Forschung | 18. Oktober 2022
Der E-Commerce wächst stetig weiter. Doch er kämpft vermehrt mit einem Gap zwischen Erwartungen und Realität. Neun von zehn Konsumentinnen und Konsumenten geben als Retourengrund eine mangelnde Erwartungserfüllung an. Dies führt zu einer erhöhten Anzahl von retournierten Sendungen und das wiederum verursacht hohe Kosten für die Onlinehändler. Der E-Commerce Stimmungsbarometer, den wir gemeinsam mit der Post erstellt haben, untersucht die Gewohnheiten und Präferenzen im Onlinehandel von über 12’000 Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten. Ziel der Studie ist die Stimmung und das Verhalten von Kundinnen und Kunden im Schweizer E-Commerce-Markt zu erfassen und zu analysieren. Dazu wurden Daten erhoben zu Themen wie Vermarktung, Bestellung, virtuelle Marktplätze, Bezahlung, Logistik und Nachhaltigkeit, Retouren sowie Kundenbetreuung.
Der Trend hin zu mehr Online-Einkäufen hält weiterhin an. So shoppten in diesem Jahr weiterhin über ein Viertel der Befragten wöchentlich oder mehr. Am häufigsten online eingekauft wurden in diesem Jahr Eventtickets (64%) und Reisen (62%), gefolgt von Büchern, Musik und Filmen (59%) und der Bekleidung (53%). Dabei gewinnt der virtuelle Marktplatz Digitec Galaxus weiterhin an Beliebtheit. Während dieses Jahr knapp jede dritte befragte Person oft oder sogar immer auf Digitec Galaxus einkaufte, entsprach dies im Jahr 2021 nur bei rund jeder vierten befragten Person.
Während des online Shoppings werden aber auch immer wieder Bestellungen abgebrochen. Gründe, die gegenüber dem Vorjahr an Bedeutung gewonnen haben sind ungutes Gefühl bei der Sicherheit des Shops (+7%) und die schlechte Benutzerfreundlichkeit (+4%). Am häufigsten werden Bestellungen nach wie vor mangels Möglichkeit der Lieferung in die Schweiz abgebrochen.
Dieses Jahr wurden neu auch Fragen zu den Retourenmöglichkeiten gestellt. Rund zwei Drittel der Befragten informieren sich oft oder immer über die Retourenbedingungen des ausgewählten Onlineshops. Wichtig und eher wichtig sind den Befragten vor allem ein einfacher Retourenprozess (95%), klare Retourenbedingungen (92%) und eine schnelle Rückzahlung (83%). Zudem bevorzugen die Studienteilnehmenden über alle Altersklassen hinweg einen rein physischen Retourenprozess, d.h. dass die Rücksendescheine und Etiketten der Sendung beiliegen. Auch bei den unter 35-Jährigen, der «digitalen Generation», bevorzugt rund die Hälfte einen rein physischen Retourenprozess.
Auch Nachhaltigkeitsaspekte spielen für online Shopper:innen eine immer wichtigere Rolle. In Bezug auf die Verpackung finden beispielsweise mehr als die Hälfte die Befragten im 2022 den Verzicht auf Füllmaterial in der Verpackung der bestellten Ware wichtig und eher wichtig. Diese Zahl lag im 2021 noch unter 50%. Bei den ökologischen Versandoptionen bleibt der konsolidierte Versand, also die Bündelung von Teillieferungen, für 56% der befragten Personen weiterhin die wichtigste Option. Beim online Shopping selbst, schätzen 77% aller Befragten die Herkunft von Produkten als wichtig ein.
Insgesamt bleibt der Trend zu mehr Digitalisierung in der Bestellung, Bezahlung und der Logistik bestehen. Dabei spielen ökologische Aspekte für die Konsument:innen eine immer wichtigere Rolle.
Retouren sind ein fester Bestandteil des Onlinehandels, wie eine Onlinehändlerbefragung der Hochschule Luzern zeigt. Bis zu 60 Prozent der bestellten Ware wird in einzelnen Onlineshops wieder zurückgeschickt. Ein HSLU-Forschungsteam hat bei den Onlineshops nachgefragt, wie Retouren vermieden werden können. Denn wer im Internet eine Hose, ein Smartphone oder ein neues Sofa bestellt, tut das häufig im Wissen, den Gegenstand auch wieder zurückschicken zu können. Gründe für das Retournieren eines bestellten Produkts gibt es viele: Die Grösse passt nicht, die Qualität ist schlechter als gedacht oder die Farbe sieht in echt anders aus als auf dem Foto im Onlineshop. «Wer online ein Produkt kauft, hat klare Erwartungen», erklärt Thomas Wozniak, Studienleiter der Onlinehändlerbefragung und Dozent an der Hochschule Luzern. Onlinehandel ist Distanzhandel. «Da ist es besonders schwierig, bei den Konsumentinnen und Konsumenten möglichst realitätsnahe Vorstellungen des Produkts zu schaffen».
Die Kluft zwischen Erwartung und Realität ist nicht bei allen Produktkategorien gleich gross. Entsprechend gibt es bei der Retourenquote grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Onlineshops. Das zeigen die Resultate der HSLU-Studie, an der rund 230 Schweizer Onlinehändler teilgenommen haben. Die durchschnittliche Retourenquote aller Onlineshops beträgt sieben Prozent. Jeder vierzehnte Gegenstand, der in einem Schweizer Onlineshop gekauft wird, wird demnach zurückgeschickt. «Die Bandbreite ist dabei beträchtlich», so Wozniak. Während ein Drittel der Onlineshops eine Retourenquote von einem Prozent oder weniger hat, gibt es vereinzelte Anbieter, bei denen bis zu 60 Prozent der bestellten Ware wieder zurückgeschickt wird. Am häufigsten betroffen von Retouren sind Händler im Modebereich. Die Kundinnen und Kunden schicken in diesem Segment durchschnittlich jeden fünften Artikel wieder zurück. «Bei der Bekleidung gibt es vieles, das nicht passen kann. Deshalb ist in diesem Segment die Retourenquote entsprechend hoch».
Durchschnittliche Retourenquote nach Produktkategorie
Nicht alle zurückgeschickten Artikel können wieder direkt in den normalen Verkauf zurück. Das ist für die Onlineshops eine grosse Herausforderung. Drei Viertel aller Onlinehändler geben zwar an, Retouren wieder zum Neupreis anbieten zu können. «Zurückgeschickte Artikel weisen allerdings immer mal wieder leichte Qualitäts- oder Hygienemängel auf», so Wozniak. Diejenigen Produkte, die nicht mehr zum Neupreis weiterverkauft werden können, müssen die Onlineshops mit Rabatt anbieten, in einem Outlet-Store verkaufen oder in seltenen Fällen sogar vernichten. «Retouren werden dadurch für die Onlineshops zum Kostenfaktor», so Wozniak. Gemäss den Angaben der befragten Unternehmen reduziert sich der Verkaufspreis eines retournierten Produkts um durchschnittlich 18 Prozent. Zudem verursachen Retouren erhebliche Prozesskosten. Die Onlinehändler zahlen häufig den Preis für den Transport. Sie müssen die retournierte Ware entgegennehmen, die Unversehrtheit überprüfen und die Produkte wieder für den Verkauf aufbereiten. Die durchschnittlichen Prozesskosten für eine einzelne Retoure liegen bei rund 20 Franken, wie die HSLU-Erhebung ergeben hat.
Kein Wunder also, bestätigen knapp zwei Drittel der Schweizer Onlinehändler, dass die Vermeidung von Retouren für sie von grosser Bedeutung ist. Das HSLU-Forschungsteam hat untersucht, wie das klappen könnte. «Vielversprechend sind vor allem unterstützende Massnahmen, mit denen die Konsumentinnen und Konsumenten dazu gebracht werden, nur Produkte zu bestellen, die sie später auch behalten», so Wozniak. Lösungsansätze gibt es dafür viele: So etwa bessere Produktbeschreibungen oder Bilder, die das Produkt im Nutzungskontext zeigen und veranschaulichen, wie es im Raum wirkt. Bei Kleidern ist die Grösse ein kritischer Faktor. Neue Tools ermöglichen es den Kundinnen und Kunden, die Grösse besser einschätzen zu können. Verbesserte Produktinformationen sind bei den Onlinehändlern bereits beliebte Massnahmen, um Retouren zu vermeiden. Acht von zehn Schweizer Onlineshops setzen bereits darauf. Inzwischen gibt es auch technische Tools und neue Analyseverfahren von Kundendaten, die den Konsumentinnen und Konsumenten helfen, das passende Produkt zu finden. Einige davon werden von Schweizer Onlineshops bereits eingesetzt. Ob die in der Branche vieldiskutierte Abschaffung der «Gratis-Retoure» die Retourenquote nachhaltig senken würde, kann Wozniak nicht abschliessend beantworten. Für Wozniak ist klar: «Vollständig lösen würde die Abschaffung der gebührenfreien Retourenmöglichkeit das Problem sicher nicht. Gratis-Retouren sind per se noch kein Grund, wieso jemand ein bestelltes Produkt wieder retourniert.» Am besten vermeiden liessen sich Retouren deshalb, wenn Kundinnen und Kunden effektiv dabei unterstützt werden, auf Anhieb den richtigen Artikel zu finden.
Wichtigkeit verschiedener Aspekte bezüglich Vermeidung von Retouren
Je einfacher die Möglichkeit, Waren zu retournieren, desto eher verändert sich auch das Verhalten der Kundinnen und Kunden bei der Bestellung selbst. Rund die Hälfte der Konsumentinnen und Konsumenten planen das Zurückschicken bereits in ihre Bestellungen ein, indem sie mehrere Artikel zur Auswahl bestellen. Die Möglichkeit, die Retouren in der gleichen Verpackung zurückschicken zu können, muss für acht von zehn Kundinnen und Kunden gegeben sein und ist damit Spitzenreiter bei den Aspekten in Bezug auf die Verpackung der bestellten Ware.
Weitere Informationen zur Onlinehändlerbefragung der Hochschule Luzern und zum E-Commerce Stimmungsbarometer der Hochschule für Wirtschaft Zürich HWZ sowie die beiden Studien zum Download gibt es hier:
Medienmitteilung der HSLU in Zusammenarbeit mit der Post und HWZ
HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich Lagerstrasse 5, Postfach, 8021 Zürich kundencenter@fh-hwz.ch, +41 43 322 26 00
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