Event | 30. Juni 2022

Daten – die Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation?

Der Fokus der Veranstaltung vom Mittwoch, 29. Juni 2022, lag auf den Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation im Bereich «Intelligent Process Mining & Automation». Die rund 60 Teilnehmenden erfuhren einerseits aus der Wissenschaftsperspektive als auch aus der Praxis, was es braucht, um Daten sinnvoll für die Optimierung und Automatisierung von Prozessen einzusetzen.

Titelbild Erfolgsfaktoren Der Digitalen Transformation Webneu

Process Mining an der Universität St. Gallen

Prof. Dr. Barbara Weber, Professorin am Lehrstuhl für Software Systems Programming & Development der Universität St. Gallen, und Lisa Zimmermann, Doktorandin an diesem Lehrstuhl sowie Process Mining Consultant, gingen in ihrem Referat auf die Chancen und Herausforderungen von Process Mining ein. Frau Weber zeigte gleich zu Beginn auf, was Process Mining bringt:

Process Mining ermöglicht eine datenbasierte Rekonstruktion und Analyse von Prozessen und schafft damit Transparenz.

In der Folge stellte sie den gesamten Ablauf des Process Minings dar und ging auf die unterschiedlichen Punkte ein.

Darstellung Process Mining, Quelle Prof. Dr. Barbara Weber, Universität St. Gallen

Darstellung Process Mining, Quelle Prof. Dr. Barbara Weber, Universität St. Gallen

Sie erklärte, dass diese Analysen aktuell typischerweise für Geschäftsprozesse durchgeführt werden, aber Process Mining auch für andere Events und Sequenzdaten ausgeführt werden könnte.

Gemäss Barbara Weber können mit Process Mining erhebliche Optimierungen in der Praxis erzielt werden, sie nannte folgende:

  • Einsparungspotentiale

  • Benchmarks von Prozessabläufen

  • Definition von praxisbezogenen KPIs

In einer breit angelegten Expertenbefragung wurde festgestellt, dass der Einsatz von Process Mining zahlreiche Chancen für unterschiedliche Bereiche des Unternehmens bietet. Dazu gehören beispielsweise die strategische Entscheidungsfindung, die Verbesserungen von Mitarbeitendenschulungen, die Förderung einer faktenbasierten Kommunikation und Entscheidungsfindung, die Identifizierung «schlechter» Prozesse, Evaluation der Prozessleistung sowie weitere zahlreiche Chancen, die sich im Bereich IT/Methodik ergeben.

Lisa Zimmermann sprach in ihrem Referat über die Praxisumsetzung von Process-Mining-Projekten. Diese Umsetzung erfolgt in der Praxis in verschiedenen Phasen, die von der Planung bis zur Evaluation reichen. An der Universität St. Gallen wurde eine dreistufige Studie entwickelt, um diesen Umsetzungsprozess zu analysieren. Ziel dieser Studie ist, Prozessanalyst:innen in ihrem Arbeitsalltag zu unterstützen und ihnen einen Leitfaden sowie operative Unterstützung an die Hand zu geben. Die Ergebnisse und Herausforderungen, die in der Studie aufgetreten sind, waren nicht trivial. So wurde beispielsweise festgestellt, dass die Prozessanalyse und die Analyse von Daten wichtige, nicht zu unterschätzende Faktoren sind. Dazu gehören auch die Verfügbarkeit, Transformation und Qualität der Daten, das Tool, die Befähigung, die Schulung, die Expertise sowie die Zusammenarbeit mit Stakeholdern.

Process Mining am Beispiel der Migros Bank

Stefan Krähenmann, Datenanalyst bei der internen Revision der Migros Bank, zeigte auf, was sein Arbeitgeber im Bereich Robotic Process Automation und Process Mining tut. Das Ziel der Migros Bank ist es, sich in folgenden Bereichen zu verstärken:

  • Prozessverständnis in unterschiedlichen Bereichen

  • Untersuchung von Compliance Fragen – sind Prozesse regelkonform?

  • Prozesse verstehen – hilft bei Reorganisation und Umstrukturierungen

  • Erkennen von Automatisierungspotential

Da diese Themen bei der Migros Bank noch am Anfang stehen, musste zuerst evaluiert werden, welche Tools die Bank optimal unterstützen. Bei der Evaluation untersuchten sie Celonis, UiPath und BupaR. Bereits Barbara Weber und Lisa Zimmermann erwähnten in ihren Referaten die diversen Tools und die Relevanz, das Passende auszuwählen. Celonis ist in diesem Bereich Marktführer. Die Migros Bank hat sich aufgrund der Kostenstruktur sowie der relativ neuen Auseinandersetzung mit dem Thema für BupaR entschieden. Die Funktionen dieses Tools reichen vorerst für die Abdeckung der Bedürfnisse aus. Stefan Krähenmann gab einen kurzen Überblick über die Funktionalitäten des Tools und ging dann auf die Mehrwerte für die interne Revision ein. Aktuell werden die Erkenntnisse aus dem Process Mining noch nicht als Entscheidungsgrundlage beigezogen, aber sie sind hilfreich für Interviews mit den revidierten Einheiten. Die interne Revision der Migros Bank setzt Process Mining derzeit nur sporadisch ein, was zum Teil auf fehlende Daten oder den Aufwand für deren Beschaffung zurückzuführen ist.

Process Mining mit viel Potenzial nach oben

Prof. Dr. Evangelos Xevelonakis und Viviane Meyer gingen in ihrem Vortrag auf die Forschungsergebnisse der HWZ ein. Zu Beginn erläuterte Herr Xevelonakis die Ausgangslage und Problemstellung:

  • Aktives Prozessmanagement kann die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens steigern und Wettbewerbsvorteile schaffen

  • nicht alle Unternehmen verstehen Prozesse oder wissen, wie diese verbessert werden können

  • Process Mining und Automation Tools bieten den Unternehmen die Möglichkeit, Optimierungs- sowie Automatisierungspotentiale für Teil- oder gar Gesamtprozesse zu identifizieren

Basierend auf dieser Fragestellung hat das Center for Data Science & Technology HWZ ein Forschungsziel und -design entwickelt. Ein Teil davon sind Blended Technologies. Dort wurde überprüft, ob sich AI, Process Mining und RPA Technologien mithilfe eines Frameworks integrieren lassen:

Framework Process Mining Quelle HWZ

Framework Process Mining Quelle HWZ

Dieses Framework hilft, ein Problem zu strukturieren und systematisch vorzugehen. Process Mining, Machine Learning und RPA-Technologien lassen sich integrieren, dass Prozesse effizient analysiert, optimiert und automatisiert werden können.

In einem zweiten Teil führten das Center eine Marktstudie durch, in welcher sie 2’000 Unternehmen zum Stand der Prozessoptimierung schriftlich befragten. An der Umfrage nahmen insgesamt knapp 150 Unternehmen teil, wovon 2/3 als KMU und 1/3 als Grossunternehmen einzuordnen sind. Der Digitalisierungsgrad der Prozesse liegt in allen befragten Unternehmen bei rund 55 %, der Automatisierungsgrad ist um rund 10 % niedriger. 55 % der KMU analysieren ihre Prozesse anhand von Daten, bei Grossunternehmen sind es 69 %. 7 % der Unternehmen analysieren gar keine Prozesse. Welche Bereiche sind bei den Unternehmen digitalisiert oder automatisiert? Hier zeigte sich bei den KMU wie auch bei den Grossunternehmen ein ähnliches Bild. Top 3 sind Finanz- und Rechnungswesen, Marketing und Kommunikation und den dritten Platz teilen sich Kundenservice, Projektmanagement und HR. Die Unternehmen wurden auch gefragt, welche die Herausforderungen bei der Analyse von Prozessen sind. Hier spielen fehlende Ressourcen, Komplexität und Datenqualität eine Rolle. Ein deutliches Bild zeigte sich bei der Frage, ob Process Mining bereits eingesetzt wird. Lediglich 16 % der befragten Unternehmen nutzen bereits Process Mining, 10 % planen dies in absehbarer Zeit. Hier wird deutlich, dass das Potenzial für Process Mining riesig ist. Bei der Frage, wie es um die Digitalisierungsprojekte steht, gaben 80 % der befragten Unternehmen an, dass sie solche Projekte im nächsten Jahr in Angriff nehmen werden.

Denkanstösse von Roman Tobler, Routinuum

Roman Tobler, Co-Geschäftsführer und Inhaber von Routinuum, gab in seinem Referat Denkanstösse, weshalb es sinnvoll ist, wiederkehrende Prozesse, Arbeitsschritte und Routineaufgaben zu automatisieren. Hierbei fokussiert er auf den Prozessschritt Process Discovery, welcher, wie im Ablauf von Frau Weber dargestellt, zuoberst steht. Gemäss Herrn Tobler muss man sich am Anfang eines solchen Prozesses die Frage stellen: Bin ich bereit zu investieren? Egal ob Process Mining oder RPA, Ausgangslage bildet die Analyse der Kosten, des Zeitaufwandes sowie des Soll-Prozesses. Wichtig sei dabei nicht nur die quantitativen Fakten herbeizuziehen, sondern auch die qualitativen:

Welchen Benefit können wir mit einer Automatisierungslösung erzielen?

Die Automation Journey ist ein iterativer Prozess, daher gilt es immer wieder zu evaluieren, wo man steht, wie der Ist-Prozess ist und wo man hin will. Wichtig ist, dass es einen Anfang gibt.

Wenn man einen schlechten Prozess automatisiert, wird er dadurch nicht besser.

Use-Case: Zahlungsprozess auf der Blockchain

Mike Perschak zeigt in seinem Referat mittels use-case auf, wie er einen manuellen Zahlungsprozess automatisierte. Dies ist das Beispiel von Helium, einem dezentralen Netzwerk von IoT-Anwendungen. Das Netzwerk wird weltweit betrieben und hat derzeit etwa 615’000 aktive Gateways. Indem man das Gerät bei sich zu Hause oder im Büro aufstellt, können mit einer kilometerlangen, stromsparenden Netzabdeckung Milliarden von Geräten versorgt werden. Die Betreiber der Geräte werden in der Kryptowährung HNT entschädigt. Die Consensus Group betreibt in der Schweiz eine Flotte von 80 Hotspots und hat ca. 50 Kund:innen. Diese werden monatlich in der Kryptowährung bezahlt. Mike Perschak hat dafür den manuellen Zahlungsprozess automatisiert.

Zahlungsprozess automatisiert, Quelle: Mike Perschak

Zahlungsprozess automatisiert, Quelle: Mike Perschak

Für die Automatisierung baute er einen Bot. Dazu nutzte er Microsofts Power Automate. Der manuelle Prozess dauerte 1.5 Stunden während der Bot nur 5.5 Minuten für den Zahlungsprozess benötigt. Dank des Bots sinkt auch die Fehlerquote im Zahlungsprozess und bei der Ausführung muss keine Person dabei sein. Mike Perschak war selber überrascht, wie einfach es war, diesen Bot zu bauen, da mit dem Tool von Microsoft die Einstiegshürde sehr tief ist. Auch die übersichtliche Dokumentation zur Programmierung hat ihm hier weitergeholfen.