Aktuell | 24. Juli 2020

Zwei Puzzleteile und 7 Learnings: CAS Digital Ethics

Die Pionierklasse des CAS Digital Ethics HWZ hat Ende Juni erfolgreich abgeschlossen. Unter ihnen auch Denise Girardet, Marketing- und Kommunikationsverantwortliche bei zwei verschiedenen Unternehmen. In einem Gastbeitrag spricht sie über ihre Motivation fürs «Rudern», die sie zu diesem Lehrgang führte, gibt Einblick in ihre persönlichen Learnings und erklärt, weshalb sie bereits den nächsten CAS in Angriff nimmt.

Girardet Denise Hwz Cas Digital Ethics

Als ich Anfang des Jahres kurz vor dem Studienstart zum CAS Digital Ethics stand, kam die Frage auf, auf was ich am meisten gespannt sei. Meine Antwort war wenig konkret: «auf alles». Würde man mir heute nach dem mittlerweile (leider) offiziellen Abschluss des CAS Digital Ethics die Frage stellen, was mir am besten gefiel, würde meine Antwort differenzierter ausfallen. Nicht weil ich einzelne Module spannender fand, sondern aufgrund dessen was ich in den vergangenen Monaten gelernt und ja, erlebt habe. Das CAS hat mein «Wissenspuzzle» um zwei weitere ergänzt. Zwei Puzzleteile, weil es einerseits um das Verständnis von neuen Technologien und datenbasierten Geschäftsmodellen und andererseits um die Auswirkungen auf die Gesellschaft geht.

Dieser Blogpost ist keine Zusammenfassung des Unterrichts, was uns die Dozierenden gelehrt haben. Es geht vielmehr um meine persönlichen Learnings. Aber warum habe ich mich überhaupt für das CAS Digital Ethics angemeldet?

Meine Motivation fürs «Rudern»

Im Dezember 2018 ist ein Tweet vom Center vor Digital Responsibility in meiner Timeline gelandet: «Shift 2019. Business ohne Grenzen?» Mein Bauchgefühl sagte mir, dass diese Veranstaltung wichtig ist und anders als die bisherigen Veranstaltungen. Daraufhin folgte der Besuch an der Shift und schlussendlich kam ich über das Seminar Digital Ethics zum CAS. Ich mag Technologien und auch wenn nicht jeder Digitalisierungsschritt sinnvoll ist (die Gründe sind unterschiedlich), ist die Digitalisierung präsent. Wir können uns gegen sie wehren oder verstehen, wie sie funktioniert oder was sie mit uns macht und dabei das Ruder in unseren Händen zu behalten. Ich bin fürs Rudern. Im CAS habe ich das Big Picture erhalten. Endlich wurden Zusammenhänge sichtbar, die vorher als nicht verknüpfte Punkte in der Luft schwebten. Und einmal mehr wurde mir bewusst, wie rasant die technologischen Schritte voranschreiten. Und wie komplex algorithmische Technologien sind. Ich habe in diesem CAS sehr viel dazugelernt, keine Frage. Aber selbst jetzt habe ich manchmal immer noch das Gefühl bezüglich Technologien nichts zu wissen. Okay, vielleicht nicht nichts, aber 0,1m. (Fact aus dem Unterricht Neuroethik mit Katrin-Cécile Ziegler: Von einer Skala von 0 bis 1000m ist 0,1m der Wert, wenn wir alles zusammenrechnen würden, was wir über unser Gehirn wissen.)

Meine Learnings

Die Vorfreude auf den ersten Schultag und alle weiteren war riesig. Zwei Jobs und eine Weiterbildung gleichzeitig zu managen, ist nicht immer einfach. Aber ich finde es sehr wertvoll, meinen Horizont zu erweitern, Inspiration und «Futter» für mein Gehirn zu holen. Es ist wichtig, den Berufsalltag auszubrechen und neue Impulse zu holen. Lebenslanges Lernen ist für mich kein Muss, sondern wertvoller Luxus, den ich nicht missen möchte. Meine 7 Learnings aus dem CAS Digital Ethics:

#1 Kontext, StakeholderInnen und kritische Reflexion sind wichtig.

Der Überblick über die neuen Technologien und deren Auswirkungen ist da, definitiv. Aber mit den Überblicken ist es wie mit dem ethischen Kontext: Er kann sich immer wieder ändern und muss deshalb stets hinterfragt und neu beurteilt werden. Learning 1: Digitale Ethik muss immer (wieder!) kritisch im Kontext und in Bezug auf die involvierten Stakeholder beurteilt werden.

#2 Diskussionen steigern die Lernkurve.

Ich hätte nicht gedacht, dass man bei Diskussionen so viel lernen kann. Mit Fallbeispielen und Breakout-Sessions haben wird die Module vertieft und die Diskussionen halfen bei der Reflexion und dem kritischen Hinterfragen:

  • Die Reflexion, der Kontext und der Diskurs ist wichtig. Denn Reflexion ist nicht einfach und sich immer dem verändernden Kontext bewusst zu sein, noch viel weniger. Je häufiger du reflektierst und die Punkte berücksichtigt, die dabei wichtig sind, desto eher wendest du den Ansatz automatisch an. Meiner Meinung nicht nur wichtig beim Einsatz von neuen Technologien, sondern bei eigentlichen allen Themen im Alltag.

  • Kritisch hinterfragen ist anstrengend und der- oder diejenige zu sein, der kritische Fragen stellt, kann noch unangenehmer sein. Und einfach keine kritischen Fragen zu stellen, wäre noch viel einfacher. Wir mussten mal in einem Unterrichtsmodul unethische Geschäftsprozesse einer Jury «verkaufen». Unser Fazit: Unethisch zu handeln ohne auf etwas oder jemanden Rücksicht zu nehmen war erschreckend einfach.

Learning 2: Diskutieren hilft das Gelernte anzuwenden.

#3 Die diverse (Pionier) Klasse

Diverse Teams sind wichtig. Wirklich! Wichtiges drittes Learning. Nicht nur in Weiterbildungen sondern auch in Unternehmen, einfach überall. Unterschiedliche Berufshintergründe, Funktionen, Geschlechter: Wir als einzelne Person können nicht an alle oder alles denken, deshalb braucht es diverse Teams. Das hilft bewusst zu werden, wie unterschiedlich die StakeholderInnen und deren Bedürfnisse sind. Ich hatte in meinen bisherigen Weiterbildungen jeweils Gleichgesinnte: Es waren alle Marketeers oder KommunikatiönlerInnen. Das ist gar nicht wertend gemeint, aber für den ethischen Diskurs wenig zielführend. Digitale Ethik ist eben nicht an einem spezifischen Ort (im Unternehmen) angesiedelt. Es sollten sich möglichst viele Teams damit auseinandersetzen. Und unsere Pionierklasse war wirklich divers und ich habe dies extrem geschätzt. Ich habe von meinen KollegInnen sehr viel gelernt. Wir hatten einige Male über die ausserordentliche Unterrichtszeit weiter diskutiert. Und selbst nach dem offiziellen Abschluss präsentiert die Klasse ihre verfassten CAS-Arbeiten im Rahmen eines Zusatztermins. Weil wir zwar die Titel der Arbeiten voneinander kennen, aber nicht wirklich die Inhalte. Für mich kein selbstverständliches Engagement.

#4 Engagement Studiengangsleiterin

Apropos Engagement: ein grosses Kompliment an Cornelia, Studiengangsleiterin vom CAS. Ihr Netzwerk, ihr authentischer Einsatz, ihr Gespür für tolle Dozierende. Sie hat in Rekordzeit ein Think Tank für digitale Ethik auf die Beine gestellt. Zum Glück war ich an der Shift 2019, denn ansonsten wäre ich nicht in diesem CAS gelandet. Cornelias Engagement hat sich zusätzlich während der Shutdowns gezeigt. Den ein Pionier-CAS unter diesen Voraussetzungen – mit neuen Dozierenden – zu leiten, ist alles andere als einfach. Aber selbst das hast Cornelia hervorragend gemeistert. Viertes Learning: Cornelia hat wesentlich dazu beigetragen, dass ich mich als Studentin immer sehr wohl gefühlt habe.

#5 zoom funktioniert, offline mag ich lieber

Wir hatten das Glück, dass wir vor dem offiziellen Shutdown bereits 6 Unterrichtstage vor Ort hatten. So konnten wir uns gut kennenlernen. Ein neuer CAS direkt mit zoom zu starten, ist bestimmt nicht einfach. Und auch wenn die Technik und die Umstellung auf den Onlineunterricht (Kompliment an das Institute for Digital Business der HWZ und Andreas von Gunten) einwandfrei funktioniert hat, Diskussionen und sogar Apéros möglich waren: Mir ist der Offlineunterricht sympathischer. Learning Nummer 5. Die Gespräche in den Pausen, einen ethischen Design-Thinking-Workshop «effektiv» zu machen, die gemeinsamen Mittagessen und die Diskussionen mit Blickkontakt sind nicht zu ersetzen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass man 1 oder 2 Module online macht. Bsp. wenn ein/e Dozierende/r aus dem Ausland oder weit weg anreisen müsste.

#6 Corona-Pandemie sorgte für Diskussionsstoff

Aufgrund der Pandemie sind sehr viele (wichtige!) ethische Diskussionen neu entfacht. Die Einschränkung der Grundrechte des Bundesrates, die diversen Solidaritätsfragen, die Diskussionen rund um die Tracing-App. Realistischer hätte der Bezug für uns Studierende nicht sein können. Der Diskussionsstoff ging uns nie aus. Sechstes Learning: Aktueller Bezug zur Realität hilft extrem und zeigt zudem, dass dieser CAS ein wichtiges Thema aufnimmt. Aber abgesehen vom Bezug zur aktuellen Situation: Weiterbildung ist dann immer richtig, wenn man dafür bereit (und motiviert) ist. Unabhängig weiterer Umstände, denn bei der Arbeit oder zuhause ist ja immer viel los ?

#7 Trendthema Digitale Ethik

Last but not least. Ist digitale Ethik nur ein Hype, ein Trend, der durch die Corona-Pandemie verstärkt wurde? 2019 hat Gartner «Digitale Ethik» und «Privatsphäre» als eines der Top-Themen identifiziert. Immer mehr Ethikkommissionen und -boards werden eingeführt. Organisationen wie algo.rules oder Algorithm Watch setzen sich für den kritischen Dialog automatisierter IT-Systeme und neuer Technologien ein. Digitale Ethik ist zu einem wichtigen Thema geworden. Ich bin überzeugt, dass in Zukunft neben der HWZ weitere Bildungsstätten digitale Ethik in ihr Angebot aufnehmen werden. Und je mehr Personen sich mit digitaler Ethik auseinandersetzen, desto besser wird es in den Unternehmen verankert, desto besser für unsere Gesellschaft. Letztes Learning: Digitale Ethik betrifft uns alle. Das nächste CAS startet übrigens im Februar 2021 ?

Ist das Puzzle nun vollständig?

Die Zeit im CAS verging für mich wie im Flug und auch wenn ich jetzt weitere Puzzleteile habe, ist das Bild nicht vollständig. Denn wer weiss schon, wie gross es sein oder wie es aussehen wird? Meine Motivation nehme ich auf jeden Fall gleich in den nächsten CAS Digital Leadership mit.

Ein herzliches Dankeschön an die 22 weltweiten Pioniere und Pionierinnen (so nannten uns Dozierende) und Cornelia für diese inspirierenden Monate.