Aktuell | 23. Februar 2023

Kaffeepause mit Prof. Dr. Evangelos Xevelonakis

Er spielt Bouzouki und wäre mit 20 Jahren gerne sportlicher und musikalischer gewesen. Heute ist er Studiengangsleiter von verschiedenen Studiengängen der HWZ, beschäftigt sich stark mit den Themen Daten und IT und trainiert für den (Halb)-Marathon. Er ist überzeugt, dass es mehr weibliche Vorbilder braucht, damit die technischen Berufe auch für Frauen attraktiver werden. Unser Gast der neuesten «Kaffeepause»: Prof. Dr. Evangelos Xevelonakis.

Kaffeepause Evangelos Xevelonakis

In unserer neuen Serie «Kaffeepause» trinken wir mit unseren Dozierenden und Studiengangsleitenden einen Kaffee oder Tee und erkunden die besten Plätze rund um die Europaallee, wo wir als HWZ zuhause sind. In dieser Ausgabe haben wir ein Lokal besucht, das ursprünglich aus Basel kommt und vor rund einem Jahr seine Tore direkt beim HB und in unmittelbarer Nähe zur HWZ öffnete: VITO. Das Szenelokal, das vor allem mit seinem eigenen Pizzastil punktet, serviert jedoch auch guten und preiswerten Kaffee. Zum Arbeiten bietet sich VITO nicht an, zumindest wenn man es etwas ruhiger möchte. Als wir da waren, lief gute, aber etwas laute House-Musik aus den Boxen.

In welchen Studiengängen unterrichtest du an der HWZ?

Ich engagiere mich stark in der Weiterbildung und leite dort die Studiengänge CAS Applied Data Analytics, CAS Machine Learning, CAS Requirements Engineering, CAS Agile Business, CAS AI in Process Mining und CAS Customer Intelligence. In diesen Studiengängen bin ich teilweise auch selbst als Dozent tätig. Zusätzlich habe ich vor einigen Monaten die fachliche Leitung des Bachelor Wirtschaftsinformatik übernommen.

Das klingt nach sehr viel Arbeit.

Ja, es ist ein grosses Pensum.

Was möchtest du den Studierenden mitgeben?

Als Leiter des Center for Data Science & Technology möchte ich unseren Studierenden folgende Empfehlung abgeben: Aus Daten können wir sehr viel Wissen generieren, welches wir in unserem privaten und beruflichen Leben nutzen können. Als Beispiel für die private Nutzung nenne ich gerne die «Wearables», die häufig bei gesundheitlichen Problemen eingesetzt und genutzt werden können. Im geschäftlichen Kontext gibt es zahlreiche Beispiele: Prozesse können analysiert und verbessert werden, die Effizienz innerhalb der Unternehmen kann durch Daten erhöht werden. Daten helfen, Affinitäten von Kund:innen zu erkennen und somit das Cross-/Up-Selling zu erhöhen. Ich bin mir auch der Kehrseite bewusst und denke, dass man die ethischen Aspekte nicht ausser Acht lassen darf. Daher ist es wichtig Transparenz zu schaffen, wo und wie die Daten verwendet werden und welchen Nutzen wir daraus ziehen. Diese Transparenz gilt für mich sowohl gegenüber den Kund:innen als auch gegenüber der Öffentlichkeit.

Du bist ja bereits lange in diesem Bereich tätig, der sich in den letzten Jahren rasant entwickelt hat. Gibt es Beispiele von Unternehmen, die die Daten besonders sinnvoll verwenden?

Es gibt viele Unternehmen, die das sehr vorbildlich machen. Zum Beispiel in der Telekommunikation, im Verkehrswesen bei der Stauvorhersage, im Marketing bei der zielgruppenspezifischen Prozesssteuerung, im Bankwesen beim Devisenhandel, usw.

Wenn man heute durch die Jobportale scrollt, fällt auf, dass Data Analyst oder auch Data Specialist zu den gefragtesten Berufsbildern gehören und es ja angeblich einen Mangel an Fachkräften in diesem Bereich gibt...

Das stimmt. Es herrscht in diesem Bereich ein Fachkräftemangel. Deshalb versucht man Leute mit einer gewissen Datenaffinität direkt intern im Unternehmen auszubilden. Es gibt beispielsweise die sogenannten Citizen Data Scientists. Sie sind Business Spezialist:innen mit einer gewissen Affinität zu Daten, die aber nicht in erster Linie im Data Science-Bereich ausgebildet sind. Diese werden entsprechend aus- und weitergebildet, damit sie die Arbeit eines Data Scientists übernehmen können und Data Science-Probleme lösen können. Die Tools sind heute sehr intuitiv, man muss also kein Programmierer sein, um sie bedienen zu können. Jeder kann heute relativ schnell, Modelle erstellen, Analysen durchführen, Erkenntnisse gewinnen und interpretieren.

Wird sich der Fachkräftemangel in diesem Bereich weiter verschärfen oder gibt es Tendenzen, dass sich in Zukunft mehr Menschen in diesem Bereich aus- und weiterbilden und mehr Fachkräfte auf den Markt kommen?

Ich sehe in diesem Zusammenhang zwei Herausforderungen. Zum einen gibt es das demografische Problem. Die Spezialist:innen gehen in Rente. Zum anderen ist es das Erziehungsproblem in der Schweiz: Es gibt zu wenig Frauen in diesem Bereich. Dies ist nicht in allen Ländern so. Es gibt Länder, die viel mehr Frauen in diesen Gebieten beschäftigen. In der Schweiz sind weniger als 20% der Frauen in IT-nahen Bereichen tätig. Wenn mehr Frauen in diesem Technologiebereich einsteigen würden, könnte so das Problem entschärft werden.

Kann man sagen, dass es nicht an den Frauen liegt, die nach dem Kinderkriegen, ihr Pensum reduzieren oder den Job aufgeben, sondern daran, dass sie sich schon vorher nicht für Ausbildungen in diesem Fachgebiet entschieden haben?

Ja, es beginnt schon in der Ausbildung, für die sich zu wenig Frauen entscheiden. Aber eventuell wird das Problem dann durch die von dir angesprochene Problematik noch verschärft. Aktuell interessieren sich Frauen vermeintlich weniger für diese Fachgebiete oder trauen es sich nicht zu. Ich glaube, dass es wichtig ist, mit Vorbildern zu arbeiten. Wir haben bereits begonnen, HWZ Dozentinnen in der IT und Analytics zu porträtieren.

Das Problem besteht generell. Wie sieht es beispielsweise an der ETH aus? Beschäftigen sie sich mit der Thematik?

Alle sind dran, das Thema ist erkannt.

Was ist wichtiger: Theorie oder Praxis?

Beides. Als Hochschule müssen wir beides tun, allerdings keine Theorie auf Vorrat. Die Theorie sollte dann eingesetzt werden, wenn man sie braucht. Wir versuchen fallbezogen vorzugehen: Es gibt eine Problemstellung und wir fragen uns, welche Mittel es braucht um diesen Fall zu lösen und da spielt Theorie eine wichtige Rolle. Die zeitliche Diskrepanz zwischen Lernen und Anwenden versuchen wir an der HWZ abzubauen. Dies machen wir, indem wir zuerst die Problemstellung analysieren und dann die Theorie, die zur Lösung dieses Problems nötig ist, hinzuziehen.

Hast du ein Lieblingspraxisbeispiel, das du gerne im Unterricht behandelst?

Das Problem bei technologischen Entwicklungen, seien es neue Prozesse oder Systeme, ist oft, dass die Mitarbeitenden zu spät einbezogen werden. Vor Jahren haben wir bei einer Bank ein System entwickelt, das den Devisenhandel analysiert und Prognosemodelle erstellt. Wir haben ein neuronales Netz trainiert/programmiert und dabei festgestellt, dass das Netz 0.5% besser war, als die Portfoliomanager. Das war eine grosse Erkenntnis. Wir wollten es mit den unterschiedlichen Fachabteilungen austesten, doch die haben sich alle geweigert. Das Projekt musste daraufhin eingestellt werden. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist die Mitarbeitenden und die Fachabteilungen ins Projekt mit einzubeziehen und durch die Einbindung Widerstände und Ängste abzubauen.

Was ist das Beste an deinem Beruf?

Das Schöne in meinem Fall ist die Selbstständigkeit, das kreativ sein, Sachen ausprobieren. Ich lerne auch viel von den Studierenden, da sie ja aus verschiedenen Bereichen kommen und unterschiedliche Erfahrungen mitbringen.

Mit was beschäftigst du dich, wenn du nicht unterrichtest?

Ich bin Velofahrer und Marathon-Läufer und trainiere regelmässig. Ausserdem mache ich Musik und spiele Gitarre und Bouzouki (griechische Langhalslaute mit birnenförmigem Korpus). Ich bin auch Teil einer Band.

Für mich die beste Erfindung:

Das Velo. Es ist ökonomisch, ökologisch, gesund und man ist schnell – vor allem in der Stadt.

Was ist dein «Guilty Pleasure»?

Ein Glas Wein mit Freunden

Als Kind wollte ich …

Schiffskapitän werden. Ich habe im Nachhinein den Segelschein gemacht.

Welchen Rat würdest du deinem 20-jährigen «Ich» geben?

Mehr Sport und mehr Musik machen.

Wie feierst du deine Geburtstage?

Mit meiner Frau, meistens im kleinen Rahmen.

Mit welchen 5 Personen würdest du gerne Nachtessen?

Wenn schon, dann am ehesten mit Musiker:innen wie beispielsweise Eric Clapton, Bob Dylan, David Gilmour.

Was kannst du überhaupt nicht?

Kochen.

Wem hast du zuletzt ein Kompliment gemacht? Wofür?

Einer Studentin, die eine hervorragende Arbeit geschrieben hat.

Ein Lebensprinzip?

Hinterfrage Sachen und glaube nicht an alles, sei trotzdem wohlwollend und konstruktiv.

Wofür bist du dankbar?

Dass ich gesund bin und hoffentlich gesund bleibe.

Was zeichnet die Schweizer Wirtschaft für dich aus?

Eine gewisse Stabilität und gleichzeitig auch die Innovationskraft.

Was würdest du an der HWZ einführen?

Anreize für Nachhaltigkeit einführen wie zusätzliche Veloparkplätze, Bonussystem für diejenigen, die mit dem Velo zur HWZ kommen und allgemein Verbesserung der Ökobilanz des Gebäudes.

Kaffeepause Evangelos Vito