Aktuell | 12. April 2023

Weiterbildung gegen Fachkräftemangel

Längst sind die Zeiten vorbei, in denen die Volksschule, eine solide Berufslehre oder ein Studium das notwendige Rüstzeug für die gesamte berufliche Laufbahn bildeten. Heute zählt lebenslanges Lernen. Ein Gastbeitrag von Prof. Matthias Rüegg, Rektor HWZ, im Organisator.

Portrait Matthias Rüegg HWZ

Dieser Artikel erschien als Erstpublikation im Organisator. Es handelt sich daher um eine Zweitpublikation. 

Es gibt heute viele gute Gründe, sich «lifelong» weiterzubilden. Mit erweiterten Fähigkeiten können Menschen neue Herausforderungen schneller bewältigen und gleichzeitig die eigenen Aufstiegschancen im Arbeitsprozess erhöhen. Die Grundlage für eine berufliche und persönliche Karriere wird gefestigt und ausgebaut. Wir werden achtsamer – wer mehr weiss, versteht auch mehr oder sieht andere und sich präziser. Selbst- und Fremdwahrnehmung werden geschult. In der Begegnung mit anderen Menschen mit ähnlichen Interessen haben wir die Möglichkeit, unsere Gedanken auszutauschen und unseren Horizont zu erweitern. Das hält uns geistig fit und lässt uns persönlich reifen.

Lifelong Learning macht Karriere

Im globalisierten Wettbewerb werden laufend neue Kenntnisse verlangt, die sich nur mit permanenter, berufsbegleitender Weiterbildung erarbeiten lassen. Nur so können Fachleute ihren Wert als Arbeitnehmende erhalten. Oder einfache Angestellte, die an einer beruflichen Karriere interessiert sind, können sich damit zu gesuchten Fachpersonen ausbilden lassen.

Laut Bundesamt für Statistik (BFS) bilden sich in der Schweiz jährlich rund 2,3 Millionen Personen weiter und besuchen dabei etwa 2,7 Millionen Kurse. Etwa zwei Drittel der Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer nahmen aus beruflichen Gründen an Weiterbildungen teil. Dabei waren die Bereiche Informatik, Management- und Führungskurse sowie Sprachen besonders nachgefragt. Gemäss neuer OECD-Studien haben die meisten Befragten, die keine Weiterbildung machen, angegeben, dass es für sie keine interessanten Angebote gibt oder dass sie nicht davon überzeugt sind, dass Weiterbildung ihre Lebensqualität verbessert. Unter denjenigen, die unter besseren Voraussetzungen gerne eine Weiterbildung besucht hätten, haben die meisten Zeitmangel als Hindernis angegeben. Es fragt sich, wie Weiterbildung gestaltet werden muss, damit sie Menschen anspricht und sie in der knapp verfügbaren Zeit optimal auf die sich laufend ändernden Anforderungen des Arbeitsalltages und des Lebens vorbereitet.

Was macht eine erfolgreiche Weiterbildung aus?

Eine repräsentative Umfrage, welche die HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich mit Demoscope durchgeführt hat, zeigt, dass die meisten 15- bis 55-Jährigen nur dann an einer berufsbegleitenden Weiterbildung an einer Fachhochschule (CAS, MAS) interessiert sind, wenn die thematische Ausrichtung des Angebots auf ihr eigenes Tätigkeitsfeld zugeschnitten ist und einen klaren Mehrwert für ihre berufliche Laufbahn verspricht. In Bezug auf das Unterrichtssetting sind interaktive Lehr- und Lernumgebungen sowie hochwertige asynchrone Online-Einheiten von grosser Bedeutung, um ein anregendes Lernklima zu schaffen und den formatspezifischen Mehrwert zu betonen. Die Wahl der Veranstaltungsart ist dagegen weniger wichtig als die Planungssicherheit, die für viele Teilnehmer von zentraler Bedeutung ist. Dr. Stefan Joller, Leiter Forschung und Hochschulentwicklung an der HWZ, stützt diese Ergebnisse als entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche berufsbegleitende Weiterbildung.

Erfolgreiche Weiterbildungsprogramme müssen Mitarbeitenden ermöglichen, ihre fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse zu erweitern und auf dem neuesten Stand zu halten. Ziel ist es, besser in der Lage zu sein, auf neue Anforderungen im Arbeitsumfeld zu reagieren und ihre Arbeit effektiver und effizienter zu erledigen. Obwohl Weiterbildung einen messbaren Mehrwert liefern muss, darf sie nicht zur todernsten Angelegenheit werden. Sie soll anregen, unterhalten und Spass bereiten, was die Motivation und damit die Lernleistung deutlich fördert. Moderne Weiterbildungsformate werden nicht mehr stark von anderen Freizeitbeschäftigungen getrennt. Wichtig ist dabei, dass immer mehr neue Lehr und Lernformen Einzug halten und dass jegliches Lernen bedürfnisgerecht und damit individualisiert erfolgt. Darum setzt auch unsere Fachhochschule ausschliesslich Dozierende ein, die, neben ihren fundierten theoretischen Kenntnissen, jahrelange Praxiserfahrung nachweisen können. Daraus entstehen massgeschneiderte Lehrgänge, die einem konkreten Bedürfnis der Wirtschaft punktgenau entsprechen.

Unternehmen profitieren von systematischer Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden

Weiterbildungsprogramme dienen auch dazu, erkannte Wissenslücken innerhalb von Unternehmen rasch und effizient zu schliessen. Dies trägt dazu bei, dass Unternehmen effizienter sind und besser auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren können, was sie wettbewerbsfähiger macht. Zudem können eigene und bewährte Mitarbeitende aus dem mittleren Segment mit guter Bildung und praktischem Leistungsausweis, die ein Potenzial für eine Kaderfunktion aufweisen, über Weiterbildungen zu Fach- und Führungspersonen geschult werden. Dies trägt dazu bei, dass vorhandene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich auf höhere Positionen bewerben oder neue Aufgabenbereiche übernehmen können. Fachkräftemangel kann damit substanziell vermindert werden. Wenn Unternehmen nicht genug qualifizierte Arbeitskräfte haben, um ihre Geschäftsaktivitäten auszuführen, führt dies zu gravierenden Schwierigkeiten bei der Entwicklung neuer Produkte und bei der Expansion in neue Märkte. Es fehlen dann Fachkräfte, um neue Ideen und Technologien zur Marktreife zu führen. Dies verlangsamt das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft und schwächt den eigenen Produktionsstandort.

Wie kann der Erfolgsfaktor Weiterbildung besser genutzt werden?

Die Umfrage der HWZ mit Demoscope hat weiter gezeigt, dass Weiterbildungsinteressierte es schätzen, wenn die Bildungsinstitution klare Vorgaben bezüglich Inhalten und Zeiten für ihre Weiterbildung bereitstellt. Dies wird gewünscht, damit ihrerseits weniger Zeit für die Planung der Lernphasen aufgewendet werden muss.

Diese Ergebnisse spiegeln eine eher konservative Lernhaltung wider, die heute dominierend ist und auf kostensensitive Effizienz bei der Aus- und Weiterbildung setzt. Verlangt wird eine effiziente und messbare Zielorientierung. Fachhochschulen genügen diesen Anforderungen, wenn sie ihre Forschungsergebnisse und ihr Know-how in einem Netzwerk von fortschrittlichen Unternehmungen austauschen. Gemeinsam müssen sie Studiengänge entwickeln, in denen neue Kompetenzen zielgruppengerecht und effizient vermittelt werden. Beispielsweise können durch Optionen der Digitalisierung enorme Verbesserungen der innerbetrieblichen Abläufe erzielt werden. Solche Entwicklungen gehen häufig einher mit gut ausgebildeten Mitarbeitenden, die motiviert sind, eingespielte Prozesse infrage zu stellen und unter Einbezug neuer Technologien zu erneuern. Die Motivation, dies zu tun, gewinnen Mitarbeitende häufig im direkten Austausch mit Studienkolleginnen und -kollegen. Ein motivierendes Umfeld an Hochschulen ist dazu die beste Basis. Interne Weiterbildungen in Unternehmen sind sicher effizient, bergen aber gleichzeitig die Gefahr einer möglichen Betriebs- oder Branchenblindheit. Unternehmen sind gut beraten, ihre Weiterbildungsplanung unter Berücksichtigung der Zielvorgaben der Unternehmensstrategie so zu gestalten, dass die Weiterentwicklung der Organisation und allenfalls nötige Transformationsprozesse damit optimal unterstützt werden.

Eine erfolgversprechende Weiterbildungsplanung muss aus der Unternehmensstrategie abgeleitete Ziele verfolgen, Kultur, Zusammensetzung und Interessen der Mitarbeitenden berücksichtigen. Sie muss die technologischen und sozialen Entwicklungen einbeziehen und mit angemessenen Ressourcen versorgt sein. Sehr viel kann dabei «on the job» erlernt und in diesem spezifischen Rahmen angewendet werden.

Damit Fachwissen in einem agilen Wirtschaftsumfeld zur Lösung von ganz unterschiedlichen Problemstellungen verwendet werden kann, sollten Inhalte in einem breiteren Zusammenhang vermittelt werden. Besonders erfolgreich ist es dabei, praktische Fallbeispiele zu nutzen und daraus abstrakte Modelle abzuleiten, damit das Gelernte später flexibel angewendet werden kann. Die HWZ etwa hat jahrzehntelange Erfahrung in der strukturierten Vermittlung von aktuellen Fachkompetenzen. Dozierende, Fachreferentinnen und -referenten dieser Fachhochschule sind namhafte Persönlichkeiten und Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Wissenschaft, die oft ein eigenes Unternehmen führen. Mit ihrer interdisziplinären Expertise und Erfahrung stellen sie einen aktuellen, praxisnahen und anwendungsorientierten Unterricht sicher und tragen damit entscheidend zu einer hohen und nachhaltigen Qualität der Weiterbildung bei, die Personen und Unternehmen gleichermassen fit für die Zukunft machen.