Aktuell | 7. August 2025

Stakeholder Engagement richtig einsetzen und gestalten

Stakeholder Engagement gilt als Schlüsselfaktor für unternehmerische Nachhaltigkeit. Doch was bedeutet echte Beteiligung in der Praxis – und welche Haltung braucht es dafür? Tiziana Gaito, Studiengangsleiterin des CAS Sustainability Transformation HWZ, und Dozentin Diana Oser geben Einblicke in wirksame Dialogformate, Vertrauen als strategische Ressource und die Rolle von Co-Kreation in Transformationsprozessen.

Headerbild Cas Sustainable Transformation Hwz

Stakeholder Engagement ist längst mehr als ein Schlagwort – es ist ein zentraler Hebel für nachhaltige und zukunftsfähige Unternehmensführung. Auch im CAS Sustainability Transformation HWZ spielt dieses Thema eine bedeutende Rolle. Der berufsbegleitende Weiterbildungslehrgang richtet sich an Fach- und Führungspersonen, die nachhaltige Strategien entwickeln und wirksam umsetzen wollen. Dabei geht es nicht nur um technische Lösungen, sondern auch um die Frage, wie Veränderung gemeinsam gestaltet werden kann.

Zwei Frauen, die sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen, sind Tiziana Gaito, Studiengangsleiterin des CAS und Expertin für nachhaltige Transformation, sowie Diana Oser, Dozentin im CAS sowie Soziologin und Facilitatorin mit langjähriger Erfahrung in systemischem Change Management. Im Interview sprechen sie über die Bedeutung von Stakeholder Engagement, häufige Stolpersteine – und warum echte Beteiligung mehr Haltung als Methode ist.

Tiziana, was verstehst du unter Stakeholder Engagement – und warum ist es gerade heute für Unternehmen so zentral geworden?

Stakeholder sind laut Ed Freeman, Philosoph und Professor für Betriebswirtschaftslehre, all jene Personen, Gruppen und Organisationen, die ein Unternehmen beeinflussen oder von ihm beeinflusst werden – darunter Mitarbeitende, Kund:innen, Lieferant:innen, Investor:innen, aber auch Gesellschaft, Regulatoren und viele mehr.

Lange Zeit wurden Stakeholder im klassischen Stakeholder Management primär «verwaltet» – das Unternehmen stand im Zentrum, alle anderen waren Objekte der Steuerung. Stakeholder Engagement hingegen geht einen entscheidenden Schritt weiter: Es setzt auf Dialog auf Augenhöhe, auf gemeinsame Wertschöpfung und auf Beziehungen, die von Gegenseitigkeit und Vertrauen geprägt sind.
Tiziana Gaito, Studiengangsleiterin CAS Sustainability Transformation HWZ

Gerade Vertrauen ist dabei eine essenzielle Ressource – schwer imitierbar und zentral für Resilienz in Krisenzeiten. Zudem bringen Stakeholder durch ihre unterschiedlichen Perspektiven wertvolle Impulse ein, die gemeinsam im Netzwerk zu innovativen Lösungen führen – und so die Zukunftsfähigkeit von Organisationen stärken.

Diana, welche Rolle spielt Stakeholder Engagement im Kontext unternehmerischer Nachhaltigkeit?

Stakeholder Engagement ist ein zentrales Element unternehmerischer Nachhaltigkeit. Unternehmen agieren nie im luftleeren Raum – sie sind eingebettet in komplexe soziale, ökologische und ökonomische Systeme. Nachhaltigkeit bedeutet daher auch Verantwortung gegenüber all jenen, die vom Handeln eines Unternehmens direkt oder indirekt betroffen sind.

In einem nachhaltigen Unternehmen werden Stakeholder nicht als «Zielgruppen» betrachtet, sondern als aktive Mitgestaltende. Stakeholder Engagement schafft die Brücke zwischen Strategie und Umsetzung: Es ermöglicht einen partizipativen Ansatz, der Vertrauen aufbaut, Widerstände frühzeitig erkennt und nachhaltige Entwicklung langfristig im System verankern kann.

Was lässt sich durch professionelles Stakeholder Engagement konkret erreichen – für das Unternehmen, aber auch für die Stakeholder selbst?

Professionelles Stakeholder Engagement schafft für alle Beteiligten einen spürbaren Mehrwert: Unternehmen gewinnen ein vertieftes Verständnis für Bedürfnisse, Erwartungen und Perspektiven – und damit eine tragfähige Basis für Entscheidungen, Innovationskraft und Resilienz. Gleichzeitig fördert es Vertrauen, Transparenz und belastbare Beziehungen – alles entscheidende Faktoren in einem zunehmend komplexen Umfeld.
Diana Oser, Dozentin CAS Sustainability Transformation HWZ

Für Stakeholder entsteht Raum, ihre Perspektiven einzubringen und Verantwortung mitzutragen. In meiner Arbeit als Facilitatorin und systemische Change-Begleiterin sehe ich oft, dass gerade heterogene Gruppen enormes Potenzial entfalten, wenn Menschen wirklich gehört werden und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Aus systemischer Sicht kann Stakeholder Engagement sogar helfen, ganze Sektoren in Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen – vorausgesetzt, es gelingt, tragfähige Lösungen gemeinsam zu entwickeln. So entsteht ein Miteinander, das über wirtschaftliche Interessen hinausgeht und zu echter Transformation beiträgt.

Woran scheitert deiner Erfahrung nach Stakeholder Engagement am häufigsten – und wie lassen sich diese Stolpersteine vermeiden?

Oft scheitert Stakeholder Engagement daran, dass es zu spät oder zu oberflächlich angegangen wird. In meinen verschiedenen Rollen im Tourismusbereich habe ich häufig erlebt, dass Beteiligung eher als Pflichtübung verstanden wird. Das bringt niemandem etwas – weder der Geschäftsleitung noch den Kund:innen oder Mitarbeitenden – und erzeugt eher Widerstand.

Auch unklare Zielsetzungen, Rollen oder Entscheidungsräume bremsen Beteiligungsprozesse. Zudem werden Machtverhältnisse oder emotionale Dynamiken oft unterschätzt, obwohl sie in Gruppenprozessen eine zentrale Rolle spielen.

Erfolgreiches Engagement braucht daher eine sorgfältige Prozessgestaltung, transparente Kommunikation und eine offene, lernbereite Haltung – sowohl auf Seiten der Organisation als auch der Stakeholder. Was ich aus meiner Zeit als Community & Partnerschaften Koordinatorin in einer Schweizer NGO mitgenommen habe: Es lohnt sich, in Beziehung zu investieren. Denn echte Beteiligung ist kein Tool – sie ist eine Haltung.

Welche persönlichen Kompetenzen und Haltungen braucht es, um in Dialog mit Stakeholdern zu treten und dabei Vertrauen aufzubauen?

Tiziana: Um Vertrauen aufzubauen, lohnt es sich, zunächst zu verstehen, worauf es basiert. Die Forschung zeigt, dass Vertrauen auf drei zentralen Dimensionen beruht: Die erste ist Kompetenz – fachlich ebenso wie im Sinne von Führungskompetenz, also der Fähigkeit, komplexe Themen zu steuern, Ziele zu erreichen und sich auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen.

Darüber hinaus spielt die Haltung eine entscheidende Rolle. In der Wissenschaft spricht man hier von charakterbasiertem Vertrauen, das sich in Integrität und Wohlwollen ausdrückt: Integrität zeigt sich im ethischen Verhalten und in gemeinsamen Werten, während Wohlwollen bedeutet, die Anliegen der anderen ernsthaft wahrzunehmen.

In meiner Forschung zeigt sich immer wieder: Wer Stakeholder in den Dialog einbezieht, kann mit Offenheit, Toleranz und Ehrlichkeit erste Vorbehalte abbauen – und damit den Raum öffnen, in dem gegenseitiges Verständnis und Vertrauen wachsen kann.
Tiziana Gaito, Studiengangsleiterin CAS Sustainability Transformation HWZ

Diana: In meiner Arbeit für eine Schweizer NGO habe ich erfahren, dass es für den Vertrauensaufbau vor allem auf die Haltung ankommt. Es reicht nicht, Beziehungen als Mittel zum Zweck zu betrachten – vielmehr braucht es den Willen, sie als eigenständigen, wertvollen Prozess zu gestalten. So entsteht die Basis für nachhaltige Zusammenarbeit.

Ein vertrauensvoller Dialograum beginnt mit einer klaren Intention, einem fundierten Verständnis der Systemzusammenhänge und echtem Interesse an den Perspektiven aller Beteiligten. Im Kontext von Nachhaltigkeitstransformation sind persönliche Kompetenzen wie Empathie, Selbstreflexion, Dialogfähigkeit und die Bereitschaft, zunächst echte Verbindung statt sofortiger Lösung zu schaffen, besonders wichtig.
Diana Oser, Dozentin CAS Sustainability Transformation HWZ

Denn nur in solchen Räumen kann nachhaltiger Wandel nicht nur geplant, sondern wirklich gemeinsam getragen werden.

Stakeholder Engagement ist eines von mehreren Kernthemen im CAS Sustainability Transformation HWZ. Welche Bedeutung hat es im Gesamtkontext des Programms, Tiziana?

In Transformationsprozessen zählt nicht nur das «Was», sondern ebenso das «Wie»: Wer wird einbezogen? Wie können, sollen und wollen Stakeholder mitgestalten?

Deshalb ist Stakeholder Engagement ein wiederkehrendes Thema im CAS Sustainability Transformation HWZ. An verschiedenen Kurstagen arbeiten die Teilnehmenden mit konkreten Praxisfällen, entwickeln Nachhaltigkeitsstrategien und lernen, wie zentrale Themen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Stakeholder-Perspektiven bestimmt werden.

Ein weiterer Fokus liegt auf der internen Dimension: Wie können Mitarbeitende als zentrale Stakeholder in Veränderungsprozesse eingebunden werden? Ebenso betrachten wir die externe Kommunikation – etwa durch Storytelling – als Mittel zur Identifikation mit Zukunftsthemen. Und nicht zuletzt beleuchten wir, wie Co-Kreationsprozesse gestaltet werden können, damit Vertrauen wächst und tragfähige Lösungen entstehen.

Diana, du gestaltest im CAS Sustainability Transformation HWZ einen Kurstag zum Thema Co-Kreation. Welche Kompetenzen und Erfahrungen bringst du als Dozentin ein – und worauf dürfen sich die Teilnehmenden an deinem Kurstag besonders freuen?

Als Soziologin mit Weiterbildungen im systemischen Change Management und in traumainformierter Prozessbegleitung verbinde ich Struktur mit Empathie. Ich begleite Gruppen darin, kollektive Intelligenz zu aktivieren und tragfähige Lösungen zu entwickeln.

Die Teilnehmenden erwartet ein interaktiver Kurstag, an dem wir mit Methoden aus der Systemtheorie, der Theory U und der dialogischen Prozessarbeit arbeiten. Wir vertiefen eigene Praxisbeispiele und nutzen Co-Kreation als Ressource. In Gruppenarbeiten wenden wir systemisches Mapping an, um relevante Sektoren zu analysieren und Hebel für wirksames Stakeholder Engagement sichtbar zu machen.

Dabei geht es nicht nur um Tools, sondern um Haltung: Zuhören, Resonanz erzeugen und gemeinsam gestalten. Mein Ziel ist es, einen Erfahrungsraum zu schaffen, in dem Wissen nicht nur vermittelt, sondern auch angewandt, reflektiert und weiterentwickelt wird.
Diana Oser, Dozentin CAS Sustainability Transformation HWZ

Tiziana, weshalb empfiehlst du den CAS Sustainability Transformation HWZ und welchen Mehrwert bietet er?

Ich empfehle den CAS, weil ich überzeugt bin, dass nachhaltige Transformation der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ist. Der Lehrgang vermittelt nicht nur theoretische Grundlagen, sondern auch praxisnahe Tools, die von unseren Dozierenden selbst angewendet werden.
Tiziana Gaito, Studiengangsleiterin CAS Sustainability Transformation HWZ

Besonders wertvoll finde ich die kleine Gruppengrösse von rund 16 Personen – sie erlaubt einen intensiven Austausch, persönliche Diskussionen und regelmässige Reflexion. Formate wie das Persolog-Profil oder die Plattform Rflect unterstützen zudem nicht nur die fachliche, sondern auch die persönliche und berufliche Weiterentwicklung.

Fazit: Vertrauen gestalten, Wandel ermöglichen

Stakeholder Engagement ist weit mehr als eine Methode – es ist eine Haltung, die Vertrauen als zentrale Ressource ernst nimmt und Dialog auf Augenhöhe ermöglicht. Wer nachhaltige Transformation gestalten will, muss nicht nur wissen, was zu tun ist, sondern auch, mit wem und wie.

Im CAS Sustainability Transformation HWZ wird dieses Zusammenspiel aus Strategie, Haltung und Praxis greifbar. Die Teilnehmenden lernen, komplexe Systeme zu verstehen, Veränderungsprozesse partizipativ zu gestalten und tragfähige Beziehungen zu ihren Stakeholdern aufzubauen.