Campus | 19. September 2019

Naim Osmani: Von der Autowerkstatt zum eigenen Start-up MeinMech.ch dank starkem Willen und dem HWZ-Studium

Naim Osmani hat dieses Jahr erfolgreich sein Bachelorstudium der Betriebsökonomie abgeschlossen und gezeigt, dass man mit einem starken Willen sehr viel erreichen kann. Ohne Berufsmatur wurde er «sur dossier» zum Studium zugelassen, bestand das Assessment, hatte eine Start-up-Idee, diese vor der HWZ-Accelerator-Jury gepitcht und überzeugt. Der Pitch war vor einem Jahr. Inzwischen ist die Firma gegründet, auf Erfolgskurs und auch das Bachelor-Diplom ist in der Tasche.

HWZ Beitragsbild Naim Osmani

Naim Osmani war knapp siebzehn Jahre im Autogewerbe tätig und hat die Ausbildung als Automobildiagnostiker und Werkstattleiter absolviert. Ein Bekannter erzählte ihm von der HWZ und den Möglichkeiten eines Studiums der Betriebsökonomie. Aber ohne Maturitätsprüfung an die Fachhochschule? Das ist möglich: Unter bestimmten Voraussetzungen kann man sur dossier aufgenommen. Diesen Weg prüfte Naim Osmani nun. Nach einem Beratungsgespräch mit Stefan Küenzi und einigen absolvierten Vorkursen, nahm Osmani sein Studium an der HWZ auf. Die ersten drei Semester bis zum Assessment waren «hart», wie er uns erzählt. War der kleine Sohn im Bett, ging er über die Bücher und lernte bis tief in die Nacht hinein. Das bestandene Assessment gab ihm Recht, auf dem richtigen Weg zu sein. Bis zum Schluss sei es für ihn anstrengend gewesen: «Im Nachhinein sind diese vier Jahre die bisher schönsten, aber auch die härtesten in meinem Leben gewesen.»

Wir haben uns vor einem Jahr gesehen, was ist seither passiert?

Naim Osmani: Wir haben uns vor einem Jahr getroffen, da hatte ich gerade mein erstes Konzept entwickelt und an die HWZ geschickt, da sie gemeinsam mit der Swiss Start-up Factory den HWZ-Accelerator hat. Max Meister hat sich gemeldet, ich durfte präsentieren und dann ging es eigentlich los.

Wir versuchten so schnell wie möglich ein MVP (minimal viable product /minimal überlebensfähiges Produkt) zu bauen, um es vorzuzeigen und zu testen. Dazu hat mir die Swiss Startup Factory fähige Leute an die Seite gestellt, die mich unterstützt haben.

Ich hatte es mir einfach vorgestellt. Bis ich dann realisieren musste, dass es nicht ganz so einfach ist, wie ich dachte.

Was heisst das konkret?

Meine Idee musste ich in Hypothesen übersetzen, sie in Befragungen validieren und beweisen, dass es wirklich ein Problem gibt. Ich habe sehr, sehr viele Gespräche geführt – in zwei Monaten waren es über 60-70 Befragungen. Und ich konnte aufatmen: Mein Annahme wurde bestätigt.

Darauf aufbauend haben wir das MVP gebaut und ich dachte, dass mich nichts mehr aufhalten kann. Die Leute brauchen dieses Tool, sie haben ja gesagt, dass sie diese Probleme haben. Die grossen Garagen wie Amag, Emil Frey, und Merbag fanden die Idee und unser MVP, eine App, toll. Doch es gab einen Haken: Fehlende Schnittstellen zu bestehenden Systemen. Wegen dem grossen Aufwand und vielleicht auch fehlendem Mut, fand ich schliesslich keine Teilnehmer für meine Testphase. Weil sie Angst hatten, dass sie viel Zeit und Geld verlieren und das das System zu viel verändern würde.

Wie sind Sie mit diesem Rückschlag umgegangen?

Ich musste nochmals über die Bücher. Wie kann ich zeigen, dass meine Idee gut ist und das man sie wirklich einführen sollte? Ich bin mit verschiedenen Start-up-Gründern zusammengesessen, habe ihren Werdegang und ihre Vorgehensweise studiert. Da wurde mir klar, dass ich umdenken muss. Statt auf die grossen Garagen muss ich auf die kleinen Betriebe mit bis zu 5 Mitarbeitenden setzen und mit ihnen meine Idee testen. In den Gesprächen zeigte sich aber, dass sie anders gelagerte Probleme haben: Sie haben zu wenig Aufträge. Gleichzeitig ist es für Endkunden mit Fahrzeugen, die über sieben Jahre alt sind, finanziell unattraktiv zu grossen Garagen zu gehen, da sie Stundenansätze wie bei Neuwagen zahlen müssen und sich dann eine Reparatur oftmals nicht lohnt. Zwei Probleme – eine Lösung: Die Plattform «MeinMech» wurde geboren. Endkunden schildern ihr Problem. Mittels dieser Informationen gibt es eine Offerte von Subunternehmen – das wären die kleinen Garagisten. Der Vorteil: Transparenz. Schon in der Testphase zeigte sich, dass Kunden es schätzen, wenn sie wissen, was für Reparaturen notwendig sein könnten und mit welchen Kosten das verbunden ist. Durch weitere Testphasen habe ich auch gemerkt, dass ein kostenloser Abhol-und Bringservice des Autos Mehrwert generiert und wichtig ist, denn Kunden müssen mobil bleiben.

Was passiert, wenn in der Werkstatt noch weitere, andere Defekte auftauchen?

Wir kontaktieren Kunden per WhatsApp, senden entsprechende Fotos und Informationen dazu. Sie können dann einwilligen oder ablehnen. WhatsApp hat sich als Kommunikationsmöglichkeit bewährt, sodass wir diesen Case weiterausgebaut haben.

Im Mai 2019 war klar: Das Potenzial ist da und die Firma Automotive Technologies AG mit dem Brand MeinMech.ch wurde gegründet. Die Auftragslage war so gut, dass ich auch schon Personal einstellen musste. Zusammen können wir viel mehr Aufträge generieren und können die sogenannten Leads viel schneller bearbeiten und die Umsätze stetig steigern.

Was möchten Sie denn nun erreichen?

Beim Erstellen von Forecasts habe ich schnell gemerkt, dass wir von Anfang an selbsttragend sind. Das ist selten. Üblich ist, dass man vielleicht zwei bis drei Jahre im Minus ist und dann den Break-even erreicht. Diese Entwicklung ermöglicht mir nun auch, dass mein erster Case «Inamso» und damit meine Ursprungsidee, in MeinMech.ch integriert wird. Und zwar wird alles in einer App zusammengeführt, was die Kommunikation massiv vereinfacht.

Was ist jetzt Ihre grösste Herausforderung?

Ich muss jetzt aufpassen, dass ich den Fokus nicht verliere. Es gibt verschiedene Teilbereiche, Sales, Marketing, HR, denn mit unserem Wachstum kommen immer mehr Mitarbeitende dazu – ich muss alles im Griff haben. Ein nun wichtiger Schritt ist die Marketing Kommunikation. Wir müssen Präsenz zeigen, unser Angebot bekannt machen und Vertrauen aufbauen. Just sind wir dabei eine Social-Media-Kampagne zu lancieren.

Und es ist schon überwältigend: Ich habe alleine angefangen und nun bin ich dabei ein Team aufzubauen und darf am Ende des Monats Löhne auszuzahlen.

Was hat Ihnen geholfen diesen Weg zu gehen?

Im Nachhinein wurde mir noch bewusster, was ich von der HWZ alles mitbekommen habe – durch die verschiedenen Fächer oder auch durch die Dozierenden, die stets praxisrelevante Themen gebracht haben. Ich konnte extrem profitieren. Gekoppelt mit meiner Berufserfahrung ist dieser Werdegang für mich perfekt. Ich konnte soviel profitieren, dazu lernen und mir ein Netzwerk aufbauen. Wenn man juristischen Rat braucht, hatte man einen Dozent in Recht  und kann diesen anfragen. Bei Fragen zu Social Media, Buchhaltung, Finance oder Forecast – stets gab es eine Lehrperson, die mir weiterhelfen konnte. Das war natürlich eine Erleichterung.

Es hat sich wirklich viel getan. Was erfüllt Sie dabei am meisten mit Stolz?

Ich bin sehr stolz darauf, dass ich in diesem Jahr neben dem Firmenaufbau auch mein Studium erfolgreich abgeschlossen habe. Der Abschluss mit dem Verfassen der Bachelor Thesis war sehr intensiv: zeit- und gefühlsmässig. Es war dann eine grosse Freude und Erleichterung als ich am 18.7. meinen letzten Unterrichtstag hatte und alle Fächer erfolgreich bestanden hatte.

Sie haben nicht nur ein Unternehmen gegründet und studiert, sondern auch noch Familie…

Genau, ich bin verheiratet und habe mittlerweile zwei Kinder. Schwierig war es beim zweiten Kind, da gab es während der Schwangerschaft meiner Frau Komplikationen. Sie war während der Schwangerschaft einige Wochen im Unispital. Das war eine der härtesten Zeiten und emotional sehr, sehr schlimm. Ich musste alles managen. Was man aber an der HWZ lernt, da berufsbegleitend, ist, dass du alles managen kannst, wenn du es richtig machst. Diese schwierige Zeit durchzustehen und weder Studium noch Start-up aufgeben zu müssen, wäre ohne die Unterstützung meiner und der Eltern meiner Frau nicht möglich gewesen. Familie ist mir sehr wichtig und ich bin froh, dass wir uns gegenseitig unterstützen können. Denn was mich glücklich macht, sind Schritte nach vorne. Natürlich gibt es Rückschläge, aber daraus lernt man. Momentan kann ich mir nicht vorstellen, wieder in einem grossen Unternehmen tätig zu sein. Aber nach knapp siebzehn Jahren Tätigkeit für grosse, etablierte Unternehmen war es wohl an der Zeit für etwas Neues.

Was Sie antreibt ist also Entwicklung, Schritte nach vorne zu machen etwas zu bewegen?

Ja. Ich bin glücklich, wenn ich andere glücklich machen kann. Das war schon als Kind so und das treibt mich heute noch in meinem Tun an. Es ist zeitintensiv und teilweise stösst man an seine Grenzen, verliert den Glauben an die Sache, aber dann sehe ich wieder das Positive, was alles entsteht und wie sich immer wieder neue Türen öffnen.

Für mich und mein Start-up bedeutet das auch, sich immer wieder zu verändern, Neues auszuprobieren, bis man schliesslich den Punkt trifft und die Kunden davon überzeugt hat.