Forschung | 6. November 2025

EU-Sanktionsumgehung: Handlungsempfehlungen von Florian Hungerbühler für Schweizer Versicherungen

Die HWZ präsentiert jährlich eine Auswahl der besten Abschlussarbeiten in Form eines «Best of Bachelor Theses» Booklet. In seiner Bachelorarbeit im Bachelor Betriebsökonomie HWZ untersuchte Florian Hungerbühler, wie die EU-Sanktionen gegen Russland über Drittstaaten umgangen werden. Wie es dazu kam und was seine Analyse ergeben hat, erzählt er im Interview.

Headerbild Bestof Bachelor Theses Florian Hungerbühler

Wer ist Florian Hungerbühler?

Best of Bachelor Theses Steckbrief Florian Hungerbühler

Über seine Abschlussarbeit

  • Thema: Umgehung von EU-Sanktionen: Eine Analyse am Beispiel der Exporte nach Russland, Kasachstan und Kirgistan sowie Handlungsempfehlungen für Schweizer Versicherungen zur Erweiterung des Compliance Frameworks

  • Betreuungsperson: Dr. iur. David Wicki-Birchler, LL.M.

  • Note: Für die Beleuchtung dieses hochaktuellen Themas und die Umsetzung erhielt er für seine Arbeit die Bestnote 6. 

Lieber Florian, herzliche Gratulation zur «Best of Bachelor Theses» Würdigung! Um was geht es in deiner Abschlussarbeit zum Thema Umgehung von Saktionen?

Vielen Dank! In meiner Arbeit habe ich untersucht, wie die EU-Sanktionen gegen Russland umgangen werden – insbesondere über Drittstaaten wie Kasachstan und Kirgistan. Ich habe Handelsdaten analysiert und Interviews mit Compliance-Verantwortlichen von Schweizer Versicherungen durchgeführt. Ziel war, herauszufinden, welche Risiken dadurch entstehen und wie Versicherungen ihr Compliance-Framework anpassen können, um solche Umgehungen besser zu erkennen und zu verhindern.

Auf welchen Teil deiner Thesis bist du besonders stolz und warum?

Besonders stolz bin ich auf die quantitative Datenanalyse. Die Auswertung der Handelsdaten war aufwändig, hat aber gezeigt, dass sich die Handelsströme nach Einführung der EU-Sanktionen deutlich verändert haben. Dadurch konnte ich empirisch aufzeigen, dass Drittstaaten wie Kasachstan und Kirgistan tatsächlich eine zentrale Rolle bei der Umgehung der Sanktionen spielen – das war für mich ein spannendes und greifbares Ergebnis.
Florian Hungerbühler, Absolvent Bachelor Betriebsökonomie HWZ

Was hat dich dazu inspiriert, dieses Thema zu wählen?

Das Thema Wirtschaftssanktionen fand ich schon immer spannend – vor allem, weil sie ein starkes politisches Instrument mit enormen wirtschaftlichen Auswirkungen sind. Seit Beginn der Invasion Russlands in die Ukraine verfolge ich die Entwicklungen rund um die Sanktionen intensiv. Da ich auch beruflich in diesem Bereich tätig bin, lag es nahe, dieses aktuelle und praxisrelevante Thema aufzugreifen und zu untersuchen, wie sich Sanktionen tatsächlich auf Handel und Compliance-Praxis auswirken.

Was waren für dich die grössten Erkenntnisse aus deiner Arbeit?

Wie deutlich sich die Handelsströme nach Einführung der EU-Sanktionen verändert haben. Besonders spannend: Exporte aus der EU nach Russland sind stark zurückgegangen, während sie in Drittstaaten wie Kasachstan und Kirgistan massiv zugenommen haben. Gleichzeitig wurde mir bewusst, wie komplex das Thema für Unternehmen ist und wie wichtig ein starkes, laufend angepasstes Compliance-Framework ist, um solche Risiken überhaupt erkennen und steuern zu können.

Was waren die Herausforderungen bei der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für Schweizer Versicherungen?

Die grösste Herausforderung bei der Erarbeitung der Handlungsempfehlungen war eindeutig die Komplexität der bestehenden Compliance-Frameworks. Versicherungen verfügen bereits über zahlreiche etablierte Systeme und Prozesse, die eng miteinander verknüpft sind. Neue Massnahmen oder Prüfschritte zur Erkennung von Sanktionsumgehungen lassen sich daher nicht einfach «oben draufsetzen», sondern müssen sorgfältig in die bestehenden Strukturen integriert werden.
Florian Hungerbühler, Absolvent Bachelor Betriebsökonomie HWZ

Zudem ist es schwierig, Prüfschritte zu entwickeln, die tatsächlich in der Lage sind, Sanktionsumgehungen aufzudecken. Das Thema ist relativ neu, es gibt bisher kaum etablierte Methoden oder Best Practices. Vieles basiert auf Erfahrungswerten und Einschätzungen – Unternehmen müssen erst lernen, welche Indikatoren wirklich aussagekräftig sind.

Welche Methodik hast du in deiner Bachelorarbeit verwendet, um auf deine Forschungsergebnisse zu kommen?

Ich habe eine Kombination aus quantitativer und qualitativer Methodik verwendet. Einerseits habe ich Handelsdaten aus der UN-Comtrade-Datenbank ausgewertet, um statistisch zu zeigen, wie sich die Handelsströme zwischen der EU, Russland und den Drittstaaten Kasachstan und Kirgistan seit Einführung der Sanktionen verändert haben. Andererseits habe ich qualitative Interviews mit Compliance-Verantwortlichen von Schweizer Versicherungen geführt, um zu verstehen, wie diese in der Praxis mit dem Thema umgehen und welche Herausforderungen sie sehen. Durch die Verbindung beider Ansätze konnte ich ein umfassendes Bild gewinnen – sowohl datenbasiert als auch praxisorientiert.

Die Arbeit von Florian Hungerbühler ist ein sehr gutes Beispiel für den Wissenstransfer von der Theorie in die Praxis: Er befasst sich mit einer aktuellen Regulierung – den sogenannten Russland Sanktionen – und zeigt konkret und detailliert die Auswirkungen auf die Realwirtschaft auf.
Dr. iur. David Wicki-Birchler, LL.M., Dozent und Betreuer der Thesis 

Florian, weisst du noch, weshalb du dich damals für den Bachelor Betriebsökonomie an der HWZ entschieden hast?

Ja, das weiss ich noch sehr gut. Ich wollte dazulernen und mein Wissen im Bereich Wirtschaft vertiefen. Die Module im Studiengang haben mich von Anfang an sehr interessiert. Gleichzeitig war mir wichtig, weiterhin 100 % arbeiten zu können und genau das war an der HWZ möglich. Diese Kombination aus Beruf und Studium hat für mich perfekt gepasst.

Wie hat dich das Studium an der HWZ beruflich vorangebracht? Wo standest du zu Beginn des Studiums und wo stehst du jetzt nach deinem Abschluss?

Zu Beginn des Studiums war ich als Sanctions Compliance Officer bei der UBS tätig und habe mich dort vor allem mit der Umsetzung von Sanktionsvorschriften im Bankenumfeld beschäftigt. Dank des Studiums habe ich mein betriebswirtschaftliches Verständnis erweitert und konnte mein Wissen auch auf andere Branchen übertragen. Heute arbeite ich bei der Zurich Versicherung als Senior Compliance Expert – Trade and Economic Sanctions und bin dafür verantwortlich, dass die Zurich die anwendbaren Sanktionen weltweit einhält.

Was sind deine zukünftigen Pläne? Möchtest du deine Forschung weiterverfolgen?

Ich möchte meine Karriere gezielt im Bereich Financial Crime fortsetzen und mich weiterhin intensiv mit Wirtschaftssanktionen beschäftigen. Im Rahmen meines Masterstudiums werde ich zudem meine Forschungsarbeit in diesem Bereich weiterführen und meine Expertise gezielt ausbauen.

Welchen Rat würdest du denjenigen geben, die vor der Herausforderung ihrer Bachelorarbeit stehen?

Wählt ein Thema, das euch wirklich interessiert. Du verbringst sehr viel Zeit mit der Arbeit, daher solltest du Freude an der Auseinandersetzung mit dem Thema haben, damit du motiviert bleibst. Ausserdem würde ich empfehlen, frühzeitig mit der Planung und dem Schreiben zu beginnen. Wer rechtzeitig startet, kann seine Ideen in Ruhe ausarbeiten, Rückmeldungen einholen und vermeidet den unnötigen Stress am Ende.