Event | 31. Januar 2023

Regulierung verhindert Greenwashing

Obwohl Sustainable Controlling und Finance im globalen Kontext laufend an Relevanz gewinnen, sind heute in der Schweiz nur wenige Regulierungen vorhanden – ganz im Gegensatz zum europäischen Raum. Fakt ist: Verbindliche Standards oder Rahmenbedingungen fehlen, widersprechen sich teilweise und sind eine definitorische Herausforderung. Auch die Expertinnen und Experten im Rahmen der Veranstaltung «Greenwashing – oder was wir für nachhaltig halten» waren sich einig, es herrscht ein ESG-Dschungel.

Titelbild Greenwashing

Eine aktuelle Stellungnahme von economiesuisse unterstreicht diese Einschätzung und spricht von Unübersichtlichkeit, was die ESG-Regulierung angeht. Dabei wächst der Markt nachhaltiger Anlagen konstant und schnell, genau wie der Anspruch in Bezug auf ein nachhaltiges unternehmerisches Handeln.

Folgen der Konzernverantwortungsinitiative

In der Schweiz trat der Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative im Jahre 2022 in Kraft. Danach müssen grössere Unternehmen erstmals für die Berichtsperiode 2023 darlegen, wie sie sich in den Bereichen Umwelt, Soziales, Arbeitnehmerrechte, Korruption und Menschenrechte verhalten. Zudem gibt es verschärfte Sorgfaltsplichten bezüglich Kinderarbeit und Konfliktmaterialien, welche für besonders anfällige Firmen und Branchen Bedeutung haben. In der EU wird mit der überarbeiteten CSRD-Richtlinie ein ähnliches, jedoch wie von der EU gewohnt, restriktiveres Rechenwerk in Kraft treten. Für Schweizer Unternehmen ist in diesem Zusammenhang besonders relevant, dass ab dem 1. Januar 2023 auch nicht EU-Unternehmen der Regulierung unterstehen, wenn sie innerhalb der EU einen jährlichen Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. Euro erzielen. Ziel dieser und weiterer Regulierungen ist es, durch die Schaffung von klaren Vorgaben, Greenwashing im grossen Stil vorzubeugen.

Zu diesem Thema fand am vergangenen Donnerstag, 26. Januar 2023, die Veranstaltung «Greenwashing – oder was wir für nachhaltig halten» statt. Eingeleitet und moderiert wurde dieser Event von Prof. Thomas Rautenstrauch, Leiter des Departements Business Analytics & Technology an der HWZ. Teilgenommen haben Susanne Winkler, Studiengangsleiterin CAS Sustainable Controlling & Finance HWZ und Dozentin in den Bereichen Accounting, Controlling und Nachhaltigkeit an der HWZ, Thomas Stanat, Head of Compliance bei einer Schweizer Fondsleitung, und Dominik Pfoster, Sustainable Investment Spezialist bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank. 

Greenwashing – oder was wir für nachhaltig halten

Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, sind dabei die drei Bereiche Umwelt, Soziales und Ökonomie in ihrem gegenseitigen und sensiblen Verhältnis angesprochen. An der Veranstaltung wurde das delikate Zusammenspiel von Klima, Kinderarbeit und Korruption beleuchtet. In der Schweiz geht es, wie die FINMA feststellt, in erster Linie um eine Täuschungsabsicht, wenn von Greenwashing gesprochen wird. In der EU geht man von Greenwashing aus, wenn mit irreführenden Deklarationen ein Wettbewerbsvorteil erzielt werden soll. Beobachtbares Greenwashing kommt exemplarisch bei folgenden Aspekten vor, wie Susanne Winkler an einzelnen Beispielen zeigt, wo geforderte Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette vermisst wird: 

  1. Fehlende Bedeutung: Selbstverständlichkeiten werden als nachhaltige Qualitäten eines Produktes oder einer Dienstleitung angepriesen.

  2. Beschönigung: Einzelne Eigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleitung werden unverhältnismässig betont.

  3. Falschaussage: Nachhaltige Fonds, die es bei genauer Prüfung nicht sind.

  4. Unklare Begriffe: Grüne Bezeichnungen ohne Spezifizierung, die eine transparente Bewertung durch die Kundschaft verhindern. Labels ohne sachbezogene Verbindlichkeit.

Der globale ESG-Dschungel wächst

Weltweit existiert aktuell ein ESG-Dschungel, in welchem aktuell 3000 Regulierungen enthalten sind: Tendenz steigend. Nachhaltigkeit wird dabei als Handlungsgrundsatz verstanden, in welchem festgehalten wird, dass die natürlichen Ressourcen auch für zukünftige Generationen gesichert bleiben müssen. Hierzu hat die UN unter den Sustainable Development Goals 17 Ziele formuliert, die als empfohlene Richtgrössen dienen und nicht als Verbote verstanden werden sollen. Investments befinden sich heute, wie Thomas Stanat betont, in einem delikaten Spannungsverhältnis zwischen Renditenmaximierung und Nachhaltigkeitsansprüchen, die sich nach den Präferenzen der Investoren richten. Es geht hierbei um die Gegenüberstellung philanthropischer Absichten des Investments und dem individuellen Handlungsspielraum der Asset Manager. Eine klare Beziehung muss definiert sein. Angesprochen ist die Perspektivenfrage der unterschiedlichen Stakeholder. Dominik Pfoster bezeichnet die Nachhaltigkeitsansprüche als stetige unternehmerische Herausforderung, die laufend an Dringlichkeit gewinnt. Was früher generell als Luxus bezeichnet wurde, ist heute definitiv im Mainstream angekommen. Nachvollziehbare Klarheit wird gesucht: Die Messbarkeit von Nachhaltigkeitskriterien beschäftigt intensiv, weil dazu noch keine verbindlichen Standards, Gesetze und Vorschriften vorhanden sind, die international abgestimmt und verbindlich sein müssen. Eine standardisierte Basis mit definierten Normen fehlt und wird gesucht.

Dringend notwendig: Greenwashing Awareness

Letztlich entscheidet die Kundschaft von Produkten und Dienstleistungen, wie sich eine Unternehmung im globalen Wettbewerbsumfeld entwickelt, auch im Bereich der Nachhaltigkeit. «Nichts kaufen, was man nicht versteht», fasst Dominik Pfoster zusammen. Unternehmungen müssen im Bereich Nachhaltigkeit in mindestens vier Bereichen eine Antwort auf diese Herausforderungen finden:

  1. Geschäftsmodell: Wie und warum wird wo unter welchen Voraussetzungen produziert?

  2. Controlling: Wie wird Nachhaltigkeit im Unternehmen gemessen und gesteuert?

  3. Organisation: Besitzt das gesamte Unternehmen das Know-how im Bereich Nachhaltigkeit?

  4. Kommunikation: Welche Transparenz wird in der Kommunikation gelebt? Gehört der Bereich Nachhaltigkeit in die Risikokommunikation, in eine eigene Abteilung oder zum Marketing, wo sie heute zum Thema meist angesiedelt ist?

Am Ende zählt, was sichtbar wird

Unternehmerische Kompetenzen in den Bereichen Finance & Controlling sind die beste Grundlage zur gezielten Steuerung von unternehmerischen Herausforderungen, welche sich auf Grund der wachsenden Ansprüche im Bereich der Nachhaltigkeit ergeben. Die Anforderungen ergeben sich einerseits auf Grund neuer Regulatorien und andererseits auf Grund der veränderten Ansprüche der einzelnen Stakeholder. Die HWZ bietet hierzu den CAS Sustainable Controlling & Finance unter der Leitung von Susanne Winkler an, in welchem ein praxisorientierter Einblick in das Thema ESG/Sustainability geboten wird, der die eigene Handlungskompetenz erweitert.

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