Aktuell | 12. April 2022
Am 7. April 2022 fand die 4. Shift-Konferenz zu digitaler Ethik erneut als «online edition» statt. Neben der Keynote der renommierten Informatikprofessorin Katharina Zweig fanden neun Breakout-Sessions mit vielen spannenden Einblicken und einem intensiven Austausch statt. Organisiert wurde die Tagung von Cornelia Diethelm, Gründerin Centre for Digital Responsibility und Studiengangsleiterin CAS Digital Ethics HWZ. Die HWZ unterstützt die Konferenz seit Beginn als Netzwerkpartnerin.
Shift 2022
Rund 180 Teilnehmende, 16 Speaker – davon 2/3 Frauen –, neun Breakout-Sessions – das war die Shift 2022. Moderiert wurde die Konferenz auch in diesem Jahr von Patrizia Laeri, Wirtschaftsjournalistin, CEO elleX und Beirätin des Institute for Digital Business HWZ, die zusammen mit Cornelia Diethelm die Einführung gestaltete. Zu Beginn wurden erste Daten zu den Teilnehmenden der Konferenz erhoben. Die Geschlechterverteilung der Teilnehmenden war 50/50. Die Altersgruppe lag grösstenteils zwischen 30 – 49 Jahren und über 60% der Teilnehmenden kamen aus der Wirtschaft. Ein vielfältiges Publikum erwartete ein ebenso diverses Angebot an Präsentationen.
Katharina Zweig, Informatikprofessorin und Leiterin Algorithm Accountability Lab an der Technischen Universität Kaiserslautern, erläuterte in ihrer Keynote die Chance und Herausforderung für Innovationen in der KI. Sie plädiert für den Wechsel von zentraler zu dezentraler Datenverwaltung. Die Idee dahinter ist, dass Daten nicht bei einzelnen Anbietern (z.B. Amazon, Google, etc.) liegen, sondern von uns Nutzer:innen in sogenannten «Trusted Data Center» freigegeben werden. Wir Nutzer:innen geben unsere Daten thematisch oder nach Unternehmens-/Forschungszweck frei oder ziehen deren Berechtigung zurück. Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder andere Nutzer greifen auf die Daten zu und werten diese aus. In Verbindung mit einem Kryptoschlüssel ist die Datenlöschung jederzeit möglich. Ein weiterer Vorteil dieser Datenspeicherung ist, dass die Daten nicht auf andere Weise wieder zusammengesetzt werden können (Deanonymisierung). Föderiertes Lernen geht Hand in Hand mit differenziertem Datenschutz. Der dezentrale Ansatz löst einige der heutigen Herausforderungen im Datenschutz und erhöht gleichzeitig die Chancen für Innovationen.
Warum ist es wichtig, dass die Datenerhebung im Rahmen der DSGVO – Datenschutz-Grundverordnung – möglich ist? Künstliche Intelligenz ist sehr datenhungrig. Je mehr verschiedene Datensätze vorliegen, desto besser wird die KI. Zudem fehlt es den heutigen Datenpools oft an Vielfalt, so dass die KI hauptsächlich von Männern mit weisser Hautfarbe «lernt». Vertrauen und Transparenz bei der Datenverwaltung sowie die Entpersonalisierung sind ebenfalls von zentraler Bedeutung. Katharina Zweig erläuterte, dass z. B. Gesundheitsdaten heute nur mit persönlicher Zustimmung für Forschungszwecke verwendet werden dürfen und für jede Studie einzeln freigegeben werden müssen. Gerade im Gesundheitssektor ist es wichtig, möglichst viele verschiedene Datenpunkte auszuwerten, um an umfassenden Therapien zu arbeiten. Diese Art der Datenauswertung wäre mit dem föderalen Lernsystem einfacher möglich, da auf viele freigegebenen Gesundheitsdaten zurückgegriffen wird. Zentral ist, ein hohes Mass an Vertrauen in die privaten Trusted Data Center aufzubauen. Die europäischen Datenhaltungscenter wären dem DSGVO unterstellt und bieten dadurch einen hohen Datenschutz. Die informationelle Selbstbestimmung schafft zudem neue Geschäftsmöglichkeiten.
Warum hat sich in den letzten Jahrzehnten das föderale Lernen nicht durchgesetzt? Katharina Zweig führt dies darauf zurück, dass diese Art der Datenverarbeitung und -haltung hohe technische Hürden (Datenleitungen, Datenspeicherung etc.) mit sich bringt, die sich erst in den letzten Jahren stark entwickelt haben. Das föderale Lernen ist heute möglich und sollte wieder in Betracht gezogen werden. Erste Ansätze sind derzeit im Gesundheitsbereich zu sehen. Jetzt ist es an der Zeit, über diesen Ansatz in grösserem Rahmen nachzudenken.
Das Spannende an der Shift sind die Breakout-Sessions. Die Teilnehmenden konnten drei der neun Breakout-Sessions besuchen. Namhafte Unternehmen wie Swisscom und Merck gaben einen Einblick, wie sie mit digitaler Ethik umgehen und welche Prozesse sie implementierten, um sicherzustellen, dass ethische Grundsätze bei der Entwicklung von KI eingehalten werden.Die Universität St. Gallen zeigte mit ihrer Forschung zu Algorithmen in der Polizeiarbeit und Strafjustiz den Status Quo. Dabei stellte sich heraus, dass digitale Bildung, digitale Kompetenz und ein gemeinsames Verständnis, was KI beinhaltet, wichtig ist. Darüber hinaus sollten Behörden und Unternehmen die von ihnen eingekauften Dienste genauer hinterfragen. Viele der diesjährigen Präsentationen beschäftigen sich stark mit dem Vertrauen in digitale Entwicklungen. Wie können wir verantwortungsvoll mit Daten umgehen, welche Zukunft erwartet uns, wie schützen wir uns und wie wollen wir zur Sicherheit unserer Daten beitragen. Ebenso Thema war die Fairness von Algorithmen. So ist das Problem bei der Erstellung von Algorithmen oft nicht technischer, sondern sozialer Natur. Transparenz bei der adressatengerechten Erstellung von Algorithmen ist die Grundlage für deren Akzeptanz. Behandelt wurde zudem die Erstellung von Medieninhalten, die mit Hilfe KI-basierter Technologien produziert werden – von assistierten Inhaltsproduktionen bis hin zu automatisierten Content-Beiträgen.
Die Shift überzeugte mit hochwertigen Beiträgen zur digitalen Ethik. Die Themen spiegelten die Sorgen und Ängste die Datenmanagement, KI und Algorithmen auslösen. Die Shift zeigt wie diese Sorgen in Chancen verwandelt werden und stärkeres Vertrauen und Wissen aufgebaut werden könnte und sollte. Wir freuen uns schon auf die Ausgabe 2023.
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