Aktuell | 10. November 2021

Was ist «The Golden Circle»?

Wir starten eine neue Rubrik. In «Ask the Expert» stellen wir unseren HWZ-Expertinnen und Experten Fragen, die immer wieder auftauchen, aktuelle Fachbegriffe, die Erklärungsbedarf haben und das alles zu Themengebieten, die in den Studiengängen der HWZ behandelt werden. Den Anfang macht Dr. Peter Felser, Dozent unter anderem im CAS Brand Leadership HWZ. In einem ausführlichen Blogbeitrag geht er dem goldenen Kreis auf den Grund.

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Die HWZ lebt zu einem grossen Teil vom Wissen ihrer Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unserer Rubrik «Ask the Expert» stellen wir unseren HWZ-Expertinnen und -Experten Fragen aus Themenbereichen, die an der HWZ im Unterricht behandelt werden. Dabei handelt es sich um Fragen, die immer wieder auftauchen und aktuelle Fachbegriffe, die Erklärungsbedarf haben. In einem ausführlichen Blogbeitrag gehen Studiengangsleitende oder Dozierende den Fragen auf den Grund.

Vom TED-Talk zur Essenz des Marketings

«The Golden Circle» ist ein Denkmodell von Simon Sinek. Er beschreibt mit diesem Konzept, wie inspirierende Marken und Persönlichkeiten kommunizieren. Sinek stellt fest, dass alle Organisationen und Institutionen wissen, WAS sie machen. Viele von ihnen wissen auch, WIE sie es machen. Nur die wenigsten wissen allerdings, WARUM sie tun, was sie tun. Die drei Fragen WAS, WIE und WARUM stellt Sinek in drei Kreisen dar: im äussersten Kreis steht das WAS, im mittleren das WIE und im innersten das WARUM.

Sinek stellt in seinem berühmten TED-Talk und in seinem Bestseller «Start with WHY» fest, dass die meisten Marken und Persönlichkeiten von aussen nach innen kommunizieren. Sie sagen, was sie tun und wie sie es tun. Sie fangen beim Offensichtlichen an. Inspirierende Marken und Persönlichkeiten hingegen kommunizieren genau andersrum: Sie starten mit dem WARUM, sagen warum sie tun, was sie tun, erläutern die Motivation und sprechen erst später über das WIE und WAS. Damit bekommt die Geschichte einen ganz anderen Dreh und plötzlich mehr Sinn.

Der Nutzen von diesem Modell ist für die Markenführung immens. Einerseits gibt es Hinweise wie das Storytelling der Marke optimiert werden und wie die Marke inspirierender kommunizieren kann. Anderseits bekräftigt «The Golden Circle» die generelle Bedeutung der Markenmission. Bei der Mission geht es um die Frage, warum wir (als Marke oder Unternehmen) existieren und was wir für die Menschen tun. Ohne das WARUM fehlt die Existenzberechtigung einer Marke und die Basis für langfristigen Erfolg.

The Golden Circle

«The Golden Circle» von Simon Sinek

Schweizer Marken investieren zu wenig in das Warum

Mittlerweile haben mehr als 20 Millionen Menschen den TED-Talk von Sinek gesehen. Kernerkenntnis: Menschen kaufen nicht, WAS Marken tun, sondern WARUM sie es tun. Diese Erkenntnis sollte eigentlich Einfluss auf die kommerzielle Kommunikation haben. In der Schweiz dominieren jedoch nach wie vor banale WAS und WIE-Geschichten den Werbealltag.

GlobeOne untersuchte, inwiefern Schweizer Marken ihre Mission kommunizieren. 94% der untersuchten Schweizer Marken kommunizieren keine Mission. Und wer es doch tut, tut es auf sehr kleiner Flamme. Im Verhältnis zum gesamten Kommunikationsbudget investieren Marken äusserst bescheidene Summen in ihr WARUM. Das meiste Geld verschlingt die Preis- und Angebotskommunikation. Dies ist erstaunlich, da Marken mit einer klaren Mission erwiesenermassen erfolgreicher sind. Denn: Menschen suchen vermehrt nach sinnstiftenden Angeboten. Die Sinnsuche dürfte gemäss einer aktuellen Studie von BrandTrust sogar zu einem dominanten Trend werden. Der Kauf von beliebigen Produkten kann durchaus das Glücksgefühl der Menschen kurzfristig erhöhen, eine dauerhafte Erfüllung ist dadurch aber nicht zu erwarten. Glück kommt von den Dingen, die wir für uns selbst tun. Erfüllung fühlen wir dann, wenn unsere Arbeit oder unser Tun einen direkten Bezug zu unserem WARUM hat und damit immer auch andere mitberücksichtigt. Dabei ist Sinnhaftigkeit ein dehnbarer Begriff. Es muss nicht immer die ganze Welt gerettet werden! Und nicht immer geht es um Umweltschutz und Gerechtigkeit. Oft genügt es, wenn eine Haltung und ein Beitrag an etwas Grösserem spürbar werden. Menschen suchen immer mehr nach Marken mit einer klaren Haltung. Decken sich die Überzeugung von einer Marke mit der Überzeugung der Zielgruppe, so ist langfristige Loyalität möglich. Loyalität muss man sich als Marke erarbeiten. Sie kann nicht einfach über Punkte von einem – oft austauschbaren – Loyalitätsprogramm erkauft werden.

Die wahre Mission für die eigene Marke finden

«The Golden Circle» ist als Modell einfach, einleuchtend und gut nachvollziehbar. Dennoch hat die konkrete Anwendung ihre Tücken. Wie finde ich mein WARUM? Welche Vorgehensschritte haben sich in der Praxis bewährt? Sinek bietet in seinem zweiten Buch «Finde dein WARUM» konkrete Handlungsanweisungen zum Finden des WARUM, des WIE und des WAS. Die Umsetzung am konkreten Fall bleibt jedoch anspruchsvoll, da es nicht um das Finden irgendeiner gut klingender Mission geht, sondern um das Entdecken der eigenen Überzeugung und der wahren Mission für die eigene Marke. Es geht um den Kern – die DNA der Marke. Wenn wir die ersten Entwürfe des Mission-Statements betrachten, so geht es also nicht um die Beurteilung wie einzigartig dies klingt, sondern um die Frage, ob dies tatsächlich unserer Marke entspricht und wir diesen Beitrag für die Menschen tatsächlich leisten können und wollen. Eine starke Mission wird zudem erst durch konsequentes Vorleben zum Leben erweckt. Das Top-Management muss die Mission vorbildlich verkörpern. Echtes Leadership bedeutet, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter auf der Grundlage der Mission emotional ansprechen und motivieren. Dann lenkt diese auch die täglichen Handlungen der Mitarbeitenden und wird zum effizienten Führungsinstrument cleverer Leader. Mission und Unternehmenskultur sind für Veränderungen und Motivation zentral.

Dabei ist es klar: Die ganz erfolgreichen Marken der letzten 20 Jahren zeichnen sich alle durch eine inspirierende und beständige Mission aus. Beispiele gibt es genug: Google, Facebook, Amazon, Airbnb und Tesla. Alle hatten von Beginn an eine starke Mission. Und haben sie noch heute.

Beim CAS Brand Leadership an der HWZ lernen die Studierenden das Modell anzuwenden. Sie analysieren und entwickeln eigene Fallbeispiele, üben mit bewährten Tools und formulieren selbst authentische Markenmissionen. Der Markenmission kommt bei CAS Brand Leadership besondere Bedeutung zu, da sie im Zentrum ganzheitlicher Markenführung steht. Sie stellt sicher, dass alle Stakeholder wissen, wofür die Marke steht. Denn: Alle Marken, die ihre eigene WARUM-Frage nicht beantworten können, sind gefährdet. Wer selbst nicht weiss, warum es ihn gibt, muss sich nicht wundern, wenn es die anderen bald auch nicht mehr wissen.

The Expert: Dr. Peter Felser

Dr. Peter Felser doziert an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) in verschiedenen Studiengängen wie unter anderem im CAS Brand Leadership HWZ. Er unterstützt mit seiner Beratungsfirma FELSER BRAND LEADERSHIP Marken und Menschen, ihre Mission zu entdecken, damit sie sich sinnvoll und sinnstiftend weiterentwickeln können.