Campus | 13. Juni 2025
«Goodbye Rega, hello Swiss Air Force». Mit diesen Worten kündigte Till Linder auf LinkedIn seinen beruflichen Wechsel an: Nach zehn Jahren bei der Rega ist er heute wieder als Berufsmilitärpilot der Schweizer Armee tätig – und gleichzeitig Student im Executive MBA General Management an der HWZ. Was wie ein Karriereschritt aussieht, begann mit einem winzigen Stich: Eine Wespe zwang den erfahrenen Helikopterpiloten zur Neuorientierung – und öffnete überraschend neue Türen.
Im Gespräch erzählt Till Linder, Berufsmilitärpilot der Schweizer Armee und Student im Executive MBA General Management HWZ, von diesem Umbruch und wie dieser ihn als Mensch und Führungspersönlichkeit geprägt hat.
Till, du hast in einem LinkedIn-Post geschrieben: «Eine kleine Wespe hat mein Leben verändert.» Das klingt nach einer starken Metapher. Möchtest du uns erzählen, was es mit dieser Aussage auf sich hat?
Klar, sehr gerne. Das Ganze begann an einem heissen Sommertag, als ich beim Heckenschneiden von einer Wespe gestochen wurde. Was ich anfänglich als nicht beunruhigend und höchstens überraschend einstufte, resultierte in ernst zu nehmenden Kreislaufproblemen und einem Notarzteinsatz. Als ich den Vorfall bei der nächsten halbjährlichen ärztlichen Untersuchung erwähnte, die als ü40 Berufspilot vorgeschrieben ist, entschieden die verantwortlichen Ärzte, dem Ursprung dieser Überreaktion auf den Grund zu gehen. Relativ schnell wurde eine allergische Reaktion ausgeschlossen und eine Krankheit vermutet, welche zu solchen Überreaktionen führen kann. Das war der Moment, als mich ein Anruf des fliegerärztlichen Instituts aus dem Flugdienst riss.
Wie hast du die Zeit erlebt, in der das Fliegen plötzlich keine Option mehr war? Was hat diese Phase mit dir gemacht – beruflich wie persönlich?
Interessanterweise hat mich diese Situation nie wirklich beunruhigt oder gar belastet. Von Anfang an hatte ich die Zuversicht, dass, es Optionen geben wird. Eins: Ruhe bewahren, Situation analysieren, Fakten sammeln, Optionen erarbeiten. Ein Pilot kann fast nicht anders...
Eindrücklich waren für mich zwei Erkenntnisse. Erstens die grosse Bedeutung von guten zwischenmenschlichen Beziehungen im Arbeitsalltag. Regapilot war mein Traumberuf. Diese so sinnvolle Tätigkeit mit der Leidenschaft Fliegen verbinden zu können, war sehr erfüllend. Und doch war es das herausgerissen werden aus einem so gut funktionierenden Team, was am meisten schmerzte.
Zweitens hat mir das Erlebte aufgezeigt, wie wichtig es ist, sich auf das zu konzentrieren, was man beeinflussen und bestimmen kann. Dinge, die man nicht beeinflussen kann, wirken oft einschränkend. Diese zu akzeptieren und den Fokus auf das Machbare zu richten, fühlte sich an wie eine Bremse zu lösen.
Beruflich hat mich die kleine Wespe in Richtung Weiterentwicklung geschubst. Und privat hat sie mir die Wichtigkeit der zwischenmenschlichen Faktoren, Fokus und Gelassenheit aufgezeigt.
Dir standen damals mehrere berufliche Optionen zur Auswahl: eine interne Alternative bei der Rega, zurück zur Luftwaffe oder etwas ganz Neues. Was hat dich schliesslich dazu bewogen, einen neuen Weg einzuschlagen und dich für den Executive MBA General Management an der HWZ anzumelden?
Genau, wobei die interne Alternative bei der Rega dann als erste wegfiel und mir bewusst wurde, dass es definitiv eine grössere Veränderung geben wird. Ein Coaching und lange Gespräche mit meiner Frau und guten Freunden bestärkten mich darin, mich nicht nur nach vorne, sondern auch in die Breite weiterzuentwickeln. Mein bester Jugendfreund brachte schliesslich den EMBA ins Spiel. Für mich war klar: Das ist es. Damit kann ich mich ein Stück weit von der Fliegerei unabhängig machen, und es bietet mir Wissen und einen tiefen Einblick ins Unternehmerische, was mich so oder so bereits sehr interessierte.
Kurz nach dem Studienstart im Oktober 2024 hast du ein Angebot der Swiss Air Force erhalten – und angenommen. Erzähle uns: Wie können wir uns diesen spannenden Alltag im Cockpit eines Super Puma vorstellen? Was sind deine aktuellen Aufgaben als Berufsmilitärpilot? 😊
Der Beruf Militärpilot ist sehr abwechslungsreich. Das Einsatzspektrum ist breit und nie ist etwas gleich wie es schon einmal war. Dies fordert ein gutes Zusammenspiel aller Beteiligten. Von der Planung über die Helikopterbereitstellung bis zum Auftrag. Die Haupteinsatzarten sind Personen- und Lastentransporte – mal im Gebirge, mal taktisch, mal bei gutem oder bei schlechtem Wetter. Als Pilot plant man den Einsatz, koordiniert mit dem Besteller und ist schlussendlich für den fliegerischen Teil des Auftrags verantwortlich. Der Auftrag soll erfüllt und die Flugsicherheit jederzeit gewährleistet sein.
Welche Inhalte oder Kompetenzen aus dem EMBA General Management empfindest du als besonders wertvoll für deinen Berufsalltag als Pilot im militärischen Umfeld – sei es im Cockpit, im Team oder in Führungsfragen?
Für mich als Pilot ist es sehr interessant, nun durch den EMBA General Management HWZ in die Betriebswirtschaftswelt eintauchen zu können. Es ist sehr erfüllend zu erkennen, dass ich in den Bereichen Leadership, Kollaboration, Soft-Factors und Kultur vieles aus der Fliegerei bereits kenne und nun weiterentwickeln kann.
Interessant sind Parallelen, wie z. B. im Lean Management, das Ähnlichkeiten mit der in der Fliegerei bekannten und gelebten Fehlerkultur mit sich bringt. Oder VUCA, das wir als Akronym in der Fliegerei weniger kennen, im Einsatz jedoch oft mit genau diesen schnell wechselnden Bedingungen, Ungewissheiten oder Komplexitäten konfrontiert sind.
Als besonders wertvoll erachte ich allgemein den Perspektivenwechsel. Bekannte Themen lerne ich aus einer anderen Perspektive kennen und neues Wissen verhilft mir, bekanntes differenzierter anzuschauen.
Du bist als Trainer und Coach auch mit «TILL-LINDER TEAMWORK and SAFETY» unternehmerisch tätig. Inwiefern beeinflusst das EMBA-Studium deine Arbeit in diesem Bereich? Fliessen auch dort Impulse aus dem Studium ein?
Meine Firma «TILL-LINDER TEAMWORK and SAFETY» habe ich gegründet, um das Potenzial des Crew Resource Managements (CRM) auch nicht-aviatischen Unternehmen zugänglich zu machen. Das CRM dient in der Fliegerei vor allem der Flugsicherheit und beschäftigt sich damit, wie ein Team die im Moment verfügbaren Ressourcen optimal einsetzt. Dabei geht es hauptsächlich um die non-technical skills, also die zwischenmenschlichen Fähigkeiten in den Bereichen Kommunikation, Teamwork, Leadership, Decision Making und Risk Management. Ich bin überzeugt, dass ich durch den EMBA General Management unternehmerisches Verständnis erlange, damit ich das Crew Resource Management hin zu einem Company Resource Management weiterentwickeln kann.
Was bedeutet das Studium an der HWZ für dich heute – fachlich, aber auch persönlich?
Mir persönlich bedeutet dieses Studium sehr viel. Es bietet mir Perspektiven, Wissen, Bestätigung und Energie. Diesen Weg mit einer fantastischen Klasse – seit dem Leadership Retreat schon fast ein Team – bestreiten zu dürfen, ist sehr erfüllend und motivierend. Mit der Zuversicht, dass ich damit als Pilot tatsächlich von der Fliegerei unabhängig werde, gewinne ich auch an Gelassenheit.
Fachlich betrete ich Neuland. Davor hatte ich, zugegeben, grossen Respekt. Dass ich mir das Buch «BWL für Dummies» gekauft habe, bezeugt dies wohl. Schnell habe ich jedoch erkannt, dass der praxisorientierte Unterricht, grossartige Dozentinnen und Dozenten und die positive sowie Leadership-orientierte Einstellung der Studiengangsleitung mich als Reiseführer gut und sicher durchs Neuland begleiten.
Unglaublich, was ein kleiner Wespenstich auslösen kann! Was würdest du jemandem mit auf den Weg geben, der sich – wie du – unerwartet neu orientieren muss oder vor einem beruflichen Wendepunkt steht?
Eins: Ruhe bewahren! 😉
Der EMBA General Management hat mit einem dreitägigen Leadership Retreat begonnen. Dabei haben wir uns je einen Tag mit einer der drei Fragen «Wo komme ich her?», «Wo stehe ich heute?» und «Wo will ich hin?» beschäftigt. Genau solche Gedanken haben mir bei der Neuorientierung auch geholfen. Jemandem, der sich neu orientieren muss oder vor einem Wendepunkt steht, wünsche ich die nötige Ruhe, die richtigen Gesprächspartner und eine gute Portion Zuversicht.
Till, danke für deine Offenheit und für diesen sehr inspirierenden Einblick. Wir sind gespannt, was bei dir noch alles abhebt – nicht nur in der Luft. 😉
HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich Lagerstrasse 5, Postfach, 8021 Zürich +41 43 322 26 00
ImpressumDatenschutzRechtliches