Aktuell | 16. Oktober 2025

«Entwicklung entsteht im Dialog» – Was Führung heute erfordert

Die stärksten Aha-Momente entstehen nicht im Lehrbuch, sondern im Spiegel. Prof. Dr. Claude Siegenthaler begleitet Führungskräfte auf ihrer Reise zu mehr Selbstwirksamkeit. Im Interview erzählt er, wie Entwicklung gelingt, warum echte Veränderung Gänsehaut auslöst – und wieso Mut zur Offenheit belohnt wird.

Emba Dl Claude Siegenthaler

Claude, wie bist du zum Thema Personal Development gekommen – und warum begeistert es dich bis heute?

Seit dem Gymi bin mein ganzes Leben in Führungsrollen engagiert – sozusagen immer «Chef» – und habe früh gelernt, wie wichtig es ist, eigene Grenzen zu verschieben und an Herausforderungen zu wachsen. Besonders gut gelingt das nicht allein, sondern in Gemeinschaft. Genau deshalb habe ich begonnen, als Professor eine Didaktik zu entwickeln, die Persönlichkeitsentwicklung wirkungsvoll ermöglicht.

Gibt es eine prägende Erfahrung aus deiner Arbeit als Coach, die deinen Ansatz nachhaltig beeinflusst hat?

Ich war überrascht und berührt, als man mich ungefragt als «Learning Designer» und später «Coach» angesprochen hat. Ich habe nämlich keine formale Ausbildung dazu, sondern alles in meinen Organisationen und Lehrformen sozusagen im Tun entwickelt. Heute begeistert mich am meisten, wenn unsere Studierenden selbst über ihre Entwicklung staunen und zweifelsfrei grosse Schritte in ihrer Wirksamkeit machen. Das ist jeweils ein Gänsehaut-Moment!

Warum ist Persönlichkeitsentwicklung aus deiner Sicht ein Schlüsselfaktor für Führung im digitalen Zeitalter?

Früher ging man an die Uni, um Wissen zu erlangen. Heute reicht das nicht mehr – Können ist gefragt. Gerade in Führungsrollen bedeutet Digitalisierung nicht nur technologischen Wandel, sondern vor allem die Fähigkeit, Menschen zu entwickeln und zu coachen.

Weil Wissen und Können sich noch nie so rasch verändert haben, gilt es, Organisationen zu befähigen, sich stetig immer wieder neu zu transformieren. Das macht Personal Development zu einer entscheidenden Kompetenz.
Prof. Dr. Claude Siegenthaler, Modulleiter «Personal Development» EMBA Digital Leadership HWZ

Viele Führungskräfte investieren stark in Fachwissen, weniger in Selbstentwicklung. Woran liegt das und wie kann man das ändern?

Ich mache glücklicherweise die Erfahrung, dass die Selbstentwicklung gerade von denjenigen Führungskräften gesucht wird, die verstanden haben, was das digitale Zeitalter eigentlich bedeutet: stetiges Lernen und Verändern. Noch vor zehn Jahren wäre unser Programm kaum auf Interesse gestossen – heute gibt es zunehmend «Nachahmer», weil immer mehr Führungskräfte diese Notwendigkeit erkennen. Das freut mich sehr!

Welche Rolle spielen Tools wie das 360°-Feedback oder das Learning Diary im Modul?

Eine Schlüsselerkenntnis meiner Arbeit ist: Development is conversational.
Prof. Dr. Claude Siegenthaler, Modulleiter «Personal Development» EMBA Digital Leadership HWZ

Das war schon immer so: im Dialog mit anderen oder mit uns selbst (Stichwort: Reflektion) erkennen wir, was Entwicklung nötig macht und welche Potenziale noch erschlossen werden wollen. Damit arbeiten wir sowohl im Klassenzimmer (Peer-Learning und Feedback), im Lerntagebuch (mit auf das Programm abgestimmten Fragen) und indem wir das Feedback des professionellen oder privaten Umfelds (360°-Feedback) einsetzen.

Das bringt enorme Klarheit und gerade durch die Vielfalt der Betrachtungen kann ein wirkungsvolles Lernfeld erzeugt werden. Das «Selbst-Bewusstsein» wird sozusagen «entwickelt». 

Was, wenn Teilnehmende mit kritischem oder unerwartetem Feedback konfrontiert werden?

Wir schaffen eine Kultur für konstruktives Feedback und das darf – ja muss manchmal – deutlich und direkt sein. Und es kann durchaus auch unerwartet sein, niemals aber respektlos. Falls doch, schreiten wir ein. So entsteht ein Raum, in dem Entwicklung möglich wird.

Gibt es eine Methode, die du besonders gerne einsetzt?

Als Coach offeriere ich Methoden und arbeite individuell. Jeder Mensch steht an einem anderen Punkt im Leben und im Beruf. Eine Methode, die oft gewählt wird, ist die 30-Tage-Challenge. Sie hilft, Verhaltensveränderungen konkret im Alltag zu verankern – und wirkt erstaunlich nachhaltig.

Welche drei Fragen sollte sich jede Führungskraft regelmässig stellen, um sich selbst weiterzuentwickeln?

  1. Welche Wirkung habe ich? Die Frage sollte man nicht nur sich selbst, sondern vor allem seinem Umfeld stellen!

  2. Was kostet mich Energie, was gibt mir Energie? Um entsprechend zu handeln und damit langfristig Freude und Gesundheit – und somit auch Erfolg – zu sichern.

  3. Habe ich den Mut und das (Selbst-)Vertrauen, in jeder Situation mich selbst, d. h. authentisch, zu sein? Und bin ich in einem Umfeld, in dem ich genau deshalb besonders viel bewirken kann – weil Authentizität Vertrauen schafft?

Gibt es eine Gewohnheit oder Routine, die du allen ans Herz legen würdest?

Ich empfehle und praktiziere eine Haltung, die Konflikte als Ressource sieht, die jede Führungskraft unbedingt nutzen, statt vermeiden sollte. Wer Konflikte früh erkennt, angeht und respektvoll löst, schafft immer Verbesserungspotential oder verhindert Schlimmeres. Dazu ermutige ich.

Was wünschst du dir, dass Teilnehmende aus dem Modul Personal Development langfristig mitnehmen?

Ich bin diesbezüglich wunschlos glücklich: Fast alle Teilnehmenden geben dem Modul rückblickend das Feedback, dass sie für sich erkannt haben, worauf es in ihrer weiteren Entwicklung als Führungskraft ankommt und sie den Mut haben, diese Reise weiter fortzusetzen. Und das tun sie auch auf beeindruckende Weise – fragt einfach unsere Alumni!

Und zum Schluss: Was gibst du neuen Teilnehmenden mit auf den Weg?

Je offener und persönlicher du dich einbringst, desto mehr bekommst du zurück. Unser Setup belohnt Mut, Echtheit und Lernbereitschaft – und die Wirkung davon ist grossartig.  

Herzlichen Dank, Prof. Dr. Claude Siegenthaler, für die wertvollen Impulse, die Lust auf Weiterentwicklung machen.