Aktuell | 5. September 2022

«Panikmache ist fehl am Platz»

Was können wir tun, wenn in diesem Winter der Strom knapp wird? Und welche Massnahmen muss die Schweiz ergreifen, um die Energiestrategie 2050 zu erreichen? Wir haben bei Angela Truniger, Finanzanalystin bei der St. Galler Kantonalbank und Absolventin Bachelor Betriebsökonomie HWZ, nachgefragt und dabei auch mehr über ihre Zeit an der HWZ erfahren.

Angela Truninger, Absolventin Bachelor Betriebsökonomie HWZ

Angela Truninger, Absolventin Bachelor Betriebsökonomie HWZ

Angela, du bist Finanzanalystin bei der St. Galler Kantonalbank und hast dich kürzlich im «cash»-Interview zur aktuellen Energiekrise geäussert. Ähnlich wie beim Klopapier während Corona sind viele nun am Holz horten und verfallen regelrecht in Panik-Käufe. Zu Recht?
Ja in der Tat hört man, dass viele ihren Holzvorrat aufstocken.

Panik ist natürlich fehl am Platz, zumal wir uns noch in keiner wirklichen Energiemangellage befinden.

Etwas Voraussicht und Vorbereitung ist aber sicherlich nicht schlecht, vor allem wenn man ein Cheminée zuhause hat, das man im Winter benutzen will. Ich wohne in einer Mietwohnung mit Gasheizung in der Stadt Zürich, da bin ich leider etwas abhängiger.

Welche Heizungen sind betroffen? Nur Öl und Gas oder auch Erdsonde und Weiteres?
Die höheren Gas- und Ölpreise treiben die Kosten zur Betreibung von Öl- und Gasheizungen nach oben, da der Rohstoff an sich teurer wird. Durch die staatlichen Subventionen erhalten vor allem Wärmepumpen aller Art Auftrieb. Dort kommt es momentan auch zu Wartezeiten, da die Nachfrage so hoch ist. Bei Photovoltaikanlagen liegen die Wartezeiten teils über einem Jahr. Dies hat auch mit den anhaltenden Lieferkettenproblemen vor allem aus China zu tun. Genug früh bestellen lohnt sich, wenn man nicht sehr lange warten möchte.

Was rätst du Firmen und Haushalten, um ihren Verbrauch zu reduzieren?
Ich würde mir verschiedene Szenarien überlegen, wo und in welchem Fall der Verbrauch reduziert werden kann, um auf eine allfällige Mangellage zu reagieren. Beispiele sind hier: tiefere Heiztemperaturen, Warmwasser wird nicht ständig erhitzt, kürzere Duscheinheiten, Trennung von Geräten vom Stromnetz, die nicht benötigt werden. Bei Firmen im Produktionsbereich ist es schwieriger, weil diese Prozesse oft sehr energieintensiv sind und viele Abhängigkeiten aufweisen. Hier ist sicherlich wichtig, dass realistische und planbare Szenarien entwickelt werden, die Teil eines umfassenden Risikomanagements sind.

Haben wir es nicht einfach verschlafen, früher stärker in die erneuerbaren Energien zu investieren?
Zu einem Teil sicherlich. Aber man darf die Entwicklung der letzten Jahre nicht vergessen. Bei den Heizungen steigt der Anteil an Wärmepumpen und auch im Photovoltaikbereich haben wir Fortschritte gemacht.

Das Tempo muss aber deutlich zulegen, damit wir die Energiestrategie 2050 erreichen.

Oftmals blockieren die langwierigen Bewilligungsverfahren neue Projekte. Ich denke in der Bevölkerung ist aber mehrheitlich angekommen, dass wir was unternehmen müssen und kein Weg an erneuerbaren Energien vorbeiführt.

Wo liegen die Risiken, wenn wir vermehrt auf erneuerbare Energien setzen?
Setzt man mehr auf erneuerbare Energien, verstärkt sich auch die Abhängigkeit vom Faktor Wetter. Das Stromnetz wird dadurch schwankungsanfälliger und im Extremfall könnte die Netzstabilität gefährdet werden. In der Schweiz haben wir aber durch die Stauseen und die Flusskraftwerke, die als Stromspeicher fungieren, einen Vorteil.

Wie schnell ist es überhaupt möglich, diese erneuerbaren Energien auszubauen? Mit welchem Zeithorizont können wir rechnen?
Dies ist schwierig zu beantworten, da viele Projekte wie beispielsweise das Trift-Stauseeprojekt im Berner Oberland durch Einsprachen blockiert sind. Um die Energiestrategie 2050 zu erreichen und auch den Wegfall der Atomenergie zu kompensieren, müssen wir alles daransetzen, den Aufbau zügiger voranzutreiben.

Ist es für so ein kleines Land wie die Schweiz überhaupt möglich, energie-autonom zu sein?
Die Schweiz ist durch die geografische Lage eng mit dem Stromnetz Europas verbunden und fungiert auch als Transitland. Auf reine Energieautonomität zu setzen, wäre hier deshalb die falsche Lösung. Durch die Stauseen, welche quasi einen Stromspeicher darstellen, leistet die Schweiz schon einen Beitrag zur Energiestabilität auch in Europa. Der Ausbau an Solaranlagen in der Schweiz könnte aber sicherlich stärker vorangetrieben werden.

Kommen wir kurz auf deine Zeit an der HWZ zu sprechen: Du hast 2017 den Bachelor Betriebsökonomie bei uns abgeschlossen. Seit bald fünf Jahren bist du bei der St. Galler Kantonalbank als Finanzanalystin tätig. Was hast du aus dem Studium an der HWZ für deinen beruflichen Weg mitgenommen?
Die Freude, immer wieder etwas Neues zu lernen und neue Herausforderungen anzunehmen sowie Theoretisches mit der Praxis zu verknüpfen, um so den eigenen Horizont zu erweitern. Auch sich nicht entmutigen zu lassen und in schwierigen Zeiten mit hoher Belastung Durchhaltewillen zu zeigen.

Welches Know-how, welche angeeigneten Kompetenzen aus dem Studium helfen dir bei deiner täglichen Arbeit als Finanzanalystin?
Im Studium habe ich vor allem in der Vertiefung Banking und Finance viel Neues gelernt, das ich nun bei der täglichen Arbeit benutzen kann und hilfreich ist. Ein spezifisches Beispiel: Die Grundlagen der fundamentalen Unternehmensbewertung.