Aktuell | 6. August 2020

HWZ Summertalk: Transformation als Konstante

Diese ‹Transformation› ist irgendwie sein Ding – ob digital, gesellschaftlich oder eben auch urban. Deshalb ist es keine Überraschung, dass uns Patrick Comboeuf, Studiengangsleiter des CAS Fintech & Blockchain Economy, mit ins Hürlimann Areal nimmt. Genauso vielseitig wie das Areal ist auch das Gespräch; während des Spaziergang zu seinen Lieblingsplätzen spricht er über seine Rolle als Brückenbauer, Züri-Bueb und Co-Parent und weshalb er beruflich nochmals angreifen möchte.

Patrick Comboeuf Summertalk Hwz

Sommerzeit. Zeit um durchzuschnaufen, ein Fazit zu ziehen und das nächste Semester zu planen. Und wo geht das besser, als an den schönsten Sommerplätzen in Zürich. In unserer Sommerserie «Summertalk» begleiten wir Personen aus der HWZ an einen ihrer Lieblingsplätze in Zürich.

Patrick, wo sind wir hier?

Wir sind hier im Hürlimann Areal. Die Gebäude dieser ehemaligen Brauerei, eine der ältesten von Zürich, haben in den in den letzten zwanzig Jahren eine enorme Transformation erfahren. 

Gibt es eine spezielle Beziehung, die du zu diesem Ort hast?

Ich habe diese Transformation früh erlebt. So war ich einer der ersten Besucher beim Team von Google Maps, welche hier als Teil des grossen Europäischen Entwicklungshub angesiedelt sind. Es symbolisiert, was du aus einem traditionellen Industrieareal machen kannst, wenn du dich öffnest und dir erlaubst, über Grenzen hinaus zu denken. Entstanden ist ein spannender Mix aus Gewerbe, Läden, Büros, einem wunderschönen Thermalbad mit Rooftop Pool, ein Boutiquehotel, einer Seniorenresidenz, urbanem Wohnen und – eine Reverenz an die Ursprünge – der Aqui-Brunnen, wo auch heute noch täglich Menschen Flaschen gratis mit Mineralwasser aus der tiefsten Quelle Zürichs füllen. Für mich schlägt es auch eine Brücke zu meiner Karriere an der HWZ, weniger wegen dem Brunnen, mehr in Bezug auf das über Grenzen und Traditionen hinausdenken…

Was bedeutet Sommer in Zürich für dich?

Als Züri-Bueb hege ich viele Kindheitserinnerungen. Normalerweise kommt the Little Big City im Sommer etwas zur Ruhe und lädt nicht nur Kinder ein, versteckte Ecken zu erkunden oder ‹umenand striäle›, wie man hier sagt. Ich selbst habe früher zum Beispiel mit meinen halbwüchsigen Freunden die Limmat auf den Röhren unter der Wipkingerbrücke überquert. An Regentagen habe ich mit Bus und Tram das ganze VBZ-Netz von Endstation bis Endstation abgefahren.

Was sind deine Pläne für diesen Sommer?

Diesen Sommer bleibe ich weitestgehend in Zürich. Über den 1. August habe ich ein paar Tage im Unterengadin mit meinem Sohn verbracht. Dabei sind wir auf dem Kinderpfad durch den Nationalpark gewandert und haben die Schauplätze der Geschichte des Schellenursli besucht. Er ist mir sehr ähnlich. Wenn wir in Zürich sind, geht er am liebsten raus, wo er zum Glück immer andere Kinder zum spielen findet.. 

Was waren deine Highlights des letzten halben Jahres?

Kurz vor Neujahr habe ich entschieden, mein nebenberufliches Engagement als Studiengangsleiter nach der 10. Durchführung des CAS Digital Leadership zu reduzieren und mit der Jubiläumsausgabe quasi auf dem Höhepunkt aufzuhören. Ein geschätzter Mentor hat mir einmal mitgegeben, dass man manchmal erst eine Türe schliessen muss, damit eine nächste aufgeht. Ich tue dies im Bewusstsein, mir damit Raum und Möglichkeiten zu schaffen, als Teil eines motivierten Teams wieder neue digitale Erfolgsgeschichten zu schreiben. Es war ein grosses Glück, meinen letzten Digital Leadership Lehrgang, mit einer derart motivierten Gruppe zu bestreiten. Durch die Heterogenität von hungrigen Talenten und erfahrenen Führungskräften aus verschiedenen Branchen waren gerade die ersten 8 Wochen ‹Resident Classes› eine sehr inspirierende Erfahrung. Dann kam der Covid-19 Lockdown und wir waren quasi über Nacht gezwungen, das ganze Programm auf ‹Remote› umzustellen, Das Onboarding und die Begleitung der Studierenden sowie das Coaching der Dozierenden bei der Anpassung ihrer Lehrinhalte und -strukturen haben das ganze Team gefordert. Die Klasse hat das überragend gemeistert. Die Präsenz der Studierenden war sogar höher als im analogen Classroom. Das hat mich besonders  gefreut.

Auf was freust du dich im Herbstsemester?

Ich habe aktuell das Privileg, mein anderes Baby, den Studiengang CAS Fintech & Blockchain Economy, zu bestreiten. Dieser begann Mitte Juni. Zum Studiengang gehört eine Study Tour nach Singapur im November. Ich habe noch immer die Hoffnung, dass diese mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen stattfinden kann. Das dortige Fintech/Blockchain Ecosystem weist erstaunlich viele Parallelen zu den Initiativen hier auf. Singapore wie auch die Schweiz sind geographisch überschaubar, haben wenig natürliche Ressourcen dafür aber einen grossen Pool an Wissensarbeitern. Singapur hat realisiert, dass sie ihr Potential als Wissensnation nur ausschöpfen, wenn es gezielt gefördert wird und sich das Land für Investoren aber auch Talente öffnet. Auch ein etabliertes Finanzzentrum kann nur stark bleiben, wenn es sich weiterentwickelt. Die pragmatischen Zusammenarbeitsmodelle zwischen Regtech, FinTech oder Blockchain Startups auf der einen und den eingesessenen Finanzunternehmen bzw. den Regierungsorganisationen und Behörden auf der anderen Seite, haben Vorzeigecharakter. 

Welches sind deine nächsten grossen Projekte? 

Ich habe schon vor 8, 9 Monaten begonnen, mir diese Frage zu stellen. Der neu gewonnene Freiraum durch das Zurückfahren meines nebenberuflichen Engagements in der Weiterbildung mit der Übergabe des Digital Leadership Lehrgangs an meinen geschätzten Kollegen Sven Ruoss erlaubt es mir, noch einmal ‹anzugreifen› in meiner Karriere. Ich freue mich darauf, wieder eine wichtige Rolle in einem coolen Team zu übernehmen. Gerade in der Interaktion mit meinen fast 300 Studierenden, den grossartigen Persönlichkeiten im Lehrkörper aber auch den Hosts auf den über einem Dutzend Studienreisen ins Silicon Valley und anderen digitalen Hotspots durfte ich extrem viel in meinen persönlichen Rucksack einpacken. Dieser wird mich auf dieser nächsten Karriereetappe begleiten. Es gibt bisher noch nichts Spruchreifes. Aber ich weiss, dass die Wirtschaft in der Post-Covid19 Ära gerade jetzt neue Impulse gepaart mit Do-How Erfahrung und der ungebrochenen Motivation, Menschen mit dem Growth Mindset zu infizieren, sehr, sehr nötig hat.

Du bist Studiengangsleiter des CAS Fintech & Blockchain Economy. Warum?

Ich bin Studiengangsleiter des CAS Fintech & Blockchain Economy, weil ich überzeugt bin, dass es Brückenbauer und Botschafter zwischen den etablierten Industrien, dem Start-up Ecosystem und der sinnstiftenden Nutzung aufstrebender Technologien braucht. 

Mit meinem Wirken helfe ich, Ökonomen fit zu machen, dass sie diese Rolle in ihren Unternehmen bzw. für ihre Kunden mit Mut und einem prall gefüllten Wissenskoffer wahrnehmen können.  

Für welches Thema brennst du, das nicht mit deinem Studiengang zu tun hast?

Ich brenne für Kids. Während meine erwachsenen Töchter schon ihren eigenen Weg gehen, betreue ich meinen 5-jährigen Sohn zur Hälfte im Co-Parenting. Ich erlebe hautnah, dass dies in unserer Gesellschaft noch weit entfernt von ’normal› ist. Für viele berufstätige Mütter muss es ähnlich undankbar (gewesen) sein, eine Karriere zu verfolgen und gleichzeitig ein gutes Rollenbild als Elternteil abzugeben. Die Gesellschaft und die Medien haben sich glücklicherweise allmählich an berufstätige Mütter gewöhnt. Für die wachsende Anzahl Männer, die in der Familie nicht nur die Rolle der Ernährer oder Wochenendväter übernehmen, sondern eben auch an Pausenbrötli, Augenarzt und Elternabend denken müssen, gibt es aber noch keine schlagkräftige Lobby oder mediale Sichtbarkeit. Ich erlebe oft die Reaktion, dass Frauen dieses Co-Parenting-Modell mit Egoismus der Mutter erklären, während es bei Männern kognitiv gar nicht richtig existiert. Sie hören es zwar, ignorieren aber komplett, dass es einen Einfluss auf typische Arbeitsstrukturen hat – weniger in Bezug auf Leistung, aber beispielsweise bei den Präsenzzeiten.

Dieses ‹Transformation› – ob urban, digital oder gesellschaftlich – scheint also irgendwie mein Ding…