Aktuell | 5. September 2023
Die Zeiten, in welchen Konsumentinnen und Konsumenten zum Kauf von Produkten rein durch Produktetikettierungen wie «grün», «umweltschonend» oder «nachhaltig» bewegt werden konnten, sind vorbei. Die Sensibilisierung für Greenwashing steigt. Ein Gastbeitrag von Susanne Winkler, Studiengangsleiterin CAS Sustainable Controlling & ESG Investing HWZ, in der aktuellen Ausgabe des «Organisator».
Dieser Beitrag erschien als Erstpublikation im Organisator (07/08). Es handelt sich daher um eine Zweitpublikation.
Die Menschen sind zunehmend kritischer geworden und hinterfragen die betreffenden Bezeichnungen, die in der Sache oft kaum verständlich sind. Unternehmen können zukünftig ihre Produkte nur noch erfolgversprechend als nachhaltig bewerben, wenn dieser Begriff an Glaubwürdigkeit gewinnt und nicht mehr nur als werberischer Trick verstanden wird. Dieser Missstand hat das Phänomen des «Green Hushing» hervorgerufen. Unternehmen kommunizieren ihre Aktivitäten und Ziele im Bereich der Nachhaltigkeit nicht mehr oder nur sehr zurückhaltend, um so durchschaubarem Greenwashing aktiv aus dem Weg zu gehen.
Um dem inflationären Gebrauch der Begriffe rund um Nachhaltigkeit entgegenzuwirken, scheint die Schaffung von Transparenz durch zusätzliche Regulierung unausweichlich. Die Europäische Union hat als Vorreiterin im Bereich Regulierung zum Thema Nachhaltigkeit im Rahmen einer neuen Greenwashing-Verordnung die relevanten Begriffe unlängst definiert. Die Erfüllung von Voraussetzungen in Bezug auf «nachhaltig», «umweltschonend» und «grün» muss dabei wissenschaftlich belegt werden können. In der Schweiz mahlen die Mühlen bekanntermassen etwas langsamer. Der Bundesrat hat im letzten Dezember eine Arbeitsgruppe zum Thema Greenwashing im Finanzbereich ins Leben gerufen. Auf konkrete Ergebnisse aus dem Expertengremium wird noch gewartet.
In der Schweiz dürfte in naher Zukunft das Inkrafttreten des Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative schrittweise zu mehr Transparenz führen. So sind ab der Berichtsperiode 2023 Schweizer Unternehmen, welche in zwei aufeinanderfolgenden Jahren mindestens 500 Vollzeitstellen und 20 Mio. Bilanzsumme oder 40 Mio. Umsatz generieren, dazu verpflichtet, über Umwelt-, Sozial- und Arbeitgeberbelange sowie über die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung der Korruption Bericht zu erstatten. Eine Vielzahl von Unternehmen muss damit neu, gesetzlich verpflichtend, ökologische sowie auch soziale Aspekte ihrer Tätigkeit systematisch erfassen und darüber schriftlichen Bericht abgeben.
Auf in der Schweiz ansässige internationale Konzerne dürften die neuen Berichterstattungspflichten kaum Auswirkungen haben, zumal diese bereits seit Längerem deutlich strengeren ausländischen Vorschriften unterliegen und in der Folge längst über etablierte Prozesse zur entsprechenden Datenerhebung und Berichterstattung verfügen. Ähnliches kann von einer Vielzahl der hier ansässigen KMU mit internationalen Geschäftsbeziehungen erwartet werden. Zulieferer in den EU-Raum sind bereits seit Längerem verpflichtet, Angaben zu sozialen oder ökologischen Aspekten der Produktion ihrer Produkte zu machen. Dies, damit die dort ansässigen Unternehmen ihren eigenen Berichterstattungspflichten nachkommen können.
Die neuen Vorschriften verpflichten aktuell hauptsächlich grössere Schweizer KMU mit nationalem Fokus zu einem verstärkten Aktionismus, weil diese bis anhin oft keine eigenen Anstrengungen im Bereich einer nachhaltigen Unternehmensführung unternommen haben. Gründe für die angesprochenen Eigeninitiativen der Unternehmen gibt es – neben der eigenen Überzeugung bezüglich der thematischen Relevanz – einige. So hat heute eine Vielzahl von Stakeholdern einer Unternehmung verbindliche Ansprüche und Erwartungen im Bereich Nachhaltigkeit. Nicht nur stehen mittlerweile Unternehmen mit nachweisbar nachhaltigem Verhalten bessere und vor allem günstigere Finanzierungsmöglichkeiten offen. Nachhaltig agierende Unternehmen haben zum Beispiel auch einen Vorteil bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden. Die unternehmerische Relevanz dürfte aufgrund des aktuellen Fachkräftemangels, der chronische Züge trägt, weiter zunehmen.
Der zeitnahe Effort, der jetzt von in der Schweiz ansässigen Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit erbracht werden muss, ist stark von der vergangenen Auseinandersetzung mit dem Thema abhängig. Steigende Transparenz im Zusammenhang mit den unternehmerischen Aktivitäten ist aktuell unausweichlich, um die dringend notwendige Glaubwürdigkeit der unternehmerischen Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit weiter zu steigern, die einen entscheidenden Einfluss auf die globale Wettbewerbsfähigkeit hat.
Davon profitieren nicht nur die Konsumentinnen und Konsumenten. Es sind auch diejenigen Unternehmen, welche tatsächlich nachhaltig agieren und dies auch bereits nachweisen können. Eine systematische Datenerfassung mit entsprechender Berichterstattung ist deshalb ein erster wichtiger Schritt in Richtung Transparenz, um das Risiko von verdecktem Greenwashing zukünftig möglichst zu minimieren. Dieser Prozess verschafft der Diskussion rund um das Thema Nachhaltigkeit wieder eine verstärkte Glaubwürdigkeit, weil sie auf nachvollziehbaren Verbindlichkeiten basiert.
Susanne Winkler ist an der HWZ Fachreferentin, Studiengangsleiterin und Dozentin in den Bereichen Accounting, Controlling und Nachhaltigkeit.
Nach ihrem Masterstudium an der Universität Basel mit Schwerpunkt Banking, Finance und Controlling sammelte sie einschlägige Erfahrungen im Bereich der Wirtschaftsprüfung und der regulatorischen Beratung bei einem der Big Four Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Sie arbeitete in mehreren leitenden Positionen in den Bereichen interne Revision, Risikomanagement und Compliance bei unterschiedlichen Finanzdienstleistungsinstituten. Ihr breites Fachwissen gibt sie nebst ihrer Tätigkeit an der HWZ auch als Autorin, diverser Lehrmittel in Nachhaltigkeit und Finanzplanung, weiter. Ausserdem verfügt sie über eine mehrjährige didaktische Ausbildung.
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