Aktuell | 17. November 2023
Gerade für Jungunternehmen ist ein starkes und kompetentes Aufsichtsgremium essenziell. Doch die Rahmenbedingungen hierzulande stehen dem oft entgegen. HWZ-Dozent Max Meister erklärt in einem Gastbeitrag für das NZZ-Magazin, warum Start-ups bessere Aufsichtsgremien brauchen.
Dieser Artikel erschien als Erstausgabe im NZZ Magazin vom 4. November 2023. Es handelt sich hierbei um eine Zweitpublikation.
Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte von Startups sind derzeit im Dauerstress. Vielen Jungunternehmen geht das Geld aus, manche Gesellschaften sind überschuldet. Insgesamt sind die Anforderungen an die Aufsichtsgremien von Startups in den vergangenen Jahren gestiegen.
Wer die Zusammensetzung und die Professionalität der Teams in konkursiten Jungunternehmen analysiert, stellt fest, dass das Problem weit verbreitet ist. Der Zusammenhang zwischen einem überforderten, einseitig zusammengesetzten Verwaltungsrat und Firmenkonkursen ist dabei evident.
Das Schweizer Obligationenrecht (OR) sieht vor, dass eine Gewaltentrennung zwischen der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat stattfindet. Letzterer hat unter anderem den Auftrag, die Geschäftsleitung zu überwachen und, falls nötig, entsprechende Massnahmen einzuleiten, damit der Fortbestand der Geschäftstätigkeit gesichert ist. Diese Teilung der Aufgaben ergibt sehr viel Sinn, sofern sie richtig umgesetzt wird.
Bei einer börsennotierten Unternehmung funktioniert diese Aufgabenteilung meistens gut. Die Aktionärinnen und Aktionäre von Publikumsgesellschaften können sich erfahrungsgemäss darauf verlassen, dass ihre Interessen durch den Verwaltungsrat auf eine zielführende Art und Weise gewahrt sind.
Bei Jungunternehmen ist die Ausgangslage in der Regel anders. Die Risiken als Aktionär beziehungsweise als Investor sind grundsätzlich viel höher, da statistisch gesehen viele Startups scheitern. Es wäre also gerade hier umso wichtiger, dass sich die externen Anteilseigner auf einen kompetenten Verwaltungsrat verlassen können. Viele Verwaltungsräte von Schweizer Startups sind allerdings nicht professionell aufgestellt.
Meistens sitzen die Gründer oder ihnen nahestehende Personen ebenfalls im Verwaltungsrat, was zu einer gefährlichen Informationsasymmetrie sowie Interessenkonflikten zwischen Geschäftsleitung – oft die Gründer – und den externen Verwaltungsräten führt. Eine kritische und zwingend notwendige Auseinandersetzung zwischen Verwaltungsrat und der operativen Geschäftsführung findet somit zu selten statt.
Damit der Verwaltungsrat eines Startups seine Wirkung sinnvoll entfalten kann, ist viel Aufwand nötig. Da die Firma die Entschädigung dafür häufig nicht leisten kann, investieren die externen Verwaltungsratsmitglieder zumeist sehr wenig Zeit in die Mandate, was den oben beschriebenen Effekt der Informationsasymmetrie zusätzlich verstärkt. Im Konkursfall sind die Folgen für die Verwaltungsräte potenziell ruinös, da sie beispielsweise für nicht entrichtete Sozialleistungen persönlich, unbegrenzt und solidarisch haften.
Die wenigsten Versicherungen bieten heute Organhaftpflichtversicherungen für Startups an, wie dies bei KMU oder Grossunternehmen üblich ist. Verwaltungsräte von Startups sind also Gefahren ausgesetzt, die sie häufig gar nicht oder erst dann bemerken, wenn es schon zu spät ist.
Der Schweizer Gesetzgeber hat jüngst die Finanzverantwortung des Verwaltungsrats verschärft. Das revidierte Obligationenrecht sieht seit dem 1. Januar 2023 strengere Pflichten für die Mitglieder des Verwaltungsrats vor, wenn es um die finanzielle Lage einer Aktiengesellschaft geht. Die Verwaltungsräte müssen insbesondere laufend auf eine drohende Illiquidität des Unternehmens achten und kurze, nicht verlängerbare Fristen (90 Tage) einhalten, wenn sie im Falle einer Überschuldung Sanierungsmassnahmen ergreifen, um die Beantragung eines Insolvenzverfahrens zu vermeiden.
Eine fortlaufende Planung und Überwachung des Cashflows durch den Verwaltungsrat ist daher unerlässlich. Die Anforderungen an die Verwaltungsräte bei finanziellen Schwierigkeiten sind seit Jahresbeginn weiter gestiegen. Viele sind sich dessen nicht bewusst.
Was gilt es zu tun? Es muss sichergestellt werden, dass die externen Verwaltungsräte Zugang zu relevanten und korrekten Gesellschaftsinformationen erhalten. Nur so können sie beispielsweise ihre Aufsichtspflichten bei finanziellen Angelegenheiten gewissenhaft wahrnehmen. Es braucht überdies gerade in Startups unabhängige Verwaltungsräte, welche fair entschädigt werden und in der Lage sind, genügend Zeit für die häufig anspruchsvollen Mandate aufzuwenden. Das Ziel muss sein, möglichst kompetente Personen für den Verwaltungsrat zu gewinnen.
Mit den gegenwärtigen Rahmenbedingungen sind geeignete Personen allerdings nicht gewillt, das hohe Risiko einzugehen. Dieses Risiko gilt es mit sinnvollen Massnahmen abzufedern, denn ein starker und unabhängiger Verwaltungsrat ist im Speziellen für junge Unternehmen essenziell und garantiert den Investoren eine funktionierende Corporate Governance, also letztlich die Basis für den Unternehmenserfolg.
Max Meister, 45, ist Unternehmer und Investor. Er hat in Zürich einen Inkubator sowie anschliessend einen Venture Asset Manager aufgebaut, war an der Gründung und Entwicklung von verschiedenen Unternehmen beteiligt und gehört diversen Verwaltungsräten an. Daneben doziert er an der Hochschule für Wirtschaft Zürich im Bereich Entrepreneurship. Er ist Vater von zwei Kindern und lebt bei Zürich.
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