Aktuell | 13. Dezember 2022

Digital Assets: Revolution in der Finanzwirtschaft

Spätestens nach der Medienmitteilung der EZB von letzter Woche muss das Thema der Cryptos differenzierter betrachtet werden. Neue, individuelle und «smarte» Finanzprodukte werden die Zukunft der Banken und Versicherungen sein. Martin Meyer erklärt in seinem Beitrag, weshalb Digital Asset Spezialist:innen zukünftig bei Finanzdienstleistern sehr gefragt sind und wie Algorithmen dabei helfen, «smarte» Finanzprodukte zu generieren.

Martin Meyer 2 Web

Starten wir mit Albert Einstein: Im Rahmen seiner Professur an der Universität Oxford nahm er Prüfungen von seinen Studierenden ab. Innerhalb von zwei Jahren legte er einer Klasse die genau gleichen Prüfungsfragen wiederholt vor. Auf die Frage seines Assistenten, ob ihm ein Missgeschick passiert sei, antwortete Einstein: «Natürlich nicht! Die Fragen bleiben die gleichen – aber die Antworten haben sich in den letzten Monaten komplett verändert.»

Die Herausforderungen der Finanzindustrie sind seit Jahren die gleichen – aber die Antworten haben sich in den letzten Monaten verändert.

Die Zukunft der Finanzbranche: Individualisierung 

Seit Jahren prognostizieren Innovations- und Strategiespezialisten «harte» Zeiten für die Finanzindustrie, weil die Komplexität der regulatorischen Rahmenbedingungen zunimmt. Zusätzlich verschärft die fortschreitende Preistransparenz den Kosten- und Margendruck auf Finanzprodukte. Wie reagiert die Finanzindustrie darauf? Es ist naheliegend, dass die Entwicklung der Branche einen ähnlichen Verlauf nimmt wie andere Industrien vor ihr. Wir haben in der Automobilindustrie erlebt, wie Robotik und Automatisation viel individuellere Kundenerlebnisse möglich macht. Derzeit zeigt die Textilindustrie, dass dank neuer Produktionstechnologien hochgradig individuelle Anforderungen erfüllt werden können. Mit smarten Finanzprodukten wird die Automatisierung und Skalierbarkeit in der Finanzindustrie einen massiven Schub bekommen und deutlich an Geschwindigkeit zulegen.

Das Konzept der «smarten Finanzprodukte» 

Technisch gesprochen sind smarte Finanzprodukte modular zusammengestellte Konstrukte, die sich anhand der Kundenbedürfnisse quasi von selbst zu einem funktionierenden Produkt komponieren. Ein Algorithmus erkennt die Kundenbedürfnisse und steuert die Zusammenstellung der verschiedenen Produktmodule. Technisch neue Möglichkeiten wie «Smart Contracts» oder «DAOs» (a. d. R. DAO = Dezentralisierte autonome Organisation)  ermöglichen in Zukunft sehr schlanke Administrationswege. Nehmen wir an, ein Kunde formuliert ein sehr spezifisches Investmentbedürfnis – der Algorithmus der Bank erkennt das Bedürfnis und baut exakt für dieses Bedürfnis das individuell angepasste Finanzinstrument. Im Gegensatz zu herkömmlichen Produktionsprozessen der Finanzindustrie ist dieser Algorithmus deutlich schneller, individueller und unschlagbar günstig. Wir kennen erste Ansätze dieser Methode bereits heute aus der Versicherungsindustrie – und beobachten sie ansatzweise auch schon beim Online-Hypothekarbusiness. Das Konzept ist also keineswegs Zukunftsmusik. In Zukunft sehen wir konkrete Anwendungsmöglichkeiten vor allem in den Bereichen von Fondslösungen, Private Equity Investments und in der Tokenisierung von physischen Assets, die juristisch aufgeteilt werden müssen. Wir prognostizieren, dass die smarte Tokenisierung von klassischen Finanzprodukten (und damit die Automatisierung und Individualisierung der Dienstleistungen) den Banken und Versicherungen in Zukunft Gewinne in sehr grossem Umfang ermöglichen. 

Die Tokenisierung der klassischen Assetklassen wird der Finanzindustrie Gewinne in sehr grossem Umfang einbringen.

Die neuen Digital Asset-Spezialisten: Hochspezialisiert und weltweit sehr gesucht

Die Architekt:innen dieser neuen smarten Produkte sind hochspezialisierte Financial Professionals mit breitem und gutem fachspezifischem Wissen. Auf der einen Seite müssen sie gute juristische und bankfachliche Kenntnisse mitbringen – und auf der anderen Seite aber auch technisch fit genug sein, um die Mechanismen der Algorithmen und die technischen Möglichkeiten richtig einzuschätzen. Neben diesen beiden Fähig- und Fertigkeiten braucht es aber vor allem auch ein tiefes Kundenverständnis, damit die Identifikation der Kundenbedürfnisse richtig umgesetzt wird. Wir gehen davon aus, dass dieses Jobprofil mittelfristig in der Finanzindustrie zu den Top 5 gehören wird: Weil über «smarte» Produkte grosse Mengen an individualisierten Dienstleistungen verkauft werden können und damit die Margen und Gewinne der Banken gesteigert werden können. 

Von der Bankerin zur «Smart Product»-Designerin

Der treibende Faktor für eine fortschreitende Automatisierung sind also die Banken selbst – sie stehen unter Kosten- und Transparenzdruck. Im Zug der zwangsläufigen Modernisierung von Finanzprodukten verschwinden die bisherigen «Administrationsjobs» und neue «Kreativjobs» entstehen. Wir wissen, dass «Designer:innen der smarten Finanzprodukte» in Zukunft sehr gesuchte Fachspezialist:innen sein werden.

Der Studiengang Digital Asset Specialist in Finance CAS an der HWZ in Zürich vermittelt einen sehr wichtigen Grundstein für dieses neue Berufsbild: Wir zeigen auf, wie die Tokenisierung der bestehenden Assetklassen funktioniert – und wie dadurch neue digitale Finanzprodukte entstehen.

Der Studiengang legt grossen Wert auf das praktische Erfahren. Die meisten Lektionen sind deshalb sehr interaktiv konzipiert und die Teilnehmer:innen «bauen» eigene smarte Finanzinstrumente im virtuellen Sandkasten.

Der neue Studiengang der HWZ nimmt die Student:innen mit: Sie lernen im virtuellen Sandkasten digitale Finanzprodukte selber zu bauen.