Campus | 1. April 2021
Katja Schönenberger ist Direktorin bei Pro Juventute Schweiz, der Organisation, die seit über 100 Jahren Kinder, Jugendliche und deren Eltern unterstützt. Der neuste Coup ist die App «wup», die Kinder und Eltern bei einem sichereren Umgang mit Social Media unterstützt. Katja hat im Frühjahr 2021 den Lehrgang CAS Business Transformation Management HWZ abgeschlossen und mit uns darüber gesprochen, was sich während dem Corona-Jahr bei Pro Juventute verändert hat, ob sie genau wegen oder trotz Corona die Zeit genutzt hat, um eine Weiterbildung zu machen und was sie sich für die Zukunft wünscht.
Foto: z.V.g. Pro Juventute Website
Katja, du bist Direktorin bei Pro Juventute Schweiz. Für mich persönlich eine der sinnvollsten Organisationen, für Kinder und Jugendliche in der Schweiz. Wie sieht dein Berufsalltag aus?
Als Pro Juventute versprechen wir Kindern und Jugendlichen, dass wir für sie da sind, wenn sie uns brauchen. Als Wegbegleitende, Fürsprechende und Nothelfende. Gerade in dieser Corona-Pandemie entwickeln wir laufend unser Angebot weiter, um neue Bedürfnisse tatsächlich auch abdecken zu können. Kinder und Jugendliche sind zudem stark betroffen von den sozialen Einschränkungen. Als Fürsprechende arbeiten wir Tag für Tag daran, ihnen eine Stimme zu geben.
Man liest, dass die Corona Pandemie den Jugendlichen sehr zu schaffen macht. Die Zahlen der Einweisungen in psychiatrische Einrichtungen sind dramatisch. Wie schätzt du die Situation ein?
Was uns wirklich Sorgen macht: Je länger die Pandemie dauert, desto mehr Beratungen führen wir zur psychischen Gesundheit durch. Von Oktober bis Dezember 2020 waren es 40 Prozent mehr als im Vorjahr und die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind voll.
Vor allem die schriftlichen Anfragen z. B. beim Chat bei Pro Juventute haben während der Pandemie drastisch zugenommen. Wie konntet ihr diesen Ansturm bewältigen?
Wir wollten unbedingt unser Versprechen einlösen, für sie da zu sein, wenn sie uns brauchen. Schnell wurde klar, dass die schriftlichen Kanäle stark an Relevanz zunehmen. Die Kinder und Jugendlichen waren daheim, zusammen mit ihren Eltern. An Telefonieren war nicht zu denken. So haben wir sehr rasch unsere schriftlichen Kanäle wie den Chat-Kanal ausgebaut und weitere Zeiten angeboten.
Welches sind neben den Pandemie-bedingten Herausforderungen Themenfelder, die bei Pro Juventute in den nächsten Jahren im Fokus stehen?
Wir konzentrieren uns bei Pro Juventute auf die grössten Herausforderungen, mit denen Kinder und Jugendliche konfrontiert sind: Psychische Gesundheit, Medienkompetenz, Übergang Schule – Beruf. Hier bauen wir unsere Angebote weiter aus. Zum Beispiel mit einer App, die Kindern den kompetenten Umgang mit Online-Inhalten erleichtert oder mit einer Kampagne und einem Angebot für Jugendliche, die im Berufswahlprozess stehen und sie befähigt, notwendige Kompetenzen für die Arbeitswelt der Zukunft zu erreichen. Wir wollen mit dieser Initiative ihre Selbst- und Sozialkompetenz steigern. Wichtig ist uns aber auch, dass ihre Fähigkeit Probleme zu lösen, ihre Kreativität, Flexibilität, Ausdauer, Eigeninitiative und Teamfähigkeit gefördert wird.
Nebst diesen Themenfeldern beschäftigt ihr euch stark mit dem Thema «future skills» im Rahmen der Digitalisierung bei Kindern. Welches sind nach deinem Ermessen die wichtigsten zukünftigen Kompetenzen für Kinder?
Technologische Entwicklungen und die Digitalisierung haben einen tief greifenden Wandel unserer Gesellschaft und Arbeitswelt bewirkt. Um darin bestehen zu können, werden Soft Skills immer wichtiger: Neues lernen können, kritisch denken, mit anderen zusammenarbeiten und auch kommunizieren. Zudem benötigen Jugendliche Interesse, Neugier und Bereitschaft, sich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen. MINT-Berufe (Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) sind für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft bedeutungsvoll und bieten eine Bandbreite an beruflichen Perspektiven.
Ihr habt letztes Jahr gemeinsam mit digitalswitzerland die Kampagne «die Lösung bist du» lanciert. Dabei geht es darum, die nächste Generation fit zu machen für die Arbeitswelt der Zukunft. Was kommt hier auf die junge Generation zu?
Tatsächlich ja auf uns alle. Angebote wie ein Auto über Mobility zu reservieren, die Ferienwohnung im Internet zu mieten oder Nahrungsmittel online nach Hause liefern zu lassen, eröffnen neue Möglichkeiten. Diese technologischen Angebote führen zu gesellschaftlichen Veränderungen und wirken sich zunehmend auf die Arbeitswelt aus. Auch in herkömmlichen Berufen werden Aufgaben immer mehr online abgewickelt. Nach und nach verschwinden Post-, Bahn- und Bankschalter und persönliche Beratungen im Detailhandel. Weil der Computer bei der Berechnung von Analysen weniger Fehler macht, verändern sich auch die Aufgaben von Finanzleuten. Gleichzeitig entstehen dadurch neue Berufe.
Weil wir es soeben angesprochen haben. Es wird auch in Zukunft Standard sein, sich immer weiterzubilden. Du bist selber eine umtriebige Weiterbildungsstudentin: Nach dem MAS in Customer Relationship Management hast du 2019 den EMBA an der Universität Zürich abgeschlossen und nun den CAS Business Transformation Management bei uns an der HWZ. Was bedeutet für dich Weiterbildung?
Weiterbildung bedeutet für mich, mich und mein Denken zu hinterfragen, neue Impulse aufnehmen und Neues entstehen lassen zu dürfen. Besonders der Kontakt mit Mitstudierenden und Dozierenden ist für mich wertvoll, da er mir Perspektiven eröffnet, die ich sonst nicht hätte.
Im CAS Business Transformation Management geht es ja unter anderem darum, einen Geschäftsprozess oder ein Unternehmen neu zu erfinden. Muss sich Pro Juventute neu erfinden?
Wir leben in einer Welt, die sich schnell verändert. Eine Organisation ist dann langfristig überlebensfähig, wenn sie in der Lage ist, sich zu adaptieren. Wir arbeiten bei Pro Juventute mit Kindern und Jugendlichen, einer Zielgruppe, die ihr Verhalten, ihre Kommunikation, die Kanäle, über die sie sich informiert, rasch und teils radikal verändert. Wenn wir nach wie vor Airtime bei Kindern und Jugendlichen haben wollen, müssen wir uns dem anpassen.
Wovon hast du am meisten profitiert während des Lehrgangs?
Der Lehrgang lehrt nicht nur Business Transformation, er transformiert gleich selbst. Wir haben New Work immer wieder selbst ausprobiert und erfahren, wie es wirklich konkret ist, wie es sich anfühlt. Nicht nur über Prototyping gesprochen, gleich selbst einen gebaut. Nicht nur über Selbstorganisation gesprochen, uns gleich selbst organisiert.
Zum Schluss: Was wünschst du dir für die Jugendlichen und Kinder und wo kann jeder von uns einen Beitrag leisten?
In dieser Zeit, in dieser Pandemie wünsche ich mir, dass die solidarische Haltung von Kindern und Jugendlichen belohnt wird. Dass wir ihre Bedürfnisse ernst nehmen und darauf eingehen. Dass wir uns solidarisch mit ihnen zeigen. Vielleicht denken wir daran, wenn wir das nächste Mal abstimmen – über das Stimmrechtsalter 16, die AHV-Revision oder Klimaschutz.
Die App für einen sicheren Social Media Umgang
Die von Pro Juventute entwickelte App «wup» unterstützt Kinder bei ihren ersten Schritten in der Social-Media-Welt. Die App warnt beim Versand von unangemessenen Fotos oder kritischen Texten. Bevor also die Jugendlichen und Kinder ihre Wohnadresse online preisgeben, jemanden beleidigen oder freizügige Bilder verschickt, meldet sich die App. Nebst Ratgebertexten und -videos für Kinder und Jugendliche, gibt es für die Eltern auch einen Zugang zu dem Wissensbereich. Die App blockiert keine Inhalte und speichert keine Nutzungsdaten.
Die Wup App ist im Apple Store und Google Play Store auf Deutsch erhältlich. Es gibt eine Gratisversion und eine Premiumversion mit zusätzlichen Funktionen.
HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich Lagerstrasse 5, Postfach, 8021 Zürich kundencenter@fh-hwz.ch, +41 43 322 26 00
ImpressumDatenschutz