VR und erste Brillen – als Smartglasses bezeichnet – sind auf dem Vormarsch. Die Brille von Facebook und Rayban kann filmen und telefonieren, Amazon Echo Framesxv können Alexa freihändig bedienen und Musik und Hörbücher abspielen. In der Warteschlange steht Apple gerüchteweise vor der Lancierung von Mixed Reality Headsets und einer AR Brillexvi. Die Hardware hat Marktreife für die Early Adopters erlangt und geht langsam in Richtung Marktreife für Anwendungen für die breite Kundschaft. Ebenfalls schon marktreif sind verschiedene Blockchain Technologien. Diese werden zum zentralen Infrastrukturelement, wenn es um die dezentrale, plattformübergreifende Speicherung von Daten, digitalen Identitäten und die Abwicklung von Zahlungen oder Übertragung von virtuellen Gütern geht.

Mit Standardisierung zum Erfolg

Zur Unabhängigkeit gehört erstaunlicherweise gerade auch Standardisierung. Standardisierung ermöglicht den Bau und vor allem die Interoperabilität und Konnektivität von virtuellen Welten. Darunter fällt die Standardisierung von Verbindungsprotokollen, Rendering, Formate digitaler Güter, Identität- und Zugangsprüfung, Abwicklung von Zahlungen, Microservice Architektur mit Open APIs, Formatierung von 3D-Objekten.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt ganz offensichtlich nicht in der Technologie. Diese ist weitgehend verfügbar oder wird sich vergleichsweise zeitnahe entwickeln. Die grosse Herausforderung wird die Governance der offenen Standards sein.

Wenn das Metaverse die nächste Generation Internet sein soll, dann ist ein Blick auf die Geschichte des heutigen Internets nicht falsch. Das Fundament in Form zahlreicher offener Standards entstand zwischen den 1960er bis in die 1990er Jahre durch eine Vielzahl von Konsortien und informellen Arbeitsgruppen gelegt, die sich aus staatlichen Forschungslabors, öffentlichen Universitäten, unabhängigen Technologieexperten und zunehmend auch durch Hersteller von Geräten, Betriebssystemen, Browser oder Internetprovider zusammengesetzt hat. Wie sich die Exponenten organisieren werden, wird also der Schlüssel zum Erfolg werden.

Die technische Basis für das Metaverse ist in vielen Teilen gegeben. Die Standardisierung und Organisation sind noch nicht geregelt, dafür gibt es bereits viel Phantasie für mögliche Anwendungsfälle. Eine Übersicht der Einsatzgebiete veröffentlichen wir im zweiten Teil des Beitrags.

Metaverse: Neu im CAS Marketing Communications HWZ

Welche Chancen bietet das Metaverse in der Kommunikation? Der CAS Marketing Communications HWZ geht dieser Frage in einem Modul nach und macht so die angehenden Marketing Communications-Expert:innen fit für Themen der Zukunft.