Aktuell | 17. Januar 2022
Die grossen Tech-Giganten setzen aktuell nicht mehr nur auf die Plattformökonomie, sondern vermehrt auf Business Ökosysteme. Doch was sind Business Ökosysteme und weshalb versuchen aktuell viele Unternehmen solche aufzubauen? Sven Ruoss, Studiengangsleiter CAS Digital Leadership HWZ, erklärt in «Ask the Expert» mehr darüber und zeigt die grossen Herausforderungen und Chancen dieses Themas auf.
Die HWZ lebt zu einem grossen Teil vom Wissen ihrer Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unserer Rubrik «Ask the Expert» stellen wir unseren HWZ-Expertinnen und -Experten Fragen aus Themenbereichen, die an der HWZ im Unterricht behandelt werden. Dabei handelt es sich um Fragen, die immer wieder auftauchen und aktuelle Fachbegriffe, die Erklärungsbedarf haben. In einem ausführlichen Blogbeitrag gehen Studiengangsleitende oder Dozierende den Fragen auf den Grund.
Dank digitalen Technologien sind in den letzten Jahren sehr dominante Plattformunternehmen wie Alphabet, Apple, Amazon, Booking, Uber, Airbnb etc. entstanden. Das Geschäftsmodell «Plattform» ermöglicht werteschaffende Interaktionen zwischen Konsumenten und Produzenten. Daher spricht man auch von zweiseitigen Märkten. Das Matchmaking von grossen Nutzergruppen wird dadurch erleichtert. Ein Merkmal von Plattformen sind indirekte Netzwerkeffekte. Auf Plattformen tendieren die Grenzkosten der Produktion gegen Null. Plattformen haben daher massive Grössenvorteile und versuchen ihr Geschäftsmodell zu skalieren. Je weniger Wettbewerber im gleichen Markt aktiv sind, desto höher ist die «Convenience» und desto geringer ist die Komplexität für die Kunden. Aus diesem Gründen entstehen natürliche Oligopole oder sogar Monopole. Die Gewinne der dominanten Player sind so gewaltig wie auch die Machtposition, aus der sie heraus agieren. Dies zeigen auch die überdurchschnittliche Performance der Plattformunternehmen an den Börsen in den letzten Jahren. Ein genauerer Blick auf diese Tech-Giganten verdeutlicht, dass eine Vielzahl von ihnen Business Ökosysteme aufgebaut haben. Business Ökosysteme generieren einen Zusatznutzen für die Marktteilnehmer. Nur schon diese Tatsache zwingt uns, das Thema «Business Ecosystems» genauer unter die Lupe zu nehmen.
In einer digitalisierten Welt verändern sich nicht nur die Kundenbedürfnisse, sondern es werden auch die Grenzen zwischen den Branchen neu definiert. Sobald die traditionellen Branchengrenzen wegfallen, wird die Zukunft in hohem Masse von Business Ökosystemen beeinflusst werden. «Business Ecosystems» orientieren sich an Themenwelten für Kund:innen wie Wohnen, Bildung oder Gesundheit und nicht an Branchen. Die meisten Unternehmen verfügen alleine nicht über das notwendige Know-how und die notwendigen Ressourcen, um diese neuartigen Wertangebote für die Kund:innen zu realisieren. Sie müssen beispielsweise neue Technologien verstehen, Know-how im Bereich Daten besitzen, umfassende Distributionskanäle bespielen können oder über Kundenzugänge verfügen.
Experten gehen davon aus, dass bis 2030 mehr als ein Drittel der weltweiten Umsätze in Business Ökosystemen erwirtschaftet werden. Die gemeinsame Leistungserbringung in Business Ökosystemen wird für Unternehmen daher überlebensnotwendig.
Business Ökosysteme sind Partnerschaften, bei denen mehrere Unternehmen miteinander interagieren, um gemeinsam einen Service bereitzustellen, den jedes Unternehmen für sich genommen alleine nicht anbieten könnte. «Business Ecosystems» verwandeln die Value Chain eines Unternehmens in ein Value Network aus mehreren Partnern. Um Mehrwert in einem Business Ökosystem zu realisieren, muss die Win-Win-Win-Formel erfüllt sein: Realisierung des Kundenwerts und Realisierung des Unternehmenswert und Realisierung der Partnerwerte. In Business Ökosystemen nutzen folglich Unternehmen die gemeinsamen Kompetenzen eines ganzen Netzwerks an Partnern, um eine einzigartige Value Proposition zu realisieren und so einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. In Business Ökosystemen gibt es in der Regel einen Orchestrator, der die Fäden in den Händen hält, zum Beispiel in der Bereitstellung einer Plattform. Dank Digitalisierung muss dieser Orchestrator nicht immer ein «Big Player» sein, sondern kann auch ein Start-up sein. Business Ökosysteme ermöglichen also, wenn man so will, allenfalls auch eine Machtablösung. Selbstverständlich sind Business Ökosysteme immer partnerschaftlich aufgebaut.
Die grösste Herausforderung beim Aufbau von Business Ökosystem liegt beim notwendigen neuen Mindset. Über Jahrzehnte wurde unsere Geschäftsdenkhaltung geprägt mit Themen wie «Langfristplanung», «Command & Control», «Hierarchien» und «Verschwiegenheit». In Business Ökosystem müssen Unternehmen nicht nur das interne Silodenken in Abteilungen und Bereichen überwinden, sondern auch mit externen Partnern auf Augenhöhe offen zusammenarbeiten. Nicht mehr das eigene Unternehmen steht im Zentrum, sondern die Kundin mit ihrem Bedürfnis. In der VUCA-Welt ist die Dynamik und Komplexität in Business Ökosystemen sehr hoch, so dass agile Netzwerktstrukturen notwendig werden, die kollaborativ zusammenwirken und vernetzt handeln. Bei einem Business-Ökosystem-Player sind Themen wie «Experimente», «Agilität», «Open Innovation», «Collaboration» und «Transparenz» von zentraler Bedeutung. Das Mindset alleine reicht noch nicht, sondern ist lediglich die Grundvoraussetzung für Business Ökosysteme. Es gilt, Produkte und Dienstleistungen mit Kundenfokus auf Ökosysteme auszurichten. Die Daten und Technologien müssen entsprechende Voraussetzungen erfüllen. Und auch Prozesse müssen entsprechend aufgegleist werden.
Unternehmen, welche bezüglich digitaler Transformation bereits weit fortgeschritten sind und daher grössere Mindset-Veränderungen bereits vorgenommen haben, sind für den Aufbau von Business Ökosystemen besser vorbereitet.
Immer häufiger geschieht die Disruption in Business Ökosystemen. Die neue Generation von Digital Leaders müssen befähigt werden, einzigartige Business Ecosystems mitzugestalten und so den Unternehmen helfen, zukünftig eine führende Rolle in Bezug auf Unternehmenswachstum einzunehmen. Denn in Zukunft wird der Grad der Disruption bei Business Ökosystem höher als bei Plattformen sein.
Sein Berufsweg führte Sven Ruoss von der Beratungs- in die Medienbranche. Seit mehreren Jahren arbeitet er hauptberuflich im Bereich Business Development bei verschiedenen Medienunternehmen in der Schweiz (Tamedia, watson, Ringier) und setzt sich für die digitale Transformation in der Medienbranche ein. Nebenamtlich ist Ruoss als Studiengangsleiter des CAS Digital Leadership HWZ und als Dozent am Institute for Digital Business der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich engagiert. Sein Betriebswirtschaftsstudium schloss Ruoss 2008 als M.A. in Marketing, Services and Communication Management an der Universität St. Gallen (HSG) ab.
In seiner Freizeit rennt er gerne Marathons. Mindestens einmal pro Jahr macht er eine digitale Diät und besteigt Berge – ohne Smartphone und ohne Internet.
HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich Lagerstrasse 5, Postfach, 8021 Zürich kundencenter@fh-hwz.ch, +41 43 322 26 00
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