Aktuell | 30. September 2020

Legal Tech: Wenn Recht und Technik miteinander verschmelzen

Das Institute for Digital Business der HWZ lanciert mit dem CAS Legal Tech den ersten Zertifikatslehrgang im Bereich Legal. Der Lehrgang stellt aber nicht primär die Technologie ins Zentrum, sondern die Art und Weise wie Rechtsdienstleistungen zukünftig erbracht werden und neue Geschäftsmodelle entstehen. Studiengangsleiter Ioannis Martinis erklärt im Interview, wie sein Lehrgang aufgebaut ist und weshalb man in Zukunft von T- Shaped Lawyers spricht.

Portrait Ioannis Martinis Hwz

Ioannis Martinis, was ist Legal Tech?

Legal Tech ist eine vielschichte Angelegenheit. Vordergründig geht es um die Technologisierung und Digitalisierung der Rechtsbranche; um die Vermählung von Recht und Technologie.

Aber?

Aber es geht auch um die Disintermediation der institutionellen Akteure, die das Recht bisher monopolisiert haben. Es geht also letztlich um einen besseren Zugang zum Recht und zur Justiz für jede Bürgerin und jeden Bürger. Legal Tech birgt das Versprechen in sich, diesen Zugang für alle zu vereinfachen und erschwinglicher zu machen.

Und was bedeutet dies für die Anwaltschaft?

Für die Anwaltschaft birgt Legal Tech einerseits ein disruptives Element in sich und droht alte Geschäftsmodelle zu verdrängen. Gleichzeitig beinhaltet es aber gerade für progressive Juristinnen und Juristen auch das Element des «Enabling», der Ermöglichung in sich; der Ermöglichung Rechtsdienstleistungen auf eine Art und Weise zu erbringen, wie es bisher gar nicht vorstellbar war.

Ist es möglich, dass Richterinnen und Richter in den nächsten fünf Jahren durch intelligente Maschinen ersetzt werden?

Nein, das wird nicht geschehen. Aber künstliche Intelligenz wird trotzdem Einzug in die Urteilsfindung erhalten. Künstliche Intelligenz und Predictiv Analytics werden noch stärker als es heute bereits der Fall ist Rückfallrisiken berechnen und den Richterinnen und Richter Empfehlungen abgeben. Deshalb erachte ich es als essentiell, dass bei Juristinnen und Juristen ein fundiertes Verständnis für diese Technologien vorhanden ist.

Legal Tech wird die Rechtsbranche grundlegend verändern. Du hast in deiner Masterarbeit die These aufgestellt, dass sich die Rechtsbranche in den nächsten 20 Jahren stärker verändern wird, als sie dies in den letzten 200 Jahren getan hat. Du sagst, dass diese Veränderung in den USA sowie auch in Deutschland bereits spürbar ist. Wie sieht es in der Schweiz aus?

Obwohl wir in der Schweiz einen viel weniger stark regulierten Rechtsmarkt haben als bspw. in Deutschland, haben sich dort bereits zahlreiche Legal Tech unternehmen etabliert. Das liegt schlicht an der Tatsache, dass der Markt dort 10x grösser ist und man kreative Wege gefunden hat, die strengen Beschränkungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes zu umgehen. In der Schweiz lassen sich indessen diverse Geschäftsmodelle weniger leicht skalieren. Es gibt nicht nur weniger Kundinnen und Kunden, die man ansprechen kann, sondern auch Sprachenvielfalt, die es zu berücksichtigen gilt. Nichtsdestotrotz haben wir auch in der Schweiz innovative Legal Tech Anbieter und es kommen monatlich neue dazu.

Mit welchen Kernthemen und Fragen müssen sich Anwältinnen und Anwälte sowie Juristinnen und Juristen in Zukunft auseinandersetzen? Mit welchen Herausforderungen und Fragen haben sie in Zukunft zu kämpfen?

Juristinnen und Juristen sind heute mehr als Rechtsberater. Sie sind Ermöglicherinnen und Ermöglicher sowie Brückenbauerinnen und Brückenbauer. Sowohl Firmen- als auch Privatkunden verlangen stetig mehr nicht-juristische Fähigkeiten und Dienstleistungen. Fundierte juristische Kenntnisse werden schlicht vorausgesetzt. Gefordert werden heute aber auch Fähigkeiten in den Bereichen Technologie, Projektmanagement, Datenanalyse sowie Soft-Skills in Sachen Innovation, Kommunikation und kreativer Lösungsfindung. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom T-Shaped Laywer.

Im März 2021 startet dein CAS Legal Tech. Dabei steht aber nicht primär die Technologie im Zentrum, sondern die Art und Weise wie Rechtsdienstleistungen zukünftig erbracht werden und neue Geschäftsmodelle entstehen. Wie muss man sich das vorstellen?

Legal Tech ist mehr als Tech. Technologie ist ein wichtiger Treiber für die Veränderungen um Rechtsmarkt. Ebenso essentiell sind aber ein verändertes Kundenverhalten und die Liberalisierung des Rechtsmarktes. Dem möchte ich im Lehrgang Rechnung tragen und aufzeigen, was sich für Geschäftsmodelle daraus ergeben können.

Wie ist derStudiengang aufgebaut?

Wir beginnen mit einem «allgemeinen Teil» wie es Juristinnen und Juristen bereits aus diversen Rechtsgebieten kennen und bringen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dieselbe «Flughöhe». Wenn klar ist, wo wir im Jahre 2021 in Sachen Legal Tech stehen und inwiefern sich dies auf die Rechtsbranche auswirkt, gehen wir auf spezifische Themen wie Legal Chatbots, Maschinelles Lernen, Smart Contracts und Blockchain ein. Darauf aufbauend rücken Themen wie Plattform-Ökonomie, Digitale Ethik, Datenschutz, Digital Risk Management, Digital Legal Marketing, Kommunikation in einer digitalen Welt, Projekt Management, Design Thinking und Legal Innovation in den Fokus. Am Ende haben wir den bereits erwähnten T-Shaped Lawyer, der seine fundierten juristischen Expertise (die vertikale Linie des Buchstabens «T») um wichtige Soft-Skills für das 21. Jahrhundert erweitert hat (die horizontale Linie des Buchstabens «T»).

Welche Expertinnen und Experten konntest du für diesen CAS als Dozierende gewinnen?

Mit mir werden über 20 Dozentinnen und Dozenten ihre Expertise vermitteln. Dazu gehören:

  • Dr. Melinda Lohmann, Assistenzprofessorin für Wirtschaftsrecht, Schwerpunkt Informationsrecht und Direktorin der Forschungsstelle für Informationsrecht der Universität St. Gallen

  • Dr. iur. Michael Burkart, Head Legal Operations & Strategy bei Implenia und Vizepräsident der Swiss LegalTech Association

  • Dr. Lukas Abegg-Vaterlaus, Gerichtsschreiber am Bundesverwaltungsgericht

  • Lea Hungerbühler, Rechtsanwältin und Gründerin von Leximpact

  • Rahel Giudice, Projektleiterin Social Media und Partnerin bei LexBot

  • Dr. Benedikt M. Quarch, Mitgründer und Managing Director der RightNow Group

  • Lorenz Wenger, Kommunikationsexperte und Präsident des Chapter Schweiz der German Speakers Association

  • Cornelia Diethelm, Expertin für Digitale Ethik und Gründerin des Centre for Digital Responsibility

  • Tobias Steinemann, Rechtsanwalt und Experte für Digital Legal Marketing bei HeadStarterz

  • Dr. Alan Moran, Autor und Experte für agiles Project Management

  • Alessandro Tschabold, Innovationsexperte von Innosuisse

  • Ralph Hutter, Digital Risk Experte

  • Caroline Danner, Rechtsanwältin, die sich mit ihrer Kanzlei Onlaw auf Datenschutz und Recht im digitalen Raum spezialisiert hat

  • Ema Bolomey, Rechtsanwältin der Kanzlei Wilhelm Gilliéron Avocats

  • Franz Kummer, Legal Tech Pionier und Geschäftsführer von Weblaw

  • Dr. Philip Hanke, Blockchain Experte bei Weblaw

  • Dr. des. Stephan Meyer, Co-Gründer von FQX, Rechtsanwalt bei MME und Dozent für Blockchain & Smart Contracts an der Universität Luzern

  • Ludwig Bull, Gründer und CEO von CourtCorrect

  • Carmen De La Cruz, Rechtsanwältin und Managing Partner bei de la cruz beranek Attorneys, Expertin für Datenschutz und IT Recht

  • Dr. Guenther Dobrauz, Partner & Leader PwC Legal Switzerland sowie Autor mehrerer Bücher

  • Dr. Marc Olivier Morant, Head Alternative Legal Solutions PwC Legal Switzerland

  • Dr. Erik Nygren, Senior Business Analyst SBB, theoretischer Physiker und Experte für Künstliche Intelligenz und Deep Learning

  • Dr. Daniel Halmer, Rechtsanwalt und Gründer sowie Managing Director von LexFox/CONNYSimon Erdmann, Head of Brand & Battlegrounds, Global Messaging & Portfolio Marketing bei Cognizant

  • Dr. Alexander Schmid, Rechtsanwalt, Softwareentwickler und Partner bei der Kanzlei ePartners

Die Zusagen bereiten mir ausgesprochen grosse Freude und ich kann es kaum noch erwarten bis der Studiengang endlich losgeht.

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