Forschung | 6. November 2024
Unternehmungen transformieren sich vermehrt und aus unterschiedlichen Gründen zur Nachhaltigkeit. Silvan Oberholzer und Sybille Sachs vom Institut für Strategisches Management: Stakeholder View der HWZ zeigen Erkenntnisse aus ihrer Forschung darüber, wie Unternehmungen mit Herausforderungen bezüglich der Nähe zu Wertvorstellungen umgehen können.
Die Gründe, weshalb sich Unternehmungen zunehmend auf Nachhaltigkeit ausrichten, sind vielfältig: Einerseits gibt es neue Gesetzgebungen, andererseits auch finanzielle Gründe, moralische Motivation und/oder Stakeholder-Erwartungen. Regulierungen zu Nachhaltigkeitsthemen nehmen in verschiedenen Branchen zu. Unternehmungen, die diesbezüglich vorausschauend handeln, können beim Eintritt der Regulierungen Wettbewerbsvorteile erlangen. Unternehmungen erkennen auch, dass bestimmte Nachhaltigkeitsmassnahmen zu Kostenreduktion führen.
Für Unternehmungen wie KMUs ist zudem häufig eine moralische Überzeugung, verbunden mit Generationendenken und gesellschaftlicher Verantwortung, ausschlaggebend für eine nachhaltige Transformation. Schliesslich stellen Stakeholder wie Kund:innen oder Lieferanten vermehrt Ansprüche an die Nachhaltigkeit von Unternehmungen und tragen bestimmte Nachhaltigkeitsthemen an diese heran. Um ihre «licence to operate» (Lizenz zum Handeln) aufrechtzuerhalten, sind Unternehmungen gefordert, diese Themen glaubwürdig anzugehen. Dies gelingt dann, wenn Unternehmungen ihren Werthaltungen gerecht werden.
Wenn Unternehmungen eine Transformation zur sozialen und/oder ökologischen Nachhaltigkeit vollziehen, sehen sie sich immer mehr mit Herausforderungen konfrontiert, die ideologisch aufgeladen sein können und polarisieren. Nachhaltigkeit wird primär aus strategischen Überlegungen miteinbezogen, wenn etwa ein Unternehmen von wichtigen Stakeholdergruppen wie Kund:innen oder Mitarbeitenden mit Themen der sozialen Nachhaltigkeit wie Stress, Diversität oder Menschenrechte oder der ökologischen Nachhaltigkeit wie hoher Energieverbrauch, Food Waste oder Biodiversitätsverlust konfrontiert werden.
Die Nichtbeachtung dieser Nachhaltigkeits-Themen und insbesondere eine fehlende Kommunikation mit den Stakeholdern können den Ruf oder die Arbeitgeberattraktivität der Unternehmung negativ beeinflussen.
Zudem besteht die Gefahr, dass das Ignorieren oder unglaubwürdige Angehen solcher Themen zu einer verstärkten Polarisierung führen kann.
Je weiter die Wertvorstellungen eines Unternehmens von denen der Mitarbeitenden und Kund:innen entfernt sind, desto schwieriger wird es, gelingende Beziehungen zu ermöglichen: Bei den Mitarbeitenden etwa wirkt sich dies in weniger Motivation zur Zusammenarbeit, weniger Austausch von Wissen und anderen Ressourcen oder auch niedrigerer Mitarbeitendenzufriedenheit aus. Bei den Kund:innen kann ein Ausweichen auf vergleichbare Unternehmungen erfolgen, die mehr ihren Wertvorstellungen entsprechen, oder zu schlechten Beurteilungen der Produkte oder Dienstleistungen auf Social Media, bis hin zu «Canceling», führen.
Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Nähe zu einem Thema und damit verbundenen Wertvorstellungen bei gewissen Mitarbeitenden-Gruppen auch zu eng werden kann. Dies führt dann zu einer ideologischen Polarisierung, die Konflikte zwischen den Gruppierungen auslösen können. Diese kann sich beispielsweise im Verkauf so manifestieren, dass diejenigen Mitarbeitenden, die sehr eng mit den ökologischen Idealen der Suffizienz verbundenen sind, die Kund:innen vehement vom Kauf neuer Produkte abhalten und primär Reparaturen vornehmen wollen. Das wird dann problematisch, wenn dies ohne Absprache mit anderen Mitarbeitenden und entgegen dem Geschäftsmodell und der Wertvorstellungen der Unternehmung geschieht. Oder eine Gruppe will, dass nur noch veganes Essen im Unternehmen angeboten wird, ohne die Werthaltungen anderer Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Eine solche affektive Polarisierung kann zu negativen Einstellungen, Feindseligkeiten, Misstrauen und Abneigung gegenüber «Andersdenkenden» führen. Sie werden zu einer verschworenen Gruppe, die nur noch dieses Verhalten billigen und alle anderen Möglichkeiten ausschliessen.
Wenn eine solche starke affektive Polarisierung auftritt, ist es wesentlich, dass ein moderierter Dialog angestrebt wird, um die Polarisierung zu entspannen und ein gemeinsamer Weg zu erarbeiteten, der auch wieder die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Gruppen erlaubt. Dadurch können die Wertvorstellungen der Unternehmung mit den entsprechenden Bedürfnissen und Interessen der Stakeholder in Einklang gebracht werden.
Um den Weg zu einer nachhaltigen Transformation in deinem Unternehmen aktiv mitzugestalten, kann es hilfreich sein, sich regelmässig strategische Fragen zu stellen. Nimm diese Impulse und Fragen in deine Teamsitzungen oder strategischen Diskussionen mit:
Welche Werte wollen wir als Unternehmen authentisch leben?
Wie gut sind die Werte der Führungspersonen mit denen unserer Mitarbeitenden und Kund:innen abgestimmt?
Wie stark sollen wir uns an den Werthaltungen unserer Stakeholder orientieren?
Welche langfristigen Ziele wollen wir im Hinblick auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit verfolgen und welche Werthaltungen unterstützen diese Ziele?
Wie gehen wir mit internen Wertekonflikten um?
Barber IV, B., & Blake, D. J. (2023). My kind of people: Political polarization, ideology, and firm location. Strategic Management Journal, 45(5), 849-874. https://doi.org/10.1002/smj.3572
HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich Lagerstrasse 5, Postfach, 8021 Zürich kundencenter@fh-hwz.ch, +41 43 322 26 00
ImpressumDatenschutz