Aktuell | 19. September 2022
In kleinen Schritten nähern sich die Zentralbanken dem Thema Digitale Währungen. Sogenannte CBDC's (Central Bank Digital Currency) bringen neue Möglichkeiten und Funktionen für unser Finanzsystem. Wie funktionieren CBDC? Gibt es den Schweizer Franken in Zukunft als digitale Währung? Welche Chancen und Risiken haben CBDC? Unser Experte für digitale Assets, Martin Meyer, Studiengangsleiter im CAS Digital Asset Specialist in Finance HWZ, gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.
Einfach gesagt ist der Hauptunterschied, dass die CBDCs von den Zentralbanken ausgegeben werden – wohingegen die dezentralen Kryptowährungen unkontrolliert im Umlauf sind. Die Unterschiede gehen aber noch viel weiter: Es liegt im Interesse jeder Zentralbank, dass die Geldmenge möglichst effektiv kontrolliert werden kann – oder dass die Forensik bei Finanzdelikten deutlich verbessert wird. Diese Mechanismen sind bei den aktuellen PoCs (Proof of Concepts) der verschiedenen Zentralbanken sehr oft miteinbezogen worden. Natürlich sind diese Kontrollmechanismen bei den dezentralen Währungen überhaupt nicht gewünscht: dort strebt man das Modell der «Unabhängigkeit» von jeglichen Systemen und Kontrollen an.
Auf der einen Seite ist es eine einfache, technische Überlegung: die Blockchain Technologie macht das Verwalten von Transaktionen einfacher und effizienter. Lässt man den «dezentralen Aspekt» der Public Blockchain weg und konzentriert sich auf das Modell der Private Blockchain, dann stellt man als Bank bald einmal fest, dass deutliche Effizienz-, Sicherheits- und Kostenvorteile drin liegen. Und dann kommt für die Zentralbanken der Aspekt der Kontrollierbarkeit dazu. Mein liebstes Gedankenspiel ist das des «Bankräubers»: Ein Bankräuber, der kontrollierte Coins stiehlt, wird bald feststellen, dass er diese nicht einlösen kann – weil sie technisch blockierbar sind. Das ist bei Fiat Währungen heute schlicht nicht möglich. Die aktuelle Diskussion ist deshalb nicht nur eine technische Diskussion, sondern auch ein Stückweit eine philosophische Überlegung. Wie weit soll die Kontrollierbarkeit einer Währung gehen? Europa ist in dieser Diskussion eher konservativ unterwegs. Einige Länder in Asien sind den digitalen Währungen gegenüber eher offener.
Die Schweizerische Nationalbank erteilte einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC) für Privatpersonen zum breiten Einsatz für alltägliche Transaktionen vorerst eine Absage. Das SNB-Direktoriumsmitglied Andréa Maechler äusserte sich dazu auf einer Online-Finanzkonferenz der Goethe-Universität in Frankfurt:
Vermutlich auf den ersten Blick nicht sehr viel. Das Geld heute ist bereits mehrheitlich digital auf unseren Konten verbucht. In einer Welt, in der wir mit dem e-Franken bezahlen würden, würden wir auch weiterhin mit einer Karte oder einer digitalen Wallet Identifikation bezahlen. Gefühlt würde sich nicht sehr viel ändern. Es wäre allerdings in dieser neuen Welt viel einfacher möglich Transaktionen nachzuvollziehen.
Genau dort liegt ein grosses Problem aller neuen CBDC Modelle: Heute ist ja jeder Franken «anonym» - also nicht individuell gekennzeichnet. Ein e-Franken besitzt aber einen eindeutigen Token. Man müsste also für eine Umstellung alle bestehen Franken in digitale Token umwandeln. Das ist aus heutiger Sicht nicht realistisch. Wir sehen deshalb, dass einige Länder darüber nachdenken, die CBDC nur für ganz bestimmte Geschäftsfälle in Umlauf zu bringen. Dieses Modell zeichnet sich aktuell gerade in China ab.
Banken betreiben naturgemäss mehrere Geschäftsmodelle parallel:
Das Transaktionsgeschäft wird sich auf jeden Fall dann verändern, wenn tokenisierte Geldanlagen eingeführt und von Kunden verlangt werden. Hier sehen wir bereits heute, dass Drittanbieter mitmachen wollen. Allerdings müssen diese Drittanbieter mit der Komplexität der jetzt einsetzenden Regularien klarkommen. Ich bin aus Bankensicht vorsichtig optimistisch, dass es der Finanzindustrie gelingen wird, diese Herausforderung über gute Systemlösungen in den Griff zu bekommen.
Das Investitionsgeschäft wird bestimmt um neue digitale Anlageklassen bereichert werden. Im Kern wird eine Aktie eine Aktie bleiben – aber sie wird möglicherweise tokenisiert werden und damit deutlich einfacher handelbar. Gleiches gilt für andere Finanzinstrumente.
Das Verwahrungsgeschäft wird bestimmt anspruchsvoller, allein schon, weil für die digitalen Assetklassen natürlich auch technisch neue Lösungen gebaut und etabliert werden müssen – die den bestehenden und neuen Regularien der Behörden entsprechen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass in diesem Fall die Schweiz auch wieder eine führende Rolle einnehmen kann.
Das Beratungsgeschäft wird deutlich anspruchsvoller, weil die neuen digitalen Lösungen häufig von den bestehenden Kundenbetreuern nicht mehr verstanden werden. Die Motivation immer dranzubleiben und sich weiterzubilden ist in diesem Bereich essentiell für Kundenberater. Kunden machen keinen Unterschied zwischen alten und neuen Finanzinstrumenten. Sie suchen Expertise.
Es gibt ganz grosse Megatrends, die weltweit den digitalen Wandel bewegen. Gegen diese Trends kann sich niemand wehren – sie sind der «Fluss der Geschichte» unserer Gesellschaft. Ich möchte hier zwei Trends kurz erwähnen:
Megatrend Transparenz: Ich glaube, die Finanztransaktionen und -dienstleistungen werden in Zukunft noch transparenter und vermutlich auch noch einfacher für die Kunden. Heute sind Kryptos noch viel zu kompliziert und unübersichtlich. Ich erwarte, dass sich der Markt konsolidiert und vereinfacht. Gebühren werden überschaubar und berechenbar. Die Transparenz ist sowohl Chance (z.B. gegen Korruption, Fincrime, etc.) als auch Risiko (z.B. weil Freiheiten durch neue Kontrolle eingeschränkt werden könnten).
Megatrend Globalisierung: Solange digitale Währungen unter staatlicher Kontrolle sind, wird sich für das Fremdwährungsgeschäft wenig verändern, ausser dass es weiter zunehmen wird. Der Traum mit Bitcoin eine weltweit einheitliche Währung zu schaffen, ist mit der Einführung von CBDC's sicher nicht erreicht. Aber die digitalen Währungen könnten auch zur Chance werden, indem der internationale Handel beispielsweise mit soliden Smart Contracts deutlich sicherer gemacht werden könnte.
Der neue Lehrgang richtet sich an alle Mitarbeitenden von Banken, Vermögensverwaltern und Finanzinstituten, die mehr als nur «Halbwissen» zu diesem Thema möchten. Der Grundsatz ist, dass wir alles selber einmal gemacht haben müssen, bevor wir darüber wirklich urteilen oder berichten können. Es ist ein Studiengang für Studierende, die Spass daran haben Neues zu entdecken. Wir schauen uns insgesamt sieben neue, digitale Assetklassen an. Wir sprechen zum Beispiel mit einem NFT Künstler und lernen, wie ein solcher NFT erstellt wird, wie er gehandelt wird und wie man ihn bei sich verwaltet. Wir schauen uns auch sogenannte «tokenized Equities» an und lernen, wie diese unter anderem den Bereich Private Equity verbessern und effizienter machen können. Ein weiterer Schwerpunkt ist natürlich zum Thema CBDC geplant, dafür werden wir Gastdozenten aus China, Kanada, Singapore und der Schweiz dabei haben. In London besuchen wir dann noch einen Venture Capital Fund, der komplett auf einer DAO (decentralized autonomous organization) Infrastruktur aufgebaut ist und erfahren, wie viel einfacher die Prozesse damit werden.
Ganz ehrlich: Alle. In drei bis vier Jahren werden wir alle mit den neuen digitalen Geldanlagen konfrontiert sein. Und es ist klar ein Vorteil, wenn man als Arbeitnehmer in der Finanzindustrie nachweisen kann, dass man zu diesem Thema bereits Fachwissen mitbringt.
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