Aktuell | 23. Februar 2021

Was ist ein Smart Building?

Wir leben in smarten Zeiten. Es gibt kaum ein Produkt, das sich nicht mit diesem Attribut schmückt. In «Ask the Expert» erklärt der Experte Peter Staub, den Unterschied zwischen Smart Building und Smart Home, was Smart Building im Zusammenhang mit der Gebäudewartung bedeutet und warum Smart Buildings ökonomisch und ökologisch sinnvoll sind.

Hwz Ask the Expert Peter Staub Smart Building

Die HWZ lebt zu einem grossen Teil vom Wissen ihrer Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unserer Rubrik «Ask the Expert» stellen wir unseren HWZ-Expertinnen und -Experten Fragen aus Themenbereichen, die an der HWZ im Unterricht behandelt werden. Dabei handelt es sich um Fragen, die immer wieder auftauchen und aktuelle Fachbegriffe, die Erklärungsbedarf haben. In einem ausführlichen Blogbeitrag gehen Studiengangsleitende oder Dozierende den Fragen auf den Grund.

Das Smart Phone, die Smart Watch oder der Smart TV gehören bereits seit einiger Zeit zur Norm in der westlichen Welt. Ihnen gemeinsam ist die Fähigkeit, die vom Nutzer produzierten Daten automatisch zu sammeln, auszuwerten und mit anderen zu teilen. Smart bedeutet in diesem Zusammenhang also kommunikationsfähig und vernetzt, aber auch personalisierbar, kontextsensitiv und unmittelbar reaktiv auf äussere Veränderungen.

Auch Gebäude werden zusehends smarter. Dabei werden die Begriffe Smart Home und Smart Building fälschlicherweise häufig als Synonym verwendet. Obwohl sich beide im Wesentlichen mit der Digitalisierung von Gebäuden beschäftigen, folgen sie einem gänzlich anderen Zweck.

Smart Home vs. Smart Building: die Unterschiede

Mit dem Smart Home wird die Digitalisierung der eigenen vier Wände bezeichnet. Smart bezieht sich in diesem Fall auf die Vernetzung intelligenter Geräte im Eigenheim und äussert sich entsprechend in der sprachgesteuerten Verwaltung von Audiogeräten, der Temperaturregelung auf dem Smart Phone oder automatischen E-Mail-Benachrichtigung der Nest Cam im Fall von verdächtigen Vorgängen. Dabei verfolgt das intelligente Zuhause stets das Ziel, seinen Bewohnerinnen und Bewohnern den individuellen Alltag zu vereinfachen sowie die Lebensqualität und Sicherheit zu erhöhen.

Ein Smart Building befasst sich derweilen mit der Digitalisierung des gesamten Gebäudes. Im Kern konzentriert es sich auf die automatisierte Steuerung der technischen Ausstattung zum Zweck einer gesteigerten Gebäudeeffizienz, einer möglichst positiven Energiebilanz und verfolgt insbesondere das Ziel, Kosten und Treibhausgasemissionen einzusparen. Smart Buildings können Bürokomplexe, Gewerbeliegenschaften, aber auch Ein- oder Mehrfamilienhäuser oder ganze Überbauungen sein.

Smart auf höchstem Niveau

In ihrem Anspruch sind Smart Buildings also mit einem smarten Produkt der höchsten Stufe zu vergleichen:

Stufe 1: der aktuelle Betriebszustand und die Vorgänge in der unmittelbaren Umwelt werden durch eingebaute, digital vernetzte Sensoren und externe Datenquellen erfasst und überwacht

Stufe 2: mittels eingebetteter Software oder Internet-Plattformen kann aktiv in den laufenden Betrieb eingegriffen werden

Stufe 3: kombiniert die ersten beiden Stufen und ermöglicht somit eine kontinuierliche Optimierung der einzelnen Funktionen

Stufe 4: entspricht schliesslich dem Zusammenspiel aller Stufen und ermöglicht dadurch die Fähigkeit zur Selbstdiagnose und zur autonomen Betriebssteuerung

Ein Smart Building ermöglicht uns, das Gebäude in Echtzeit besser zu verstehen. Der Gebäudebetrieb, das Management der technischen Anlagen, die Auslastung, Pflege und Instandhaltung können durch sinnvolles Monitoring genauer und bedarfsgerechter geplant und umgesetzt werden.

Predictive Maintenance

Mit der Sammlung von Daten allein ist nicht getan. Erst deren Analyse und Vernetzung führt zu Innovationen in klassischen Bereichen wie der Haustechnik und Infrastruktur, erlaubt eine individualisierte Gebäudenutzung, verbessert die Datensicherheit und ermöglicht ausserdem eine vorausschauende Instandhaltung.

Basierend auf der Auswertung von Prozess- und Maschinendaten wie auch dem Nutzerverhalten können Visualisierungen von Messdaten eine vorausschauende Gebäudewartung und Instandhaltung sicherstellen. Diese sogenannte «Predictive Maintenance» dient als Entscheidungsgrundlage für das Steuern und Regeln sowie das Warten und Reparieren von Haustechnikanlagen und Systemen. Das bedeutet, dass Teile in Zukunft nicht mehr turnusgemäss nach Wartungsvertrag ausgewechselt werden, sondern nur noch nach Bedarf.

Ohne Smart kein Grün

Smart Buildings sind aber nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch sinnvoll. Denn Daten sind der Schlüssel zu einer besseren Umweltbilanz: Nur wenn wir Werte gezielt erheben, standardisiert erfassen und strukturiert ausweisen, lassen sich Mehrjahresvergleiche einschätzen, gesetzliche Vorgaben überhaupt erst überprüfen sowie ungenügende Datenpunkte verbessern – und damit letztendlich der Klimawandel stoppen!

Zum besseren Verständnis hier ein konkretes Beispiel mithilfe einer Grafik.

Iot Grafik Smart Building

Der End-to-End-Ansatz: Gebäudedaten werden erfasst, mithilfe eines Gebäudeleitsystems weiterverarbeitet, zentral gesichert und in verschiedenen End-Anwendungen genutzt. Quelle: pom+Consulting AG, 2021

  1. Energiebezogene Daten wie Temperatur, Luftdruck oder Stromverbrauch werden mit Hilfe von Sensoren innerhalb einer sicheren Messinfrastruktur erfasst und Aktoren wie Lüftungsklappen, Licht oder Audio lösen bestimmte Reaktionen im Gebäude aus.

  2. Wenn also der Wärmesensor in einem Raum eine Temperaturüberschreitung meldet, leitet die örtliche Gebäudeintelligenz diese Information an das Heizsystem zur Reduktion der Raumtemperatur weiter. Die gesammelten Daten werden über das ganze Gebäude hinweg berechnet, gespeichert und weiterverarbeitet, bspw. mithilfe eines Gebäudeleitsystems.

  3. Die (anonymisierten) Daten können innerhalb und ausserhalb des Objekts, bspw. unter einzelnen Mietparteien oder mit Energienetzbetreibern, automatisch ausgetauscht werden.

  4. Diese Vernetzung stellt den Datentransfer aus dem Gebäude hin zu einer übergeordneten zentralen Datenablage sicher.

  5. Nur so lassen sich Daten zur Bildung von digitalen Dienstleistungen nutzen und zielführend im Rahmen von digitalen Ökosystemen konsolidieren. Die Daten können für eine Vielzahl von End-Anwendungen eingesetzt werden, bspw. zur Erstellung einer automatisierten Nebenkostenabrechnung, für den Erhalt von Push-Notifikationen zu Anlagezuständen oder für die grafische Darstellung von Verbrauchszahlen in Nachhaltigkeitscockpits.

Herausforderungen gemeinsam angehen

Was in Theorie einfach klingt, stellt Immobilieneigentümer in Praxis vor komplexe Herausforderungen. Wenn wir den Energieverbrauch aller Schweizer Immobilien bis 2050 halbieren wollen, müssen einerseits die bestehenden haustechnischen Anlagen optimiert und nutzerspezifisch passend eingestellt und andererseits bei Neubau- oder Gesamtsanierungsprojekten die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) eingehalten werden.

Diese Schwierigkeiten lassen sich nur gemeinsam überwinden – die digitale Transformation in der Bau- und Immobilienbranche muss im Verbund angegangen werden. Erforderlich sind ein aktives Change- Management und die kontinuierliche Weiterbildung von smarten Köpfen – der CAS Digital Real Estate ist ein ausgezeichneter Einstieg in das spannende, weitläufige Themenfeld!

The Expert: Dr. Peter Staub

Peter Staub ist Dozent und Studiengangsleiter des CAS Digital Real Estate. 1996 gründete er die pom+Consulting AG, ein auf die Bau- und Immobilienbranche spezialisiertes Beratungsunternehmen mit ausgewiesenen Kompetenzen, u.a. in der digitalen Transformation, Nachhaltigkeitsberatung sowie im Life Cycle Data Management. Während 25 Jahren führte er die Unternehmung als CEO zu verschiedenen Erfolgen und gewann mit seinem Team den European EFQM Excellence Award in Brüssel. Im Februar 2021 wechselt er als Präsident in den Verwaltungsrat. Er bekleidet zahlreiche Vorstandspositionen in verschiedenen branchenumfassenden Vereinen, amtet als Präsident der Group of Fifteen und ist Gründungsmitglieder der International Building Performance and Data Initiative (IBPDI) in Partnerschaft mit RICS, Microsoft und BuildingMinds. 2017 rief er an der HWZ den europaweit ersten CAS Digital Real Estate ins Leben und beschäftigt sich seither eingehend mit der Weiterbildung von Entscheidungsträgern, welche die Digitalisierung als Chance betrachten.