Campus | 21. März 2023

Kaffeepause mit Andreia Fernandes

Andreia Fernandes unterrichtet im Bachelor Business Communications, ist selbstständig, hat zwei Kinder und zwei Katzen, ist enthusiastische Equalistin und Befürworterin der Portfolio-Karriere. Weshalb sie trotz ChatGPT der Meinung ist, dass «selber denken» eine der wichtigsten Fähigkeiten ist, erzählt sie uns im Interview.

Andreia Fernandes1 Web

In unserer Serie «Kaffeepause» trinken wir mit unseren Dozierenden und Studiengangsleitenden einen Kaffee oder Tee und erkunden die besten Plätze rund um die Europaallee, wo wir als HWZ zuhause sind. In dieser Ausgabe haben wir es uns leicht gemacht und den Kaffee direkt beim po' di più im Sihlhof geholt. Klar, kann der Kaffee nicht mit dem aus einer echten Barista-Maschine verglichen werden, aber es gibt andere Vorteile: Man muss nicht weit laufen, es gibt an der HWZ mittlerweile einige Rückzugsorte, wo man den Kaffee geniessen kann, bspw. im Aufenthaltsraum an der Reitergasse oder auf den Sofas im 3. und 4. Stock und preislich ist der Espresso mit CHF 2.50 einer der günstigsten in der Umgebung. 

Welches Fach unterrichtest du an der HWZ?

Derzeit unterrichte ich drei Fächer im Bachelor Business Communications: «Leadership», «Interkulturelles Management» und «Creative and Design Thinking».

Was möchtest du den Studierenden mitgeben?

In all diesen Fächern sind die zwischenmenschlichen Beziehungen sehr wichtig.

Insgeheim hoffe ich, dass die Studierenden eines Tages an mich zurückdenken oder zumindest an das, was ich ihnen vermittelt habe: nämlich Offenheit, Wertschätzung anderer Perspektiven und Akzeptanz anderer Menschen.

Welches ist dein Lieblingspraxisbeispiel im Unterricht?

Das Thema Diversität ist mir sehr wichtig. Manchmal sprechen wir im Unterricht über die medizinische Kartographierung der Vulva und wie spät das eigentlich passiert ist. Dieses Beispiel zeigt, dass wir Frauen lange gar nicht im gleichen Umfang wie die Männer existiert haben und dass es daher nicht verwunderlich ist, dass wir beim Thema Gleichberechtigung, insbesondere auch in Bezug auf Karriere, hinterherhinken.

Wie reagieren die Männer in der Studiengruppe, wenn du solche Themen ansprichst?

Ich bin Equalistin. Das heisst, ich will echte Gleichberechtigung und zwar für alle Geschlechter. Sobald sie meine Einstellung erkennen, sind sie offen im Umgang mit mir. Die heutige Zeit ist auch nicht einfach für junge Männer. Wir Frauen wissen inzwischen sehr genau, was wir wollen und was wir auf keinen Fall wollen. Wir sind uns einig, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Ich habe den Eindruck, dass die jungen Männer damit zum Teil überfordert sind und ihren «neuen» Platz finden müssen.

Was ist wichtiger: Theorie oder Praxis?

Ich finde, wir sollten den Fünfer, das Weggli und das Retourgeld wollen :) Das eine ohne das andere ist nutzlos. Es ist wie Yin und Yang – es nützt nichts, wenn wir über Modelle sprechen und diese nicht umsetzen können.

Wie funktioniert die Umsetzung bei dir im Unterricht?

Einerseits versuche ich, ihnen Aufgaben zu geben, bei denen sie allein und in Gruppen arbeiten, andererseits frage ich oft nach und lasse sie reflektieren, wie sie es in ihrem Arbeitsalltag machen.

Was ist deiner Meinung nach das wichtigste Selbstmanagement-Tool?

Ich würde bei der Basis anfangen: Die eigenen Werte kennen. Was ist mir wichtig, was stimmt für mich. Wenn man seine Werte kennt, ist es einfacher, das geeignete Tool zu finden. Beispielsweise sind für einen kreativen Menschen «To-Do-Listen» vielleicht nicht das geeignete Mittel.

Mit was beschäftigst du dich, wenn du nicht unterrichtest?

Ich habe zwei Kinder und zwei Katzen, die mich auf Trab halten. Ich glaube sehr stark an das Privileg der dualen Weiterbildung. Aktuell schliesse ich meinen CAS in Hochschuldidaktik ab, ich lese gerne, ich schwimme.

… und du bist noch selbstständig.

Genau, stimmt :) Ich habe eine Portfolio-Karriere, bei der ich einerseits doziere und andererseits selbst an Projekten arbeite, die mir liegen und mit meinen Werten entsprechen.

SEABRAND International GmbH ist der Name deiner Firma. Als ich deine Webseite besuchte, dachte ich: Sie macht alles! Du machst Projekte für Firmen, Coaching und du dozierst.

Ich habe meine Portfolio-Karriere bewusst so aufgebaut, dass ich die Themen, die ich doziere, auch weiterentwickeln kann. Beim Dozieren habe ich die Next-Generation-Perspektive, die Jungen fordern mich heraus und geben mir aber auch viele Inputs für meine Beratungstätigkeit. In der Firmenberatung geht es um die wirtschaftliche Perspektive und im Einzelcoaching wird das Ganze auf die individuelle Ebene heruntergebrochen.

Wie teilen sich deine Aufgaben prozentual auf?

Ich würde sagen dozieren 1/3, Business Projekte 1/3 und Coaching 1/3.

Um nochmals auf die Portfolio-Karriere zurückzukommen. Was macht eine Portfolio-Karriere aus und ist sie vor allem bei Frauen zu beobachten?

Dies ist bei beiden Geschlechtern zu beobachten. Bei den Männern sind es oft ältere Männer, die noch einige VR-Mandate haben. Bei den Frauen erlebe ich immer mehr, dass es aus der Not der Vereinbarkeit kommt. Und leider noch zu wenig aus Überzeugung: Das mache ich gern und das macht mir Freude.

Wie hast du dich getraut, aus der Unternehmenswelt auszusteigen und diesen Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen und auf Sicherheit zu verzichten?

Da kommt das Portfolio zum Tragen, dass man mehrere Sachen macht und nicht alle Eier in einen Korb legt. SEABRAND habe ich in nebenberuflich aufgebaut.

In welchem Land möchtest du gerne eine Zeit lang leben?

In meinem Geburtsland Portugal.

Für mich die beste Erfindung:

«Selber denken» – ich glaube, dass auch in Zeiten von ChatGPT das Bewusstsein, selbst denken zu dürfen und zu können, enorm wichtig ist.

Was ist dein «Guilty Pleasure»?

Ich werde schwach bei dunkler Schokolade.

Was ist dein heimliches Talent?

Ich kann mehrere Kaugummi-Blasen ineinander machen.

Als Kind wollte ich …

die Welt erobern.

Welchen Rat würdest du deinem 20-jährigen «Ich» geben?

Mutiger sein – mehr für meine Träume einstehen.

Wie feierst du deine Geburtstage?

Wild!

Mit welchen vier Personen würdest du gerne Nachtessen?

Michelle und Barack Obama, Angela Merkel und Miriam Meckel (A. d. R.: Professorin an der Universität St. Gallen und Herausgeberin des ada Magazins).

Was kannst du gar nicht?

Mathe, Statistik

Ein Lebensprinzip?

Nichts ist selbstverständlich – Dankbarkeits-Mindset.

Wofür bist du dankbar?

Für meine zwei gesunden Kinder.

Was steht bei dir immer im Kühlschrank?

Halloumi.

Was zeichnet die Schweizer Wirtschaft für dich aus?

Sie ist klein, aber fein und wird oft unterschätzt.

Für welche politischen Anliegen, möchtest du dich einsetzen?

Individualbesteuerung, Wirtschaftlichkeit von Kinderbetreuung und den Wert von Care Arbeit.

Was würdest du an der HWZ einführen?

Einen Ruheraum für Mediation und Yoga.

Hwz Kaffeepause Andrea Fernandes Web Beitrag 2023 03 21