Aktuell | 30. Oktober 2024
Wir wagen den Blick in die Glaskugel: Ein Sieg von Harris oder Trump könnte die Finanzmärkte auf zwei sehr unterschiedliche Wege lenken. Während auf der einen Seite mögliche Zölle und Steuererleichterungen lauern, verspricht die andere Stabilität durch sozialen Fortschritt und internationale Kooperation. Was davon wird die Märkte in Atem halten – und welche Strategie sollten Anlegerinnen und Anleger wählen? Im Interview mit Costantino Lanni, Leiter Center for Financial Studies HWZ, erkunden wir das Potenzial beider Szenarien und die darin verborgenen Chancen und Risiken.
Costantino Lanni, Leiter Center for Financial Studies HWZ
Costantino Lanni, wenige Tage vor der Wahl: Wie sieht das Wahlbarometer aus?
Es ist noch zu früh für eine endgültige Beurteilung, da die Kandidierenden Kopf an Kopf liegen. Allerdings scheint das Pendel aktuell in Richtung Trump zu schlagen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er die Wahl gewinnt, liegt nun bei über 50 %, will man den Wettbüros glauben. Für Kamala Harris spricht jedoch die gute Verfassung der US-Wirtschaft. Die amtierende Regierung profitiert von Zinssenkungen und fiskalpolitischen Massnahmen, die positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage haben. Es bleibt also bis zum Schluss spannend.
Gibt es an den Finanzmärkten gewisse Indikatoren, dass die Chancen von Trump gestiegen sind?
Ja, es gibt mehrere Finanzmarktindikatoren, die auf gestiegene Chancen für Trump bei den bevorstehenden Wahlen hindeuten. Der Anstieg der Zinssätze in den letzten Tagen deutet darauf hin, dass die Märkte eine inflationäre Politik unter Trump erwarten. Ausserdem zeigt der US-Dollar Anzeichen einer Erholung, was darauf hindeutet, dass Anleger von einer robusten Wirtschaft mit höheren Zinsen ausgehen. Diese Indikatoren weisen darauf hin, dass die Märkte aktuell Trump als vorteilhaft für die wirtschaftliche Entwicklung der USA ansehen.
Die folgenden Grafiken verdeutlichen die enge Korrelation zwischen Trumps möglichen Wahlerfolgen, dem Dollar und der Zinspolitik. In der linken Grafik ist der US-Dollar-Index dargestellt, der zeigt, dass sich der USD-Index und die Wahlchancen kurz vor den Wahlen parallel entwickeln. Dies gilt auch für die zehnjährigen US-Zinssätze, bei denen ebenfalls eine verstärkte Korrelation zwischen beiden Werten zu beobachten ist.
Wie könnten ein Sieg von Donald Trump oder von Kamala Harris die Finanzmärkte und die Zinspolitik beeinflussen?
Ein Sieg von Donald Trump würde möglicherweise die bereits bestehenden Trends seiner letzten Amtszeit verstärken, insbesondere durch Zollpolitik und Steuererleichterungen. Höhere Zölle auf chinesische Importe würden diese verteuern und die Inflation wieder antreiben, während Steuersenkungen die Binnennachfrage ankurbeln könnten. Im Gegensatz dazu zielt Kamala Harris' Präsidentschaft auf soziale Investitionen in Bildung, Gesundheitswesen und erneuerbare Energien ab. Dies würde zwar die Unternehmensgewinne weniger stark ansteigen lassen, aber durch höhere Staatsausgaben die Inlandsnachfrage fördern sowie langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der USA stärken.
Was bedeutet das für die internationalen Handelsbeziehungen und für den globalen Handel?
Trump hat den Ruf, eher protektionistische Massnahmen zu fördern und ein Wahlsieg könnte neue Zölle oder Handelskonflikte bedeuten. Harris setzt hingegen eher auf eine stabilere und multilaterale Handelspolitik, die die globalen Märkte langfristig beruhigen könnte. Für Anleger bedeutet dies: Mit Trump ist eine höhere Volatilität im globalen Handel und mehr Unsicherheit wahrscheinlich, was die Marktstimmung kurzfristig belasten könnte. Falls Harris gewinnt, könnte dies dazu führen, dass die globale Zusammenarbeit stärker in den Vordergrund rückt, was tendenziell stabilisierend wirkt.
Welches Szenario ist aus Anlegersicht attraktiver?
Das hängt vom Risikoprofil der Investoren ab. Wer auf kurzfristige Gewinne aus ist und die erratische und sprunghafte Politik Trumps in Kauf nimmt, könnte von einem Trump-Sieg profitieren, da stärkere US-Wachstumszahlen und eine höhere Binnennachfrage positive Effekte mit sich bringen. Langfristig orientierte Anleger würden hingegen eher von Harris' Politik profitieren, die eine stabilere und berechenbare Wirtschaftspolitik verfolgt, sofern ihre Ansätze Wirkung zeigen. Sie hat sich klar gegen Steuererleichterungen und Zollanreize ausgesprochen und fördert nachhaltiges Wachstum, was langfristig die wirtschaftliche Stabilität verbessert. Indes sind Steuererhöhungen nicht auszuschliessen.
Welche Sektoren profitieren bei einem Sieg von Trump oder Harris?
Trumps Politik begünstigt fossile Brennstoffe, insbesondere Öl und Gas, was Anleger die Möglichkeit gibt, in Unternehmen der Erdöl- und Erdgasförderung zu investieren. Auch der Verteidigungssektor profitiert womöglich von höheren Ausgaben und Aufträgen. Zudem könnten Banken und Finanzdienstleister von Steuererleichterungen und weniger Regulierung profitieren, während Unternehmen, die durch protektionistische Massnahmen höhere Exporte und eine Stärkung der heimischen Produktion erwarten, ebenfalls attraktiv sind.
Harris' Politik könnte durch stabilere Regulierung und einen Fokus auf Innovation zu mehr Investitionen im Technologiebereich führen, während Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien, insbesondere Solar- und Windenergie, von ihren Fördermassnahmen profitieren würden. Zudem können stärkere Investitionen und Regulierung im Gesundheitswesen der Pharma- und Biotechnologiebranche zugutekommen.
Fazit
So oder so: Die Politik hat an der Börse oft kurze Beine und unabhängig davon, ob Trump oder Harris gewinnt, werden beide Kandidierenden voraussichtlich keinen fundamentalen Shift an den Märkten verursachen. Die Anleger sollten daher langfristige Trends in Zinsen und Gewinne in den Vordergrund stellen, anstatt kurzfristige politische Veränderungen überzubewerten.
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