Aktuell | 25. Juni 2024
Im November startet die erste Durchführung des CAS Responsible Leadership HWZ. Dr. Meike Wiemann-Hügler, Studiengangsleiterin, erklärt im Interview, was Responsible Leadership bedeutet und warum es heute so wichtig ist. Sie gibt Einblick in die Ziele des Studiengangs und zeigt auf, wie Führungskräfte lernen, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, um ihre Unternehmen nachhaltig und resilient zu gestalten.
Meike, wie definierst du «Responsible Leadership» und warum ist es heute so wichtig?
Im Kern bedeutet «Responsible Leadership», als Führungskraft und idealerweise auch als Kollektiv (Unternehmensführung, Unit oder Team), die Ansprüche, Bedürfnisse und Erwartungen unterschiedlicher Stakeholder während der Entscheidungsfindung zu erkennen und angemessen zu berücksichtigen (Waldman et. al, 2020). Dies bedeutet, dass man sich zunächst über die (1) ökonomischen, (2) ökologischen sowie (3) sozio-politischen Auswirkungen der eigenen Entscheidungen und Handlungen bewusst sein muss. Daraufhin wählt man – unter Rückgriff auf die eigenen Überzeugungen, Werte und Moralvorstellungen – bewusst und reflektiert Handlungsoptionen, zu denen man stehen kann.
Wichtig ist mir auch zu betonen, dass der Nutzen von verantwortungsvoller Führung nicht nur auf den richtigen Umgang mit KI beschränkt ist, sondern angesichts von Klimakrise, Wertewandel und geopolitischen Spannungen für Unternehmen wirtschaftlich als auch gesellschaftlich vielfältig ist:
Arbeitgeberattraktivität: Hochqualifizierte Fachkräfte bevorzugen in einer globalisierten und transparenten Welt Unternehmen, die ihren eigenen ethischen Ansprüchen gerecht werden. Sie suchen authentische Verantwortungsübernahme, die über oberflächliches Greenwashing hinausgeht.
Compliance & Attraktivität für Investor:innen, Partner:innen und Kund:innen: Unternehmen, die verantwortungsvolle Unternehmensführung fördern und in ihrer Unternehmenskultur verankern, sind besser aufgestellt, um aktuelle und zukünftige Richtlinien wie ESG-Reporting glaubwürdig zu erfüllen. Dies stärkt das Vertrauen von Investor:innen, Partner:innen und Kund:innen.
Engagement & Innovation: Responsible Leadership fördert einheitliches Verständnis von Verantwortung und gemeinsamen Zielen im Unternehmen. Durch eine wertebasierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit können innovative und nachhaltige Lösungen entwickelt werden.
Risikomanagement & Resilienz: Verantwortungsvolle Führung hilft, besser auf technologische, ökologische und geopolitische Risiken zu reagieren und diese zu antizipieren, indem die Anforderungen der Stakeholder reflektiert werden.
Langfristige Wertschöpfung: Verantwortungsvolle Unternehmensführung strebt eine nachhaltige Geschäftstätigkeit an, die die Bedürfnisse heutiger und künftiger Generationen berücksichtigt und eine langfristige Wertschöpfung sicherstellt.
Im November startet der CAS Responsible Leadership an der HWZ. Welche Themen werden behandelt?
Die Teilnehmenden werden sich während des kompletten CAS der Entwicklung des beschriebenen «Kompasses» für verantwortungsvolles Entscheiden und Handeln in unserer heutigen Geschäftswelt widmen.
Im ersten Modul «Self Development», das von der Universität St.Gallen (FAA-HSG) ausgerichtet wird, arbeiten wir am individuellen Kompass für verantwortungsvolle Führung. Die Teilnehmenden lernen, Handlungsnotwendigkeiten im Business frühzeitig zu erkennen und mithilfe ethischer Prinzipien sicher und integer zu entscheiden. Dabei erhalten die Teilnehmenden wissenschaftliche Perspektiven von führenden Wissenschaftler:innen aus Wirtschaftsethik/ CSR, Philosophie sowie Organisations- und Managementforschung zu verantwortungsvollem, zukunftsfähigem Handeln als Entscheidungsträger:in. In Workshops mit erfahrenden Coaches üben die Teilnehmenden am Beispiel ihrer eigenen aktuellen Herausforderungen, mit komplexen Situationen, ethisch-moralischen Fragen und Entscheidungsdilemmata sicher, integer und resilient umzugehen.
Im zweiten Modul «Collective Development» findet ein Transfer des Gelernten auf die Ebene von Organisationseinheiten statt. Basierend auf dem Konzept der «Kollektiven Exzellenz» werden die Teilnehmenden befähigt, eine vertrauensvolle, wertebasierte Zusammenarbeit in ihrem Unternehmen entstehen zu lassen und zu verankern. Sie üben, wie sie eine Vertrauens- und Wertegemeinschaft aufbauen und so «bessere», zukunftsfähige Strukturen, Prozesse, Produkte oder Dienstleistungen schaffen können. Auch hier werden wissenschaftliche Perspektiven, z. B. aus der Unternehmensethik und Organisations- und Managementforschung zum Einsatz gebracht. Ausserdem berichten Praktiker:innen, wie ihnen eine Etablierung eines kollektiven Kompasses für verantwortungsvolles Handeln gelungen ist (oder vielleicht auch nicht) und welche Wege zum Ziel führen.
An wen richtet sich der Studiengang?
Besonders interessant und unterstützend ist der Studiengang für Führungspersonen, die selbst daran arbeiten, Responsible Leadership und einen entsprechenden Kompass in ihrem Unternehmen zu etablieren. Also Gestalter:innen von ethischen Leadership Frameworks, z. B. Geschäftsführende oder Senior Manager:innen aus den Bereichen HRM, CSR, Compliance, internen Academies, Change Management oder Kommunikation. Selbstverständlich ist der CAS aber auch etwas für alle Senior Manager:innen, die ihr eigenes Handeln reflektieren und einen sicheren, integren Umgang mit Entscheidungsdilemmata üben möchten.
Wie hilft der Studiengang den Teilnehmenden, in komplexen und unsicheren Umfeldern verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen?
Die Teilnehmenden trainieren konkrete Kernkompetenzen verantwortungsvoller Führung, zunächst auf individueller Ebene, dann als Kollektiv. Im ersten Modul basieren diese Kernkompetenzen auf dem theoretischen Konzept der «Praktischen Weisheit», das interdisziplinär als Fundament verantwortungsvollen Handelns betrachtet wird. Es geht um Fragen, wie:
Standortbestimmung: Was ist objektiv «gutes», verantwortungsvolles Handeln aus Sicht der Wirtschaftsethik, z. B. aus der Brille der «Corporate Social Responsibility» Theorie und Praxis überhaupt? Wie kann ich meine eigenen Denk- und Handlungsmuster diesbezüglich erkennen, kritisch hinterfragen und daraus Entwicklungspotenziale und Handlungsnotwendigkeiten für mich selbst ableiten?
Sensibilität: Sehe und verstehe ich, welche Bedürfnisse und Ansprüche bestimmte Stakeholder haben und welche (auch ethisch-moralischen) Konflikte für mein Handeln und mich damit einhergehen?
Urteilsvermögen: Welche Ansprüche welcher Stakeholder sind denn legitim und wie kann ich wertegeleitet auch zwischen diesen abwägen?
Selbst und Wirksamkeit: Welche Handlungsoptionen habe ich zur Verfügung und zu welchen kann ich wertebasiert stehen?
Durchsetzungsstärke: Was steht meinen Handlungswünschen im Weg und welche Lösungsmöglichkeiten gibt es bzgl. dieser «Hürden»?
Tiefenreflexion: Wie und warum hat sich mein Kompass bereits weiterentwickelt?
Im zweiten Modul werden kollektive Kompetenzen verantwortungsvoller Führung vermittelt, die auf dem Konzept «Kollektiver Exzellenz» basieren.
Standortbestimmung: Was ist in meinem Fall das «Wir/Kollektiv», das Verantwortung für Produkte/Services/Strukturen/Prozesse übernimmt? Was sind dessen/unsere Denk- und Handlungsmuster? Welche Entwicklungspotenziale und Handlungsnotwendigkeiten gibt es hier?
Verbindung: In welche Beziehungen in diesem Kollektiv muss investiert werden? Wie können wir vertrauensvolle Beziehungen schaffen, um produktive Konflikte, Weiterentwicklung und Co-Kreation zu ermöglichen?
Reflexivität: Was sind gemeinsame Werte, was ist unser Verständnis von Exzellenz? Wo liegen unsere Potentiale für verantwortungsvolles Handeln und wie können wir diese nutzen?
Verbesserung: Was sind konkrete Handlungsmöglichkeiten, um gemeinsam bessere, «verantwortungsvolle» und zukunftsfähige Strukturen, Prozesse, Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln, die unterschiedlichen Anspruchsgruppen und der Gesellschaft dienen?
Nachhaltige Implementierung: Welche Rahmendbedingungen müssen wir anpassen, um neu Geschaffenes langfristig zu implementieren und zu skalieren?
Tiefenreflexion: Wie können wir gemeinsam eine solche kollektive Entwicklung hin zu verantwortungsvollem Entscheiden und Handeln stetig reflektieren und als Grundhaltung manifestieren?
Welche praktischen Fähigkeiten und Instrumente werden den Teilnehmenden vermittelt, um «Responsible Leadership» in der eigenen Organisation umzusetzen?
In einer expliziten Praxisanwendung zwischen den Präsenzmodulen, werden wir den Teilnehmenden Analyse- und Interventionstechniken an die Hand geben, die sie während der Präsenztage üben und dann im eigenen Unternehmen zwischen den beiden Modulen im Arbeitsalltag testen können. Z. B. werden sie ihre eigene «Ethical Sensitivity» und deren Entwicklung messen oder «Compassion Trainings» in ihrem Team ausprobieren können.
Wie wird die persönliche Entwicklung und Reflexion der Teilnehmenden in Bezug auf ihre eigene Führungsverantwortung gefördert?
In mehreren angeleiteten Peer-Sparrings werden die Teilnehmenden die Ergebnisse ihrer Praxisanwendung im eigenen Führungsalltag evaluieren. Ausserdem erhalten sie zusätzliches 1:1-Coaching, um die ganz persönliche Entwicklung ihres Kompasses und seine Einbettung im eigenen Unternehmen zu reflektieren.
Gibt es besondere Highlights des Studiengangs, die du uns schon verraten kannst?
Wir werden den Teilnehmenden nicht nur ein sehr gutes wissenschaftliches Fundament für unsere Inhalte bieten, sondern darüber hinaus die direkte Brücke in das Berufsleben der Teilnehmenden schlagen. Expert:innen aus der Praxis, die Erfahrungen teilen und geschulte Coaches, die durch die Workshops leiten, helfen ihnen, die theoretischen Grundlagen direkt zu üben und später in ihrem Arbeitskontext anwenden zu können. So bieten wir einen reichhaltigen Mix aus wissenschaftlichen Perspektiven und praktischen Implikationen an. Ebenso überlassen wir nicht nur Wissenschaftler:innen der Organisations- und Managementforschung die Bühne, sondern wollen in unserem CAS auch ganz betont multidisziplinäre Ansätze vermitteln. Beispielsweise werden die Teilnehmenden einen Halbtag mit der Schweizer Philosophin, Journalistin und Ethikerin Dr. Barbara Bleisch verbringen und den Umgang mit Entscheidungsdilemmata üben. Zudem werden wir die Teilnehmenden mit unkonventionellen Lern- und Trainingsmethoden überraschen. Beispielweise laden der Systemische Organisationsentwickler und Schauspieler Michael Johannes Müller und die Kunst-Designexpertin Danica Zeier die Teilnehmenden dazu ein, zu erleben, wie Erfahrungen aus Kunst und Ästhetik sie dazu bringen, die eigenen, sozialisierten Handlungsmuster zu durchbrechen.
Gerade weil diese Lösungsansätze in keinem klassischen «Management-Handbuch» stehen, freue mich persönlich auf sie ganz besonders.
Quellen: Waldman, D. A., Siegel, D. S., & Stahl, G. K. (2020). Defining the socially responsible leader: Revisiting issues in responsible leadership. Journal of Leadership & Organizational Studies, 27(1), 5-20.
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