Campus | 14. April 2020
Kein Sinn für Ordnung, aber immer schon ein ausgeprägtes ökologisches Bewusstsein – Die vier Freunde, Keiran Smith, Valentin Fisler, Leo Steiner und Florian Blattmann hatten in ihrer WG ein Abfallproblem und nutzen dieses sogleich für ihre eigene Start-up-Idee. Sie kreierten mit der Gründung von «Mr. Green» einen fiktiven Superhelden, der sich um den kompletten Abfall eines Haushalts oder einer Firma kümmert. Lästige Abfalltrennung bleibt aus: In Form eines Abos wird der grün-schwarze Abfallsack von Mr. Green abgeholt und der Inhalt anschliessend von ihm sorgfältig sortiert und richtig recycelt. Das nötige Entrepreneurwissen für ihr Start-up holten sich drei der Gründer an der HWZ: Keiran, Valentin und Leo studierten Betriebsökonomie.
Keiran: Genug, um unsere Köpfe darüber zu zerbrechen und miteinander zu diskutieren, wer das Ämtli diesmal erledigt.
Valentin: Uns war das Beisammensein immer wichtig. Nur logisch, dass in einer Studi-WG dann auch mal ein Bierli geköpft wird. So wuchs der Berg ständig an. Irgendwann war effektiv kein Platz mehr für den nächsten Grillabend mit Freunden. Es musste wirklich Hilfe her!
Leo: Es stapelte sich wirklich viel Abfall. So viel, dass unsere Raucherfreunde Bergschuhe anziehen mussten, wenn sie auf den Balkon wollten ;-)!
Keiran: Enorm viel. Darum fokussieren wir uns besonders auf qualitativ hochwertige Partnerschaften mit Organisationen, die sich bewusst und stark für betroffene und gesellschaftlich marginalisierte Menschen einsetzt.
Valentin: Seit Beginn bieten wir Menschen mit Beeinträchtigung oder schwierigem Lebenslauf eine sinnstiftende Tätigkeit (a.d.R.: Mr. Green arbeitet mit der Brühlgut Stiftung zusammen. Die Brühlgut Stiftung begleitet und fördert Menschen mit Beeinträchtigung und bietet ihnen in Winterthur Wohn-, Arbeits-, Beschäftigungs- und Ausbildungsplätze an.). Mr. Green ist zudem unser «Baby» also eine totale Herzensangelegenheit. Es freut uns, mit der cleveren Idee etwas zu bewegen. Für die Gesellschaft aber auch die Umwelt. Ein schneller Gewinn stand nie im Zentrum und auch nach bald zehn Jahren überwiegt die Freude, zusammen etwas Grosses zu bewegen.
Leo: Sehr, sehr viel Herzblut. Ich denke sogar, dass wir nur dank dem Herzblut solange durchhalten konnten. Dies vor allem am Anfang, als das Thema «Recycling» noch nicht so omnipräsent war und wir viel Herzblut und Energie in die allgemeine Aufklärung des Themas investieren mussten.
Valentin: Ein BWL-Bachelor an der HWZ ist explizit darauf angelegt, nebenher noch im Berufsleben zu stehen. Das hat super funktioniert und ein guter Nebeneffekt war, dass die viel vom Schulstoff ja im Start-up gleich Anwendung finden konnten.
Leo: Es war eine sehr intensive und lehrreiche Zeit, zudem handelte es sich am Anfang um ein Start-up-«Hobby», da wir alle neben dem Studium noch 80% in einem anderen Betrieb arbeiteten. Dann gab es ja auch ein Leben ausserhalb der Arbeit / Studium, dass viele Verlockungen bereithält. Für mich war es daher sehr wichtig, einen strukturierten Ablauf zu haben, damit ich mir die Zeit optimal einteilen konnte.
Keiran: Einen gewissen Meeting-Rhythmus einzuhalten, da wir uns ja sowieso während des Studiums sehen konnten.
Valentin: Klar haben wir uns auch manchmal während den Vorlesungen oder in der Pause beim Kaffee über Mr. Green unterhalten. Und einige Male waren wir natürlich auch gerade «Test-Case» im Unterricht. Mr. Green entstand eigentlich gleich zu Beginn des Studiums, daher können wir nicht sagen, dass uns die HWZ dazu inspiriert hatte. Aber bei der Weiterentwicklung konnten wir auf alle Fälle viele Learnings ziehen und bekamen auch den einen oder anderen Denkanstoss.
Valentin: Wir holen mittlerweile Wertstoffe an bald 10’000 Orten in den genannten Städten aber auch den jeweiligen Agglomerationen. Da kommen ein vielfaches an Säcken zusammen. Mittlerweile recycelt wohl eine mittelgrosse Schweizer Stadt mit Mr. Green. Und das Schönste daran: Wir wachsen munter weiter ;-)!
Keiran: Wir hatten die Vision, eine nachhaltige und lokale Wertschöpfungskette zu entwickeln –unter Einbezug von unprivilegierten Abfallsammlern. Aus den Erfahrungen, welche wir in der Schweiz bereits gewonnen hatten, konnten wir ableiten, dass Plastik-Abfälle, welche sorgfältig getrennt und aufbereitet werden, einen Wert haben. Auf diesem Fundament haben wir dann ein Business Modell entwickelt, dieses im Markt breit getestet und anhand der Erkenntnisse angepasst. Mittlerweile betreiben wir ein Recycling-Unternehmen, welches Post-Consumer Plastik-Abfälle direkt bei Sammlern zu fairen Preisen abkauft, trennt und aufbereitet und dann wieder an lokale Produzenten von Plastikprodukten zurückverkauft. Wir beschäftigen nun über 120 Mitarbeiter und arbeiten täglich mit über 1500 Abfallsammlern zusammen. Dank einer engen Zusammenarbeit mit Unilever wurden unsere recycelten Plastik-Abfälle in eine Verpackung eines Reinigungsproduktes weiterverarbeitet. Dies ist ein Meilenstein, da diese Verpackung zu 100% aus unserer lokalen und fairen Wertschöpfungskette stammen.
Keiran: Auch wenn rechtlich verschieden Firmen, sind wir neben dem Namen, im Grundsatz und in der Denkweise ist der Ethos von Mr. Green der genau Gleiche.
Keiran: In Kürze wollen wir die Profitabilität des Unternehmens aufzeigen, um dann wieder zu investieren. In Nairobi wollen wir in den nächsten 12 Monaten bis zu vierzig Sammelstellen betreiben und rund 2000 Müllsammlern ein regelmässiges Einkommen verschaffen. So soll sich das verarbeitete Plastik auf rund 250 Tonnen pro Monat verdoppeln, das Recycling-Gut soll noch höhere Qualität erreichen und vollumfänglich lokal weiterverarbeitet werden.
Mr. Green Africa will nächstens auch in weitere kenianische Grossstädte expandieren und – mit Partnern – in weitere Länder Ostafrikas. Das Ziel ist, ein Modell zu schaffen, das von anderen Entwicklungsländer weltweit übertragen werden kann.
Valentin: Bei Mr. Green Schweiz sind wir sehr «lean» aufgestellt. Bei uns im Büro an der Binzstrasse sind wir knapp 10 Leute. Auf den Strassen und in den Sortierzentren sind monatlich knapp weitere 50 Heldinnen und Helden für Mr. Green im Einsatz. Ich versuche als Geschäftsführer, die Geschicke auch weiterhin Richtung nachhaltiges Wachstum zu lenken. Wir möchten in bestehenden Gebieten wachsen und auch neue Regionen in Angriff nehmen. Zudem wird bei uns auch das Thema Abfallvermeidung und die Wiederverwendung immer zentraler. Recycling ist eine gute Sache, aber für einen zukunftsfähigen Lebensstil braucht es mehr. Da werden wir noch weitere Hilfestellung bieten…
Leo: Im Gegensatz zu Valentin und Keiran bin ich nicht mehr operativ im Geschäft tätig und arbeite in einem Branchenfremden Betrieb. Allerdings bin ich weiterhin im Verwaltungsrat und natürlich als Botschafter (sowie Kunde!) für Mr. Green tätig. Wie Valentin sagt, braucht es mehr als nur Recycling für einen zukunftsfähigen Lebensstil, entsprechend soll sich die Firma weiter, über das klassische Recycling, entwickeln.
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