Aktuell | 3. Mai 2023
Neben den systemischen Hindernissen gibt es auch psychologische Barrieren, die Frauen davon abhalten, Führungsrollen zu übernehmen. Dazu gehört das Gefühl, in allen Bereichen Expertin sein zu müssen, um eine gute Führungskraft zu sein. Diese Sichtweise ist längst überholt, betont Ella Stadler-Stuart, Studiengangsleiterin CAS Women Leading Digital HWZ. Vielmehr brauche es andere Kompetenzen und menschliche Fähigkeiten, um in der Technologiebranche erfolgreich zu sein. Ein Gespräch über die Gründe für den Mangel an weiblichen Führungskräften in der Technologiebranche und was Unternehmen und Gesellschaft zur Lösung des Problems beitragen können.
Ella, Frauen sind in Führungspositionen in der Schweiz nach wie vor stark untervertreten – vor allem in der Technologiebranche mangelt es an weiblichen Vorbildern. Woran liegt das?
Es gibt mehrere Faktoren, die dazu beitragen. Einige davon sind: lang gehegte Geschlechterstereotypen, unbewusste Vorurteile, mangelnde Unterstützung, Fachwissen und Vernetzung, unflexible Arbeitsbedingungen und Lohnungleichheit u.a.
Was sind die häufigsten Herausforderungen für Frauen, die eine Karriere in der Tech-Branche anstreben, und wie können sie diese überwinden?
Neben den genannten systemischen Herausforderungen gibt es auch eigene psychologische Barrieren. Habe ich das Zeug dazu? Wie kann ich mich und meine Ideen vertreten? Wer wird mich ernst nehmen? Das sind einige der Fragen, die ich immer wieder von Frauen höre. Oft müssen wir über unseren eigenen Schatten springen – und das erfordert Mut.
Welche spezifischen Fähigkeiten und Kompetenzen sind für Frauen wichtig, um in Führungspositionen im Technologiebereich erfolgreich zu sein, und wie können sie diese erwerben?
Frauen benötigen ähnliche Fähigkeiten und Kompetenzen wie Männer und umgekehrt. Einige wichtige Fähigkeiten und Kompetenzen sind: eine gewisse technische Kompetenz oder die Bereitschaft, sich diese anzueignen, Kommunikationsfähigkeit, Führungsqualitäten, vernetztes Denken, Empathie und soziale Kompetenz.
Um diese Fähigkeiten und Kompetenzen zu erwerben, können Frauen gezielte Aus- und Weiterbildungsmassnahmen in Anspruch nehmen. Frauen können auch von der Vernetzung mit anderen erfolgreichen Frauen in der Branche profitieren und von deren Erfahrungen lernen.
Wie können Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt dazu beitragen, mehr Frauen in Führungspositionen im Technologiebereich zu bringen und die Kluft zwischen den Geschlechtern zu schliessen?
Es gibt mehrere Möglichkeiten. Einige Ansätze sind: aktive Förderung einer integrativen und partizipativen Kultur, Verbesserung der Rekrutierungs- und Einstellungspraktiken, flexible Arbeitsbedingungen, z. B. flexible Arbeitszeiten, Heimarbeit und Jobsharing, Bereitstellung von Möglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung und vieles mehr. Sie wissen nicht, wo Sie beginnen sollen? Suchen Sie das Gespräch. Fragen Sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, was sie an ihrem Arbeitsplatz anders machen könnten.
Im August startet dein CAS Women Leading Digital, der sich speziell an Frauen richtet, die eine Karriere in der Technologiebranche anstreben. Leider gibt es immer noch viele Missverständnisse, wenn von weiblicher Führung die Rede ist. Welches sind die grössten?
Ein grosses Missverständnis in diesem Zusammenhang ist, dass Frauen in ALLEM Expertinnen sein müssen, um gute Führungskräfte in Technologieunternehmen zu sein. Das ist erstens unrealistisch. Zweitens wird vergessen, wie wichtig transferierbare Fähigkeiten wie vernetztes Denken, Kommunikation und Empathie sind. Zudem zeigt uns die Entwicklung der künstlichen Intelligenz, dass viele technische Berufe bald durch künstliche Intelligenz ersetzt oder unterstützt werden, so dass es kein Beinbruch mehr ist, nicht programmieren zu können. Menschliche Fähigkeiten werden hingegen nicht an Bedeutung verlieren.
Wie können wir diese Missverständnisse aus der Welt schaffen?
Es hilft, offen und wertfrei über Missverständnisse zu sprechen (denn irgendwo muss das Narrativ ja herkommen, nämlich aus der Gesellschaft), auch über lang gehegte Tabus und Stereotype über Frauen in Führungspositionen. Hier ist es wichtig hinzuzufügen, dass Stereotype auch für Männer schädlich sind, z. B. Macho, Nerd, muss 100% arbeiten. Positive Vorbilder, an denen wir uns orientieren können, sind ebenfalls sehr wertvoll, und deshalb wollen wir mehr Frauen ermutigen, in den Technologiesektor einzusteigen.
Du sprichst es an. Du willst mit deinem Studiengang einen Beitrag dazu leisten. Erzähl mal: Wie ist der Studiengang aufgebaut? Worauf können sich die Teilnehmerinnen sich freuen?
Der 6-monatige, berufsbegleitende Studiengang ist spezifisch auf Frauen ausgerichtet, die eine Karriere im Tech-Bereich anstreben, etwas bewirken wollen und gerade auch für Quereinsteigerinnen geeignet. Spannende Themen wie Leadership, Künstliche Intelligenz, Digitale Transformation, Digitale Geschäftsmodelle, Impact Management, Personal Branding, Medientraining u. v. m. erwarten die Teilnehmerinnen.
Vielleicht gibt es die eine oder andere, die sich diese Weiterbildung nicht entgehen lassen sollte, aber noch nicht sicher ist, ob sie sich anmelden soll. Wie überzeugst du sie?
Es ist nie «der richtige Zeitpunkt», etwas Neues zu beginnen, und es wird immer Gründe geben, es nicht zu tun. Es braucht eine gesunde Portion Mut, um an einem Pionierprogramm wie diesem teilzunehmen. Es erfordert auch Mut, eine Führungsrolle zu übernehmen! Ich sage: Seien Sie mutig, überraschen Sie sich selbst, und haben Sie keine Angst, in sich selbst zu investieren. Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen in der Technologiebranche, und ich hoffe, Sie werden eine von ihnen sein.
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