Aktuell | 8. Dezember 2021

«Die Schweizer Schwäche orte ich darin, zu klein zu denken»

Im Februar startet der neue CAS Business Protection HWZ, der den Fokus darauf legt, wie sich Unternehmen vor Bedrohungen schützen können. Den Auftakt am ersten Unterrichtstag macht Jack Rohner mit einem Gastreferat. Im Interview erfahren wir vom ehemaligen Verteidigungsattaché mehr über seine Arbeit, seine Erfahrungen in der Sicherheitspolitik und für welche Themen er die Studierenden sensibilisieren will.

Cas Business Protection Interview

Herr Rohner, Sie waren als Verteidigungsattaché für die Schweiz in Nordafrika und auf der arabischen Halbinsel im Einsatz. Dürfen Sie als Gastdozent im CAS Business Protection HWZ mehr über diese Zeit erzählen?

Hier gilt es zu differenzieren: Über meine Erfahrungen als Schweizer im ägyptischen, nordafrikanischen und arabischen Kulturraum darf ich selbstverständlich berichten – und diese Erfahrungen teile ich sehr gerne mit interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern. Für Dienstliches gelten die arbeitsrechtliche Verschwiegenheitspflicht und das Amtsgeheimnis, an die ich mich immer gehalten habe und weiterhin halte.

Heute sind Sie Unternehmer und unterstützen Organisationen unter anderem im Bereich des Krisenmanagements und bei der interkulturellen Kommunikation im deutsch- und arabischsprachigen Raum, insbesondere in der Schweiz und in Ägypten. Das heisst, der Bezug zu Nordafrika blieb. Welches sind die grössten interkulturellen Herausforderungen, die Unternehmen beachten müssen?

Jemand, dem ich ein Kompliment für seine Armbanduhr machte, wollte mir diese unbedingt schenken. Ein Gesprächspartner erwähnte mein Anliegen auch im Laufe des zweiten deswegen einberufenen Treffens mit keinem Wort. Und ein Handwerker, den ich um zehn Uhr morgens erwartet hätte, stand um 22.30 Uhr vor der Tür.

Ganz generell gilt es, die Unterschiedlichkeit der Menschen, der Anschauungen, der Institutionen oder der Interaktion nicht nur hinzunehmen, sondern sich darüber zu freuen. Wenn man sich nämlich von der Erwartung löst, dass überall schweizerische Standards gelten oder gelten sollten, stellt man fest, dass alternative Lösungen in einem anderen kulturellen Kontext gleich schnell oder sogar schneller zum Ziel führen.

Letztlich geht es vielleicht um die Erkenntnis der Relativität, sachlich, örtlich und zeitlich, um die selbstgesetzten roten Linien für das eigene Tun, Dulden und Unterlassen, und darum, daraus die Konsequenzen abzuleiten.

Im Februar startet der Studiengang CAS Business Protection HWZ, der den Fokus darauf legt, wie Unternehmen vor Bedrohungen geschützt werden können. Ob Cyberattacken, Wirtschaftskriminalität oder Industriespionage, als jemand, der sich im Bereich der Sicherheitspolitik auskennt, wissen Sie, wie es um das Interesse an Angriffen auf die Schweiz und ihre Unternehmen steht. Können Sie uns mehr darüber erzählen? Welches sind aktuell die häufigsten Probleme?

Es geht um Ausweitung und Wahrung von Einfluss und Macht – nicht nur zwischen Staaten und wirtschaftlichen bzw. kulturellen Blöcken, sondern auch zwischen unternehmerischen Konkurrenten und persönlichen Rivalen. Die Wahl der Mittel folgt der Kombination von subjektiver Wichtigkeit und Dringlichkeit des Zwecks und, im Falle der Unanständigkeit, der Eintretenswahrscheinlichkeit der Entdeckung und der Gefährlichkeit der Sanktionierung.

Daraus folgt, dass das Spektrum von Angreifern, Angriffszielen und -mitteln sehr breit ist und der Phantasie nur wenige Grenzen gesetzt sind. Die Schweizer Schwäche orte ich darin, zu klein zu denken und in den Überlegungen uns sich verbietende gleich mit undenkbaren Varianten gleichzusetzen.

Dass nicht sein kann, was nicht sein darf, gilt nur in unserem Verständnis, wir müssen lernen, auch das für uns Undenkbare zu denken.

Es freut uns sehr, dass Sie Ihre Erfahrung mit unseren Teilnehmenden im CAS Business Protection teilen werden. Worauf dürfen sich die Studierenden freuen?

Mein Referat ist der Einstieg in den Lehrgang und ich werde versuchen, die grösseren Zusammenhänge darzulegen. Zudem will ich die Studierenden dafür sensibilisieren, dass andere das für uns Undenkbare sehr wohl denken und ihnen von meinen Erfahrungen mit Relativität und roten Linien zu berichten.