Forschung | 3. Oktober 2025
Frauen sind in der Schweizer Wirtschaft gut ausgebildet und hoch motiviert – doch in Spitzenpositionen bleiben sie oft unsichtbar. Eine neue HWZ-Studie im Auftrag von Advance zeigt, wo Schweizer KMU im Bereich Gleichstellung Fortschritte machen, welche Stolpersteine bleiben und wie konkrete Massnahmen aussehen können.
Frauen machen weltweit die Hälfte der Bevölkerung – und damit auch die Hälfte des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Potenzials – aus. Trotzdem sind sie in Führungs- und Entscheidungsfunktionen noch immer deutlich untervertreten. Geht es im aktuellen Tempo weiter, dauert es gemäss Berechnungen (1) rund 140 Jahre, bis Frauen gleich stark wie Männer in Macht- und Leitungspositionen vertreten sind.
Auch in der Schweiz zeigt sich ein gemischtes Bild: Zwar ist der Anteil erwerbstätiger Frauen in den letzten 30 Jahren deutlich gestiegen, und immer mehr Frauen verfügen über einen tertiären Abschluss (2). Dennoch bleibt ihre Präsenz in Spitzenpositionen hinter diesem Potenzial zurück. Während Frauen auf Nicht-Kaderstufe fast gleich stark vertreten sind wie Männer, liegt ihr Anteil auf oberster Kaderstufe bei lediglich 23 %. Der Gender Intelligence Report (3) zeigt zudem, dass Frauen gerade in stark «schweizerisch» geprägten Unternehmen besonders selten in Führungsrollen anzutreffen sind.
Vor diesem Hintergrund hat das Center for Research & Methods der HWZ im Auftrag von Advance untersucht, wie Schweizer KMU mit dem Thema Gleichstellung umgehen und welche Massnahmen sie ergreifen. Dafür wurden 14 Expert:inneninterviews mit Führungspersonen aus verschiedenen Branchen, mehrheitlich aus der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, geführt.
Die Interviews machen deutlich, dass Schweizer KMU trotz Fortschritten weiterhin mit strukturellen und kulturellen Hindernissen konfrontiert sind. Drei Themen stechen besonders hervor: traditionelle Rollenbilder und fehlende Betreuung, männlich geprägte Branchen sowie die Verankerung von Gleichstellungszielen in den Unternehmensstrukturen.
Ein zentrales Hindernis für die Gleichstellung sind nach wie vor traditionelle Rollen- und Berufsbilder – gemäss Aussagen der Interviewpartner:innen besonders in ländlichen Regionen, wo viele KMU verankert sind. Das wirkt sich unmittelbar auf die Arbeitsrealität von Frauen aus. Fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, insbesondere zu Randzeiten oder in Notfällen, verstärken diesen Effekt zusätzlich: Frauen arbeiten dadurch deutlich häufiger als Männer Teilzeit.
Fast alle Männer [bei uns] arbeiten 100 % [...] Ich glaube, es gibt zwei Frauen bei uns, die arbeiten 100 %. Alle anderen arbeiten in einer Teilzeitkapazität.
Führungspositionen sind jedoch nach wie vor oft als Vollzeitstellen ausgeschrieben. Auch die Teilnahme an Weiterbildungsmassnahmen wird mit sinkendem Pensum schwieriger, was den beruflichen Entwicklungsspielraum weiter einschränkt. Hinzu kommt, dass Frauen häufig die mentale Last des Familienlebens tragen – etwa indem sie zu Hause bleiben, wenn ein Kind krank ist – und somit tendenziell weniger zeitliche Flexibilität und Energie für ihre berufliche Entwicklung aufbringen können als Personen ohne eine solche Verpflichtung.
Auch bestimmte Berufsbilder sind nach wie vor stark männlich geprägt, sodass Frauen in einzelnen Branchen, wie beispielsweise in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, vergleichsweise selten vertreten sind. Eine zentrale Herausforderung dieser Unternehmen besteht daher darin, Frauen überhaupt für solche Tätigkeitsfelder und insgesamt für die Branche zu gewinnen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels ist dies nicht nur eine Frage der Gleichstellung, sondern auch von strategischer Bedeutung für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit.
Wir kämpfen mit der Frage, wie wir es attraktiv machen können, dass die Frauen sich […] nicht nur für die [technischen] Berufe, sondern auch für die Branche insgesamt interessieren. Wenn ich [als technisches Unternehmen] eine Stelle als Kauffrau ausschreibe […], dann bekomme ich […] vielleicht die Hälfte der Bewerbungen im Vergleich zu einer Ausschreibung bei einer Versicherung.
Darüber hinaus ergeben sich spezifische Herausforderungen aus den Strukturen kleiner und mittlerer Unternehmen selbst. Zwar ist Gleichstellung in vielen KMU gelebter Bestandteil der Führungshaltung, doch über die gesetzlichen Vorgaben hinaus ist sie selten durch explizit formulierte Ziele oder Rollen systematisch verankert.
Der oder die CEO muss richtig eingestellt sein […], damit [die Gleichstellung] dann auch runtergebrochen werden kann auf alle anderen Führungskräfte… [...] damit [das] auch in den Köpfen verankert und so weitergelebt wird.
Viele KMU sehen Gleichstellung als wichtiges Anliegen und setzen bereits konkrete Massnahmen um – etwa flexible Arbeitszeitmodelle, inklusive Kommunikation oder die Förderung von Teilzeitarbeit. Um Frauen auch in Führungspositionen stärker sichtbar zu machen, braucht es weitergehende Ansätze. Als besonders relevant sehen die Interviewpartner:innen folgende Hebel: eine inklusive Führungskultur, alternative Karrierewege und eine gezielte Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität für Frauen.
Frauen sehen sich in KMU häufig mit der Erwartung konfrontiert, ihr Karriereinteresse aktiv und sichtbar zu zeigen. Gleichzeitig beobachten viele Führungskräfte, dass Frauen in diesem Punkt oft zurückhaltender auftreten als manche ihrer männlichen Kollegen. Für mehr Gleichstellung braucht es deshalb eine Führungskultur, die allen Menschen im Unternehmen in deren beruflichen Entwicklung mit konkreten Instrumenten chancengleich unterstützt.
Regelmässige Gespräche zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten bilden eine wichtige Grundlage für Entwicklung und Gleichstellung. Dabei geht es nicht nur darum, Leistungen und Kompetenzen zu beurteilen, sondern auch darum, das Karriereinteresse aller Mitarbeitenden aktiv anzusprechen. Wenn Sie gezielt Stärken und Entwicklungspotenzial betonen und Verantwortung übertragen – auch dann, wenn sich jemand diese noch nicht selbst zutraut – schaffen Sie wertvolle Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten. Berücksichtigen Sie die genannten Karriereziele zudem konsequent bei der Besetzung offener Stellen, damit Talente sichtbar gefördert und Chancen fair verteilt werden.
Flache Hierarchien und kleine Teams prägen KMU – und bedeuten, dass klassische Karriereleitern mit mehreren Führungsstufen nicht immer verfügbar sind, weil nur wenige Positionen existieren und diese mitunter schon besetzt sind. Um Talente dennoch zu binden und zu entwickeln, braucht es alternative Entwicklungspfade. Entscheidend ist, dass solche Wege mit einer gleichwertigen finanziellen Anerkennung verbunden sind, sodass sie für Mitarbeitende eine echte Alternative zu traditionellen Beförderungen darstellen.
Fördern Sie die Entwicklung von Talenten, indem Sie Mitarbeitenden zeitweise Einsätze in anderen Abteilungen, Funktionen oder sogar international ermöglichen. Solche Rotationen erschliessen neue Kompetenzen, erweitern den persönlichen Horizont und bereiten auf zukünftige Führungsaufgaben vor. Eine weitere Möglichkeit könnte darin bestehen, teilzeitfähige Verwaltungsratsmandate gezielt für erfahrene Fach- und Führungskräfte zu öffnen – etwa für Personen, die nach der Familienphase ihre Laufbahn wieder aktiv aufnehmen möchten.
Gerade für Unternehmen in traditionell männlich geprägten Branchen liegt ein wichtiger Ansatzpunkt darin, Berufsbilder frühzeitig positiv zu besetzen. Viele KMU setzen deswegen auf Kooperationen mit Schulen und engagieren sich in Berufsverbänden. Ebenso wichtig sind Massnahmen, die den gegenseitigen Respekt und einen kooperativen Umgang untereinander fördern, anstatt eine Kultur zu begünstigen, die Einzelkämpfer:innen und Machtspiele begrüsst.
Schaffen Sie gezielt Safe Spaces, die als geschützter Raum funktionieren, wo sich Frauen über ihre Erfahrungen austauschen und dazulernen können. In Verbindung mit beispielsweise Leadership-Trainings ermöglichen solche Safe Spaces, Führungskompetenzen aufzubauen, ohne sich ständig im direkten Vergleich mit männlichen Kollegen messen zu müssen.
Die Studie zeigt: Viele KMU unternehmen bereits konkrete Schritte, um Gleichstellung im Alltag zu fördern. Doch das Potenzial ist längst nicht ausgeschöpft. Wer Frauen gezielter entwickelt und Chancengleichheit systematisch verankert, verschafft sich nicht nur einen Wettbewerbsvorteil im Kampf um Fachkräfte – sondern leistet auch einen entscheidenden Beitrag für eine gerechtere Arbeitswelt.
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