Event | 15. März 2022
Am 10. März fand zum 3. Mal die Fachtagung für Regionalprodukte der Fachstelle für authentische Markenführung HWZ statt. Unter dem Motto: «Auf dem Weg zum Mainstream?» eruierten die Speakerinnen und Speaker, ob es sich bei Regionalprodukten noch um Nischenprodukte handelt oder bereits die breite Masse davon angesprochen ist. Mehr als 70 Personen interessierten sich für das Thema und lauschten den spannenden Referaten. Während der Kaffeepause und dem Apéro blieb Zeit für den gemeinsamen Austausch.
Bild: Louis Rosenthal
Die dritte Fachtagung Regionalprodukte überzeugte erneut mit spannenden Referentinnen und Referenten, bekannten und neuen Gesichtern aus der Branche, viel Raum für Fragen und Austausch mit Gleichgesinnten.
Der Veranstalter und Moderator, Stephan Feige, Fachstellenleiter der Fachstelle für authentische Markenführung, sieht übergeordnet 4 Ergebnisse:
Regionalprodukte haben mittlerweile einen Marktanteil von gut 7% und erwirtschaften einen Endverbraucherumsatz von über 2.1 Mrd. CHF. Damit handelt es sich nicht mehr um Nischenprodukte.
Die Konsumentenpräferenzen haben sich leicht von «authentischen regionalen Spezialitätenprodukten» zur Herkunft «von hier» verschoben.
Regionale Logistik- und Vertriebsstrukturen wachsen und können zunehmend profitabel betrieben werden.
Dies führt für die Industrie, den filialisierten Detailhandel und auch gewerbliche Hersteller, die eine nationale Marke wie zum Beispiel Sortenkäse nutzen, zu neuen Herausforderungen.
Im Einzelnen wurden sechs Projekte bzw. Themen vorgestellt und diskutiert.
Den Anfang machte Grace Schatz von Regio Herz. Ihre beeindruckende und mutige Geschichte inspirierte das Publikum und zeigte auf, mit welchem Tempo neue Ideen umgesetzt werden können. Grace war Gymnasiallehrerin und hatte mit dem Detailhandel nichts am Hut, bis der Lockdown kam. Da merkte sie, dass Bauern Vertriebsstrukturen (z. B. Märkte) brauchen, um ihre Produkte an die Kund:innen zu bringen. Auch der Wunsch der Konsument:innen nach möglichst vielfältigen Produkten und gleichzeitig einen grünen Fussabdruck zu hinterlassen, veranlasste Grace dazu, ihr Projekt in die Tat umzusetzen.
Sie mietete in der Innenstadt von St. Gallen ein Ladenlokal und schaffte damit eine kuratierte Vertriebsfläche für die lokalen Bauern. Die Bauern können bei Grace Regale mieten und dort ihre Produkte zum Verkauf anbieten. Grace legt sehr viel Wert auf «wahre» Regionalität. So dürfen in ihrem Laden nur Bauern aus den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Appenzell IR und AR ihre Produkte zum Verkauf anbieten.
Felicia Schäfer von «Feld zu Tisch» erläuterte, welche Meilensteine ihre Plattform für regionalen Direkthandel im Raum Basel bisher erreichte. «Feld zu Tisch» bringt regionale Lebensmittel aus kleinbäuerlicher und ressourcenschonender Landwirtschaft in die Restaurantküchen und Einkaufsregale. Sie unterstützen die regionalen Landwirtschaftsbetriebe in der Vermarktung und Logistik und ermöglichen somit der Gastronomie und dem Detailhandel einfacheren Zugang zu hochwertigen und regionalen Produkten. Für den Bereich Logistik arbeiten sie mit der Kurierzentrale. «Wir holen die Produkte direkt vom Produzenten im Basler Umland ab, um sie dann in der Stadt Basel zu verteilen. Während Autos im Stadtverkehr aufgehalten werden, liefern wir Velokuriere die gebündelten Sendungen schnell, persönlich und nachhaltig», so Thomas Gander von der Kurierzentrale.
Rico Grünenfelder und Christoph Caprez, beide Verwaltungsräte bei der Graubünden Vivonda AG, erläuterten in ihrem Referat, wie sie die regionalen Angebote im Kanton Graubünden fördern und vertreiben, um eine bessere Wertschöpfung zu ermöglichen. Unter der Marke «graubündenVIVA» schaffen sie «Genussmärkte», die nicht reine Einkaufsstätten, sondern Orte mit emotionalen Erlebnissen sind und den Kund:innen den Kanton näherbringen. Neben den Genussmärkten bietet Graubünden VIVONDA Produkte aus eigener Produktion an für die teilweise «ausgestorbene» oder wegrationalisierte Leistungen, wie das Trocknen von Fleisch, wieder aufgebaut werden. Beim Bau der «Genussmärkte» wurde darauf geachtet, regionale Baumaterialien zu verwenden. Christoph Caprez, Verwaltungsrat, fasst die Ziele der Vivonda AG wie folgt zusammen:
«Wir wollen für Bündner Bauern und Produzenten neue, nachhaltige Absatzmärkte erschliessen und Innovationen ermöglichen. Damit verbessern wir die Wertschöpfung im Kanton und stärken gleichzeitig die Landwirtschaft.»
Gemeinsam mit dem Link Institut führte Stephan Feige, HWZ, eine Studie «Regionalprodukte 2022» durch. Diese zeigt die aktuelle Wahrnehmung von Regionalprodukten in der Bevölkerung auf und beschreibt die Entwicklung des Marktes. Er und Marianne Altgeld vom Link Institut präsentierten die aktuellen Studienergebnisse, für die 1’320 Konsument:innen in der ganzen Schweiz befragt wurden. Die Mehrheit der Kund:innen kauft die Regionalprodukte nach wie vor im Detailhandel. Regionalprodukte werden als sehr attraktiv wahrgenommen. Sie verbinden ökologische Aspekte, beispielsweise kürzere Transportwege mit sozialen Aspekten wie faire Preise für Produzenten und Tierwohl. Von den Detailhändler:innen wird die Migros am stärksten mit nachhaltigen Regionalprodukten verbunden. Die Studie machte deutlich, dass Kundinnen und Kunden durchaus bereit sind, für regionale Produkte mehr zu bezahlen. Ein Manko bleibt nach wie vor die einfache Verfügbarkeit von regionalen Produkten.
Gabriela dal Santo, CMO beim ZFV (Zürcher Frauenverein), fokussierte in ihrem Referat auf den Bereich der Gemeinschaftsgastronomie. Das ZFV führt im Auftrag von Unternehmen, der öffentlichen Verwaltung und Bildungsinstitutionen über 140 Betriebe in der Schweiz. Bis zu 2'500 Menus werden pro Betrieb an einem Mittag serviert. Die Kund:innen des ZFV wünschen sich ein abwechslungsreiches, qualitativ hochstehendes Angebot zu angemessenen Preisen. Der Spagat zwischen Preis, Qualität und Nachhaltigkeit ist in der Gemeinschaftsgastronomie sehr gross. Dem ZFV ist klimaschonende Verpflegung sehr wichtig und sie möchten die Gäste zu nachhaltigem Konsum inspirieren. Deshalb weisen sie auf den von ihnen bereitgestellten Menus den Nachhaltigkeitsindex aus. Das ZFV bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Kunden und Gästen. Die Kunden sind die Auftraggeber, beispielsweise Mensen und Personalrestaurants und die Gäste sind die Endkonsument:innen der Menus. In diesem Spannungsfeld sind die Treiber für Nachhaltigkeit unterschiedlich. Bei den Mensen sind dies vor allem die Studierenden, die nachhaltige Menus zu angemessenen Preisen wünschen. Wichtig, um auch in der Gemeinschaftsgastronomie einen Schritt Richtung Regionalität und Nachhaltigkeit zu gehen, ist die transparente Kommunikation in Zusammenarbeit mit den Kund:innen. Gemäss Frau dal Santo sind die Gäste bereit, für bessere Qualität mehr zu bezahlen.
Den Abschluss dieses spannenden Tages bildete kein geringerer als der CEO von Aldi Schweiz, Jérôme Meier. Nachdem in der Studie von Frau Altherr Aldi bzgl. Regionalprodukten auf den hinteren Plätzen erschien, hatte er einen schwierigen Stand an diesem Tag. Doch Jérôme Meier vermochte, das Publikum zu überzeugen. Glaubwürdig zeigte er auf, wie wichtig Aldi gut bezahlte Lieferanten und gut bezahlte Mitarbeitende sind. Bester Preis am Markt, für qualitativ sehr hochstehende Produkte, dafür stehe Aldi, so Meier. Wie Aldi das schafft? Verteilerkosten werden maximal reduziert und vereinfachte Prozesse und Strukturen schaffen Effizienz. Ausserdem betonte Meier, dass Aldi bei allen Produkten die gleichen Margen anwende und nicht wie bspw. die Konkurrenz bei Bio-Produkten höhere Margen beziehe. Aldi sei sich des Rückstandes bei Regionalprodukten bewusst. Sie nehmen die Wichtigkeit des Themas aber ernst und lancieren noch in diesem Sommer ein eigenes Produkte-Label für Regionalprodukte. Vorläufig werden 80 Produkte unter diesem Label angeboten. Zudem wird es Spezialwochen geben, in denen weitere 100 Produkte zum Verkauf stehen. Aldi plant auch mit kleinen, lokalen Anbietern zusammenarbeiten und lädt diese ein, mit Aldi Kontakt aufzunehmen.
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