Aktuell | 23. Juni 2021

«Als Pionierin habe ich Crowdfunding im Blut»

Sie ist eine Möglichmacherin: Céline Fallet setzt sich als Geschäftsführerin der Crowdfunding-Plattform «wemakeit» dafür ein, dass Projekte zum Laufen kommen. Ab Herbst 2021 teilt sie ihre Erfahrung bei uns als Dozentin im neuen CAS Marketingstrategie HWZ. Wir haben mit ihr über ihren eindrücklichen Werdegang gesprochen, erfahren, welche Businessmodelle im Trend liegen und welche Rolle die Community bei neuen Projekten spielt. Und wir liessen auch eine HWZ-Absolventin zum Thema Crowdfunding zu Wort kommen.

Celine Fallet Wemakeit

Bild: Katharina Lütscher

Céline, als Geschäftsführerin von «wemakeit» lässt du und dein Team immer wieder Träume verwirklichen. Gibt es einen Traum, den du verfolgst?

Die Vision einer zukunftsgerichteten, demokratischen und neuen Form der Arbeit und Wirtschaft. Ich bin eine grosse «New Work»-Enthusiastin und versuche stets neue, andere Wege zu gehen.

«wemakeit» wurde 2012 gegründet. Noch im selben Jahr bist du als Praktikantin dazugestossen und mittlerweile leitest du die Crowdfunding-Plattform. Hattest du bereits früh das Gefühl, dass du «wemakeit» so schnell nicht verlassen wirst?

Ich bin eine Person, die meist ohne konkrete Ziele durchs Leben geht und Chancen packt, die mich inspirieren. So war es auch, als ich zu «wemakeit» gestossen bin. Ich hatte noch während meinem Abschlusssemester keine konkrete Vorstellung davon, was ich nach meinem Abschluss tun möchte. Die Möglichkeit, «wemakeit» mit aufzubauen und mir entsprechend mein eigenes Jobprofil zu gestalten, hat mich extrem angesprochen. Zumal ich daneben weiter selbstständig im Kulturbereich arbeiten konnte. Mein Enthusiasmus für Crowdfunding und was wir alles damit bewegen können, ist geblieben und wird so glaube ich, noch lange bleiben. Als Pionierin habe ich Crowdfunding quasi im Blut.

Als eure Plattform lanciert wurde, gab es nicht viele Mitstreiter, mittlerweile gibt es eine hohe Crowdfunding-Plattformen-Dichte in der Schweiz. Was macht ihr anders als die anderen?

Wir haben die Plattform sicherlich zur richtigen Zeit lanciert als die erste von zwei Crowdfunding-Plattform der Schweiz. Und wir waren zu Beginn nur für Kulturprojekte offen. Dort waren wir zuhause und konnten wertvolle Erfahrungen sammeln sowie unser Netzwerk stets erweitern. Uns zeichnet aber auch unser Erfahrungswert aus, unser Sinn für Ästhetik und somit ein klares Erscheinungsbild sowie eine einfache Userführung und nicht zuletzt die Nähe zur Community. Wir sind mit jedem Projekt sowie mit vielen Unterstützer*innen in direktem persönlichem Austausch.

Und wie habt ihr euer Business-Modell über die Jahre weiterentwickelt?

Einerseits haben wir uns über die Jahre geöffnet für Projekte aller Art. Andererseits bieten wir nun zusätzliche Coaching- und Promotionpackages an, um die Projekte zusätzlich zu unterstützen. Und wir haben ein Partnerschaftsmodell etabliert, wo Partner*innen Projekte finanziell unterstützen können im Sinne eines Sponsorings, bzw. einer Förderung. Zudem haben wir gemeinsam mit unserer Community einen eigenen Klimafund, den Impact Fund, lanciert, wo wir über eine halbe Million Schweizer Franken für Klimaprojekte gesammelt haben.

Das ist «wemakeit»

«wemakeit» ist nicht nur eine der grössten Crowdfunding-Plattformen in der Schweiz sondern mittlerweile auch in Europa. Céline Fallet und ihr Team arbeiten in Zürich, Lausanne, Bellinzona und Wien. Über 5’200 Projekte wurden seit der Gründung 2021 bereits über die Plattform erfolgreich abgeschlossen.

Im Herbst startet der CAS Marketingstrategie an der HWZ. Dabei lernen Teilnehmende, wie sie innert wenigen Wochen aus einer Idee ein Geschäftsmodell kreieren können. Du bist als Dozentin mit dabei. Auf neue Geschäftsideen triffst du in deiner Funktion bestimmt fast täglich. Wie haben sich die Business-Modelle in den letzten Jahren entwickelt? Welchen Trend spürst du?

Wir sind tatsächlich am Puls der Zeit. 2017 haben wir beispielsweise den Boom der Zero-Waste Läden hautnah miterlebt, noch bevor diese überhaupt in der Öffentlichkeit sichtbar waren. Aktuell spüren wir einen starken Trend hin zu nachhaltigen Projekten, die sich fürs Klima engagieren, das war vor einigen Jahren noch nicht der Fall. Durch die Lancierung des «She Makes It»-Channels gibt es zudem viele spannende Projekte für und von Frauen. Und klar, dann gibt es immer mal wieder spannende und überraschende neue Ideen, wie beispielsweise der Wurmkomposter von WurmUp oder ein Musikinstrument, welches mit Gemüse funktioniert.

Was wird deine Aufgabe im CAS Marketingstrategy HWZ sein?

Ich möchte den Teilnehmer*innen näherbringen, wie Crowdfunding auch als Marketinginstrument eingesetzt werden kann und was es braucht, um eine erfolgreiche Kampagne zu lancieren.

Die Teilnehmenden sollten nach dem Studiengang in der Lage sein, eine neue Strategie anzuwenden oder eben einen neues Geschäftsmodell zu lancieren. Welche wertvollen Tipps gibst du ihnen mit auf den Weg?

Eine gute Kommunikationsplanung und ein stringentes Storytelling ist das A und O. Nicht nur für die Lancierung eines neuen Geschäftsmodells, sondern auch, um langfristig eine nachhaltige Community aufzubauen.

An der HWZ steht das lebenslange Lernen im Zentrum. Du hast mit einer Lehre zur Polygrafin begonnen, anschliessend einen Bachelor in Style und Design absolviert und erst kürzlich mit dem CAS in Design Leadership gestartet. Das heisst, du hast dich über die Jahre immer wieder weitergebildet. Was bedeutet für dich Weiterbildung?

Bildung ist mir sehr wichtig, sei dies konkret mittels einer Ausbildung oder eben einer Weiterbildung wie aber auch im Selbststudium. Ich bin ein extrem neugieriger Mensch und interessiere mich für die unterschiedlichsten Bereiche. Das öffnet meine Sichtweise und lässt mich von den unterschiedlichsten Quellen Inspiration holen. In meinem aktuellen CAS merke ich zudem ganz stark, wie wichtig der Austausch mit anderen Menschen ist und welche Bedeutung die Thematik Co-Creation hat und wie viel wir damit bewirken können. Ich lebe ganz nach dem Motto «Work to Learn» und möchte dies auch so nach aussen tragen.

Eine HWZ-Absolventin und ihr Crowdfunding-Projekt

Foto Chantal Lisci

Chantal Lisci, Co-Founder «loopi»

Crowdfunding ist in aller Munde. Auch an der HWZ gibt es Studierende und -Absolvierende, die bereits Projekte auf diversen Crowdfunding-Plattformen lanciert haben. Eine von ihnen ist Chantal Lisci, Absolventin Bachelor Business Communications, die ein erfolgreiches Projekt über «wemakeit» abgewickelt hat.

Chantal, du hast vor knapp zwei Jahren den Bachelor Business Communications bei uns  abgeschlossen. Mittlerweile hat sich bei dir einiges getan…

Genau. Ganz unverhofft bin ich im Herbst 2020 auf das Startup «loopi» (a. d. R.: «Loopi» wird mit einem kleinen «L» geschrieben) gestossen und es hat auf Anhieb gefunkt. In meiner Funktion als Verantwortliche Marketing & Kommunikation kann ich mich nicht nur mit all meinen an der HWZ erlernten Fähigkeiten austoben und entfalten, sondern auch auf verschiedenen Ebenen aktiv für eine bessere Zukunft für die Familien von heute und morgen einsetzen.

Was genau ist «loopi»?

«loopi» entwickelt die ersten kreislauffähigen, modularen Kinderwagen im Abo. Das bedeutet, dass unsere Kinderwagen repariert, wiederverwendet und rezykliert werden können. Damit wollen wir die Schweizer Kreislaufwirtschaft ankurbeln und ein Zeichen für bewussteren Konsum setzen.

Um ein Projekt erfolgreich umzusetzen, braucht es nicht nur ein Team, das mit viel Leidenschaft dabei ist, sondern es braucht meist auch finanzielle Unterstützung. Ihr habt (unter anderem) auf Crowdfunding gesetzt. Wie kam es dazu?

Natürlich denkt man bei einem Crowdfunding in erster Linie an den finanziellen Aspekt, der bei uns für die Weiterentwicklung des Produkts auch entscheidend ist. Jedoch ist ein Crowdfunding ein sehr vielseitiges Tool, das vor allem für unbekannte Start-Ups einige Vorteile mit sich bringt. Das Projekt gewinnt durch die Reichweite an zusätzlicher Sichtbarkeit und kann seine Community aus- oder aufbauen. Ein wesentliches Argument war für uns zudem der Pre-Market-Check, der einem das Crowdfunding ermöglicht. Auch wenn wir noch nicht Marktreif sind, haben wir sozusagen direktes Feedback erhalten, ob Bedarf an unserem Produkt und Service besteht.

Wie war eure Erfahrung mit Crowdfunding?

Trotz einer Achterbahn der Gefühle war unsere Erfahrung mit Crowdfunding durchaus positiv. Es ist eine sehr intensive Zeit. Man sollte sich von Anfang an im Klaren sein, wofür man das Geld einsetzen will und dementsprechend auch transparent kommunizieren. Ausserdem ist es wichtig sich stets mit der Community und den Supportern auszutauschen und sie während der Kampagne auf dem Laufenden zu halten.

Euer «Projekt» wurde auf «wemakeit» anfangs Juni erfolgreich abgeschlossen. Herzlichen Glückwunsch! Habt ihr damit gerechnet?

Wenn unser Team nicht geschlossen hinter der Idee von «loopi» stehen würde, hätten wir uns nicht für ein Crowdfunding entschieden. Während dem man ein Projekt aufzieht, erhält man unglaublich viel Feedback und Rückmeldungen von allen Seiten, was uns in unserem Vorhaben sicherlich auch bestärkt hat. Wir waren absolut positiv gestimmt und guter Dinge, trotzdem ist es menschlich, dass sich ab und an Zweifel breit machen.

Meiner Meinung nach ist die Einstellung und Überzeugung der Initiant*innen ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Crowdfundings. Den auf dieser Grundlage muss man schlussendlich andere Menschen davon überzeugen können, das eigene Projekt zu unterstützen. Auch mit guter Vorbereitung usw. gibt es viele äussere Einflüsse, die man nicht kontrollieren kann, weshalb man trotzdem mit allem rechnen muss ?

Und wie geht es nun mit «loopi» weiter?

Momentan liegt der Fokus auf der Produktentwicklung und wir setzen alles daran, bis voraussichtlich Ende dieses Jahres den ersten physischen Kinderwagen Prototypen produzieren und testen zu können. Währenddem der Kinderwagen weiterentwickelt wird, suchen wir auch nach geeigneten Lieferant*innen und Produktionspartner*innen für alle Materialien, Textilien und handwerklichen Arbeiten. Zudem arbeiten wir an der Ausgestaltung des Abo-Services. Wir freuen uns sehr auf die kommenden Monate und die aktive Mitwirkung unserer Community, die wir in die Entwicklung unseres Kinderwagens und Services aktiv miteinbeziehen.