Aktuell | 1. März 2023
Die Digitalisierung in ambulanten Gesundheitspraxen bietet Chancen zur Optimierung und Qualitätssteigerung im täglichen Arbeitsablauf. Damit bleibt mehr Zeit für Patientinnen und Patienten. Wir müssen uns in der Schweiz mit diesem Thema endlich befassen, um den Anschluss international nicht zu verlieren. Ein Beitrag von Pascal Brack, Gastdozent im CAS Platforms & Ecosystems HWZ, in der aktuellen Ausgabe der Schweizerischen Ärztezeitung SÄZ.
Dieser Artikel erschien am 22. Februar 2023 als Erstpublikation in der Printausgabe der Schweizerischen Ärztezeitung. Es handelt sich daher um eine Zweitpublikation.
Im internationalen Vergleich mit 17 Ländern, findet man die Schweiz auf Rang 14 (Digital-Health-Index der Bertelsmann Stiftung) [1]. Auch in andere Studien von Deloitte [2] oder «digitalswitzerland» [3] sieht der Digitalisierungsgrad im Schweizer Gesundheitswesen nicht besser aus. Mit der Pandemie ist es jedoch allen in der Schweiz klar geworden: Das Gesundheitswesen der Schweiz muss in der Digitalisierung agiler werden und sich deutlich schneller bewegen. Andere Branchen wie der Einzelhandel, die Reise- oder Versicherungsbranche sind diesbezüglich viel weiter vorangeschritten. In diesen Branchen sind digitale Plattformen und Ökosysteme seit Jahren sehr gut etabliert. Das Geschäft wurde dadurch für alle Beteiligten mit durchgehend digitalen Arbeitsabläufen massiv vereinfacht und stark beschleunigt - viele Fehlerquellen menschlicher Arbeitsschritte wurden eliminiert. Warum trifft man die Schweiz bei den renommierten internationalen Vergleichen im Digital-Health-Index des Gesundheitswesens immer auf den hinteren Plätzen an? Liegt es daran, dass wir sehr stark subsidiär und föderalistisch aufgestellt sind? Liegt es an unserer direkten Demokratie, verbunden mit der Gefahr von Referenden mit Veto-Potential, welche am Schluss immer zu einem schweizerischen Kompromiss führen?
Das sind Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind. Klar ist: Sämtliche Akteure im Gesundheitswesen der Schweiz müssen in Zukunft einfacher, sicherer und digitalinteroperabel untereinander funktionieren. Mehr Interoperabilität fordern bereits der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), aber auch die EU-Politik, unter anderem mit neuen Gesetzen bei Messenger-Diensten. Genau das benötigen wir im Gesundheitswesen. OpenBanking steuert schon heute in diese Richtung und versucht, mit der Verwendung von offen zugänglichen Schnittstellen als Herzstück, Reibung zu verringern. Bereits heute gibt es diverse internationale Standards, die einen digital standardisierten Austausch und die Interoperabilität im Gesundheitswesen ermöglichen. Jeder Akteur im Schweizer Gesundheitswesen hat ein Interesse, sich einfach mit anderen zu vernetzen.
Was bedeutet dies nun für die in der Schweiz ambulantpraktizierende Ärztinnen und Ärzte? Wir wissen, dass es im Land mehr als 70 unterschiedliche Praxis-Informations-Systeme (PIS) gibt. Wie genau soll nun die Digitalisierung erfolgen? Wird nun jedes dieser Systeme einzeln angeschlossen, für jedes PIS einen Anschluss an das elektronische Patientendossier (EPD) generiert? Kann das funktionieren? Und wie lange dauert eine solche schweizweite Integration sämtlicher am Ökosystem beteiligten Informatik-Systeme?
Als ich meine Ärztin fragte, warum ich bei Ihr online keine Termine buchen kann, sagte sie mir: «Weil mir für die Anbindung an mein PIS eine Offerte von 19 000 Franken gesendet wurde. Wissen sie, wie viele Patientinnen und Patienten ich gemäss TARMED dafür untersuchen muss?» Dieses Beispiel zeigt, dass das Bedürfnis nach digitalen Lösungen durchaus vorhanden ist, es jedoch einfache und bezahlbare Informatik-System-Lösungen braucht, damit diese flächendeckend eingesetzt werden. Ärzte sollen sich nicht mit der Einrichtung und Sicherheit der Praxis-Infrastruktur, Schnittstellen und Informatik-Standards herumschlagen müssen. Applikationen müssen benutzerfreundlicher, intuitiver und durchgehend interoperabel werden. Dann werden Arbeitsabläufe in der Praxis so unterstützt, dass sie das schweizweite Gesundheitssystem entlasteten.
Entlasten Sie Ihren Empfang mit elektronischen Terminen und elektronischen Patientenanmeldungen.
Reduzieren Sie manuelle Arbeitsschritte, wie Ausdrucken und Scanning auf ein Minimum.
Wechseln Sie auf eine moderne Praxis-Software mit ausgereiftem Funktionsumfang, welche die wichtigsten digitalen Anschlüsse nahtlos integriert (elektronisches Labor, elektronische Kollaboration, Picture Archiving and Communication System (PACS), EPD usw.)
Testen Sie die Möglichkeit von Videokonsultationen, um selber Erfahrung zu sammeln.
Prüfen Sie die digitale Kompetenz Ihres Informatik-Partners, Sie benötigen hier einen verlässlichen Partner, der die Gesundheitsbranche kennt.
Prüfen Sie Mietmodelle, um zukünftig grosse Informatikinvestitionen zu vermeiden.
Wenn Sie Ihr Informatikbudget rechnen und Informatik-Lösungen vergleichen, berücksichtigen Sie auch eine Kosten-Nutzen-Analyse (wie viel Zeit und damit Geld sparen Sie mit der Praxis-Software A oder B für ihre relevantesten Arbeitsabläufe?).
Halten Sie sich an die 11 Empfehlungen der FMH-Minimalanforderungen für den IT-Grundschutz und fordern Sie diese von Ihrem Informatik-Partner.
Am Anfang einer digitalen Gesundheitspraxis steht eine einfache und intuitive Praxis-Software mit möglichst vielen standardisierten Schnittstellen. Dazu dient, als wichtige Grundlage, eine sichere und stabile Informatikinfrastruktur, die jeden Tag zuverlässig im Einklang mit der Praxis-Software und allen Medizinalgeräten effizient ihre Dienste erbringt. Einige wenige Praxissoftware-Anbieter können bereits heute zentral Services aus ihrer eigenen Swiss-Health-Cloud sicherstellen. Damit können jedem Leistungserbringer praktisch auf Knopfdruck die bereits angeschlossenen Labore, Röntgenbilder, elektronischen Zuweisungen, elektronischen Termine, elektronischen Patientenanmeldungen, Videokonsultationen und auch das elektronische Patientendossier zur Verfügung gestellt werden. Damit die Schweiz hier einen grossen Schritt weiterkommt, benötigen wir solche Praxis-Software, Plattformen und offene Ökosysteme, die die schweizweite Vernetzung fördern und gemeinsam das Gesundheitssystem weiterbringen.
Literatur: Vollständige Literaturliste unter www.saez.ch
Am Institute for Digital Business HWZ ist Pascal Brack als Gastdozent im CAS Platforms & Ecosystems für den Fachbereich Digital Health verantwortlich. Der diplomierte Informatiker mit Executive Master-Abschluss hat über 20 Jahre internationale und nationale Berufserfahrung in Digitalisierungs- und IT-Projekten bei führenden Multinationalen- und Schweizer-Unternehmungen. Dies in den unterschiedlichsten Branchen.
Hauptberuflich arbeitet er heute als Exec. Digital Transformation Manager bei der Schweizer Post für Digital Health. Seit 2022 doziert er an der HWZ im CAS Platforms & Ecosystems Studiengang. Seine Freizeit verbringt er vorzugsweise im und auf dem Wasser oder bei eine Tour mit dem Fahrrad. Er liebt es Gäste mit einem frischen Tiramisu und dazu einem «La Pavoni Espresso» zu verwöhnen.
HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich Lagerstrasse 5, Postfach, 8021 Zürich kundencenter@fh-hwz.ch, +41 43 322 26 00
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