Campus | 10. November 2025

Die HWZ: Eine unternehmerische Hochschule

Seit einem Jahr ist Brian Rüeger Rektor der HWZ. Unter seiner Führung hat sich in diesem Bildungsinstitut eine neue Dynamik entwickelt.

Stabübergabe Brian Rüeger

Folgender Artikel ist als Erstpublikation im Printmagazin ORGANISATOR im Oktober 2025 erschienen.

Er will die HWZ zur unternehmerischsten Hochschule der Schweiz machen: Prof. Dr. Brian Rüeger, seit Oktober 2024 neuer Rektor. Er bringt einen reichen Erfahrungsschatz mit, um diese Ambition zu verwirklichen: Brian Rüeger hat mehr als ein Jahrzehnt das Institut für Marketing Management (IMM) an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) aufgebaut, geleitet und dessen Entwicklung zur grössten Weiterbildungseinrichtung im Marketingbereich auf Hochschulniveau in der Schweiz vorangetrieben. In der Privatwirtschaft sammelte er Erfahrungen als Berater von internationalen Unternehmen im Bereich neue Märkte und Technologien, als Serial Entrepreneur von verschiedenen Startup-Unternehmen im High-Tech Bereich oder als Managing Director für EMEA für ein börsennotiertes amerikanisches Unternehmen. Er promovierte 2015 an der Universität Zürich im Bereich Serviceinnovation und Servicemanagement von Schweizer Unternehmen.

Sie sind seit einem Jahr Rektor der HWZ. Wie lautet Ihre erste persönliche Bilanz?

Brian Rüeger: Alles lief bisher hervorragend. Ich stiess auf eine hohe Bereitschaft der Mitarbeitenden, einen Change-Prozess zu starten. Es wurde ja im April 2024 angekündigt, dass ich neuer Rektor werde. Ich erhielt somit relativ viel Vorlaufzeit. So konnte ich mich gut mit Themen auseinandersetzen, die ich in meiner neuen Funktion angehen möchte. Ich habe mich frühzeitig bei den Mitarbeitenden vorgestellt und Informationen eingeholt. Umgekehrt sind Mitarbeitende, Dozierende und weitere Personen aus dem HWZ-Umfeld mit Ideen auf mich zugekommen, die ich umsetzen soll.

Die Erwartungshaltung war also hoch?

Ja. Klar war auch, dass mein Vorgänger bis zum Wechsel nicht mehr viel verändern wollte. Deshalb gab es einen gewissen Reformstau. Ich habe also alle Wünsche, die mir anvertraut wurden, gesammelt. Daraus ergaben sich rund 60 Handlungsfelder. Das war recht viel, und man beginnt sich Sorgen zu machen, welche Prioritäten man da setzen soll.

Wie sind Sie vorgegangen?

Ich habe am ersten Tag eine Task Force ins Leben gerufen, weil ich wohl nicht die richtige Person war, um alles richtig zu priorisieren und sequenziell ablaufen zu lassen. Dieser Task Force habe ich alle Handlungsfelder offengelegt. Mir war wichtig, dieses Gremium so zusammenzusetzen, dass möglichst viele Perspektiven und Einflüsse vertreten waren, aber gleichzeitig durfte sie nicht zu gross sein, um nicht handlungsunfähig zu werden. Am Schluss waren es dann acht Personen.

Etwas Zweites, was ich unternommen habe: Ich liess die Belegschaft das Tempo vorgeben. Am 1. Oktober machte ich eine anonymisierte Umfrage unter den Mitarbeitenden und fragte sie, was und wie schnell verändert werden soll. Auf einer Skala von 1 «gemütlich» bis 5 «sehr schnell» lag der Durchschnittswert am Schluss bei 4,54. Das heisst: Die Mehrheit wollte schnelle Veränderungen.

Dieses Tempo überrascht, wenn man bedenkt, wie träge sich manche Bildungsorganisationen manchmal zeigen und wie viel «Reformresistenz» man zuweilen antrifft.

Absolut. Aber das hat weniger mit meiner Person zu tun als mit der Organisation der HWZ. Vielleicht hat man – ohne jetzt meine Vorgänger schlechtzureden – gewisse Dinge zu lange schleifen lassen. Vieles ist organisch und historisch gewachsen, was sich letztlich in komplizierten Organigrammen gezeigt hat. Ich habe dies nun massiv vereinfacht.

Eben: Die HWZ hat ihre Organisation neu ausgerichtet, mit einer neuen erweiterten Schulleitung und der Umwandlung der Departemente in agile, vernetzte Ökosysteme. Was sind die zentralen Ziele dieser Transformation?

Die HWZ war schon immer schnell unterwegs, und das gefällt mir. Vieles erfolgte bisher vielleicht noch mit etwas viel Hauruck und händisch. Mit digitalen Prozessen hingegen kann man vieles automatisieren und die Mitarbeitenden entlasten. Unsere Dozierenden sind nahe an der Praxis. Und auch die Studierenden absolvieren ihre Weiterbildungen in Teilzeit, d. h. kommen ebenfalls von der Praxis her und bringen entsprechend relevante Fragen in den Unterricht ein. Dies alles führt zum strategischen Ziel, dass die HWZ die unternehmerischste Hochschule werden muss. Das alles habe ich frühzeitig kommuniziert. Der Wunsch nach Veränderung war da, die Mitarbeitenden ziehen alle mit und denken selbst an die nächsten Schritte.

Besteht da nicht die Gefahr, dass zu viel Eigendynamik entsteht? Wo sehen Sie sich da als Rektor: Als Mentor, Coach oder Spielertrainer?

Der Begriff Spielertrainer gefällt mir gut. Grundsätzlich pflege ich den Servant Leadership Approach. Wenn es nötig ist, springe ich bei Schwierigkeiten selbst ein und übernehme Verantwortung oder mache die Interimsleitung. Meine Rolle besteht darin, den Mitarbeitenden das Umfeld zu schaffen, damit sie ihre Kernaufgaben gut ausüben können. Das ist etwas, was ich auch von anderen Führungspersonen verlange. Zu bestimmten Themen braucht es aber eine Kontrolle, damit man nicht einfach «fremdgesteuert» wird. Deshalb haben wir Ökosysteme geschaffen. Diese erhalten Handlungsfreiheit, um ihre Themen – nicht nur in der Weiterbildung, sondern auch in der Forschung – weiterzuentwickeln und dazu auch die richtigen Leute zu rekrutieren, die den Nachwuchs fördern.

Wie profitieren auch die Studierenden davon?

Die oberste Währung ist die Employability der Studierenden. Wir wollen sie fitter machen für das, was in Zukunft gefragt sein wird. Wir können nachweisen, dass HWZ-Absolvent: innen sehr begehrt sind auf dem Arbeitsmarkt, weil sie eben eine sehr pragmatische und lösungsorientierte Bildung genossen haben und sich weniger mit akademischen Fragestellungen aufhalten. Viele Problemstellungen der Zukunft werden direkt von Unternehmen an uns herangetragen. Diese Nähe zur Wirtschaft ist eine wichtige Dimension, genauso wie die Geschwindigkeit.

Gerade die KI ist dabei, vieles durcheinanderzubringen. Das müssen wir im Auge behalten. Wir pflegen deshalb auch die Nähe zu den Studierenden: Wir haben eine sehr enge und individuelle Betreuung. Nicht alle benötigen das gleiche Ausbildungsprogramm mit einer «Massenabfertigung», sondern es braucht mehr Individualisierung. Dies erreichen wir mit kleinen Studiengruppen.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und Ihrem Bildungsinstitut? Gibt es da konkrete Prozesse?

Da gibt es verschiedene Beispiele. Wir haben Weiterbildungen in Zusammenarbeit mit vielen Unternehmen gestaltet. Unternehmen können mitentscheiden, welche Teile sie eingebracht haben möchten. Somit lösen wir die Grenzen zwischen Hochschule und Wirtschaft quasi auf. Ähnlich auch bei der Forschung: Wir werden zu einem verlängerten Arm für Unternehmen. Aktuell bauen wir ein Data-Lab auf, um Unternehmen die Möglichkeit zu bieten, ihre Datenwelt auf Optimierungspotenzial anzuschauen. Nicht jedes Unternehmen kann dies selbst leisten. Deshalb lösen wir auch hier die Grenzen zwischen Hochschule und Unternehmen auf. So wie wir in Zusammenarbeit mit Unternehmen oder Verbänden neue Lehrgänge entwickeln, machen wir dies nun auch im Bereich Forschung und fahren laufend neue Labs hoch.

Das heisst, die HWZ will auch zu einem Forschungsplatz werden?

Ja, einfach mit dem Fokus auf Anwenderorientierung. Wir machen keine Grundlagenforschung. Wir sind daran interessiert, direkt von Unternehmen finanzierte Forschung zu betreiben. Auch die Zusammenarbeit mit Innosuisse gehört dazu.

Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung der Fachhochschullandschaft in der Schweiz ein?

Die Schweiz hat ein gutes Bildungssystem. Mit unseren Universitäten, der ETH und der gesamten Fachhochschulwelt sind wir gut gerüstet. Etwas mehr Geschwindigkeit würde aber allen Hochschulen guttun, und sie sollten eine grössere Nähe zur Wirtschaft suchen. Denn ich beobachte, dass viele öffentliche Fachhochschulen sich davon wegbewegen und in eine universitäre Richtung gehen. Das hängt mit den internationalen Akkreditierungen zusammen. Diese sind grundsätzlich nicht schlecht. Wenn man aber nur diesen Akkreditierungen nachjagt und diese zu erfüllen versucht, achtet man nur noch auf Publikationen und stellt Dozierende ein, die gut publizieren können. Aber diese Personen können nicht zwingend auch gut unterrichten oder Probleme von Unternehmen lösen. Somit entfernt man sich mehr und mehr von der angewandten Wissenschaft.

Hochschulen für angewandte Wissenschaften sollten aber diesem Namen weiterhin gerecht bleiben und keine zweitklassigen Universitäten werden. Vielmehr sollten Fachhochschulen ihre einzelnen Sparten besser miteinander spielen lassen, etwa das Engineering mit Business. Da besteht viel Potenzial. Denn die wirklich grossen Probleme, z. B. Nachhaltigkeit, müssen interdisziplinär angegangen werden.

Wie antizipiert die HWZ, welche Skills für die Zukunft ausgebildet werden müssen?

Wir hören aktiv zu. Bei uns geschieht vieles «outside in» statt «inside out». Überall, wo wir Zugang zu Daten haben, werten wir diese aus. Die HWZ nimmt die technologische Entwicklung in ihre DNA auf. Doch aus Überzeugung fokussieren wir noch stärker den Faktor Mensch, denn je mehr Technologie, desto mehr Mensch – so lautet die Devise. Wir achten genau auf jene Kompetenzen, welche die KI nicht hat. Diese Kompetenzen stärken wir. Dazu gehören Leadership-Themen, Sozialkompetenz oder Kreativität – alles Fähigkeiten, welche die KI auch in Jahren noch nicht übernehmen kann. Wir springen nicht blindlings in diese KI-Welt, sondern setzen auf einen ganzheitlichen Ansatz. Daraus ergibt sich eine gewisse Gelassenheit gegenüber der Geschwindigkeit, in der die technologische Entwicklung fortschreitet. Denn auch in Zukunft wird es die gleichen menschlichen Fähigkeiten brauchen wie heute.

Dennoch muss sich ein Bildungsinstitut dem Tempo organisatorisch anpassen?

Das passiert im Moment auch. Es laufen einige Initiativen, auch hinsichtlich Kooperationen mit anderen Bildungsorganisationen, etwa der Privaten Hochschule für Wirtschaft PHW in Bern. Diese ist ähnlich schnell unterwegs wie wir und ist dort nah an ihrem Zielpublikum. Dank unserer Gemeinsamkeiten können wir uns gegenseitig stärken. Eine weitere Initiative läuft im digitalen Bereich: Wir machen Pilotversuche für digitales Lernen und sind dabei, dafür eine eigene Einheit aufzubauen. Damit wenden wir uns an eine Klientel, die bereit ist, komplett digital zu lernen und dafür die notwendige Selbstdisziplin aufbringt. Wie viel sozialen Austausch es dazu benötigt, wissen wir aber noch nicht. Eigentlich ein Widerspruch zur Wichtigkeit des Human-Faktors. Doch ich sehe: Man kann das eine tun, das andere aber nicht lassen?

Wir haben einen Weg gesucht, wie wir unser Kerngeschäft kannibalisieren könnten. Wenn dieser Weg funktionieren sollte, müssen wir daraus lernen. Wir schauen uns auch Szenarien an, wie die Welt in zehn Jahren aussehen könnte. Auch als Bildungsinstitut muss man Versuchsballone starten nach dem Prinzip «Trial and Error». Es herrschen ein guter Team-Spirit und Aufbruchstimmung. Mein Hunger nach Neuland wird wahrscheinlich nicht aufhören.