Event | 28. Juni 2023
Am 22. Juni 2023 fand die diesjährige HWZ/Darden Konferenz statt. Die renommierten Experten Prof. Rajkumar Venkatesan und Prof. Bidhan («Bobby») Parmar von der Darden School of Business gaben spannende Einblicke in die Entwicklung der künstlichen Intelligenz und beleuchteten, worauf der Fokus liegen muss, damit der Mensch nicht zu kurz kommt. Dr. Sarah Genner, HWZ, zeigte anhand des Praxisbeispiels «AlgorithmWatch» auf, welche Initiativen es in der Schweiz in diesem Bereich gibt. Abschliessend stellte Prof. Dr. Claude Meier, HWZ, Plattform-Ökosysteme mit künstlicher Intelligenz in den Mittelpunkt.
Rund 50 Personen nahmen an der Tagung «The Future of AI and Ecosystems» im Zunfthaus zur Schmiden teil. Durchgeführt wurde dieser Event mit der Darden School of Business, University of Virginia (UVA), der langjährigen Partneruniversität der HWZ. Darden ist weltweit bekannt für ihre Stärke im Bereich General Management und der starken Ausrichtung auf fallbasierte Lehrmethoden. Wir fassen die wichtigsten Erkenntnisse der vier «Impact Sessions» zusammen.
Prof. Rajkumar Venkatesan von der Darden School of Business betonte, dass künstliche Intelligenz auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen werde. Auch wenn es verschiedene Ausprägungen und Varianten geben wird, wird KI unseren Alltag weiter beeinflussen. Venkatesan wies jedoch darauf hin, dass viele Unternehmen noch nicht in der Lage seien, KI sinnvoll einzusetzen und dass es sowohl grosse Lücken als auch Potenziale gebe. Rajkumar Venkatesan ging in seinem Vortrag auf vier Fragen ein:
Prof. Venkatesan illustrierte diese Frage am Beispiel von Netflix und Disney und fragte, das Publikum, welches Unternehmen wertvoller sei. Obwohl die Mehrheit der Meinung war, dass die Bewertung von Disney höher sei, stehe Netflix derzeit bei der Bewertung besser da. Der Grund dafür seien die zahlreichen Nutzerdaten, die Netflix über die letzten Jahre sammeln konnte und dadurch eine direkte Schnittstelle zu den Kund:innen etablieren konnte. Obwohl der Algorithmus derselbe sei, so Venkatesan, seien die Daten das entscheidende Unterscheidungsmerkmal, wobei jedes Unternehmen über unterschiedlich gute Daten verfüge.
Learning: «Data is still King»!
Anschliessend verwies Venkatesan auf die Fallstudien der Washington Post und der New York Times. Die Washington Post habe nach der Übernahme durch Jeff Bezos Innovationen wie SEO-Optimierung, eine eigene KI-gesteuerte Nachrichtenplattform namens «Heliograf» sowie den KI-gesteuerten Moderator «ModBo» erfolgreich in ihr Geschäftsmodell integriert. Darüber hinaus haben sie diese Innovationen durch den Verkauf an andere Medienunternehmen monetarisiert. KI wird zur Dienstleistung: Wer früh am Markt ist, kann neue Produkte und Lösungen entwickeln und verkaufen.
Learning: «AI as a Service» lohnt sich!
Hier untersuchte Prof. Venkatesan die Auswirkungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auf die Bewertung von KI-Unternehmen. Es stellte sich heraus, dass die Einführung von GDPR kurzfristig zwar eine negative Auswirkung auf die Bewertung von Unternehmen hatte, aber kundenzentrierte KI-Akquisitionen die Bewertung positiv beeinflussten. Verbraucher haben mehr Vertrauen und sind eher bereit, ihre Daten zu teilen, wenn es klare Datenschutzbestimmungen gibt.
Learning: Datenschutzbestimmungen zahlen sich aus!
Prof. Venkatesan zeigte auf, dass KI potenziell viele White-Collar-Jobs ersetzen könnte. Er betonte jedoch, dass das Vertrauen in KI, insbesondere im Gesundheitswesen, noch fehle. Die Lösung liegt für ihn darin, Menschen durch KI-gesteuerte Systeme zu unterstützen, um ihre Aufgaben besser auszuführen.
Learning: Vergiss niemals den menschlichen Aspekt bei der Interaktion mit der Maschine!
Rajkumar Venkatesan hat 2021 das Buch «The AI Marketing Canvas» veröffentlicht, in welchem anhand einer Road Map gezeigt wird, wie Unternehmen AI erfolgreich in ihr Marketing einbinden können. Link zum Buch.
Prof. Prof. Bidhan («Bobby») Parmar, Darden School of Business, begann seine Session mit einem interaktiven Part, bei dem er das Publikum nach ihrer Faszination für die künstliche Intelligenz befragte. Die Antworten waren vielfältig, aber insgesamt überwog eine positive Einstellung. Als wichtiger Aspekt wurde der Einfluss unserer Motivation auf die Wahrnehmung von KI hervorgehoben. Wenn unsere Motivation niedrig ist, tendieren wir dazu, KI etwas negativer zu sehen. Parmar wies darauf hin, dass KI nicht wertfrei sei. Die Wahl der Werte, nach denen wir KI bewerten wollen, beeinflusst die Art und Weise, wie wir die Ergebnisse interpretieren. Es gebe immer mehrere Argumente dafür und dagegen, was gemessen werden solle.
Learning: Die Werte zeigen sich in der Wahl der Ergebnisse und der Art und Weise, wie wir sie messen!
Die zentrale Frage lautet daher: Was ist unser Ziel und warum nutzen wir KI? Die Entscheidung, wofür wir KI einsetzen, ist eine ethische Entscheidung. Es ist auch wichtig, zu berücksichtigen, welche Daten wir zur Vorhersage nutzen und welche Daten wir heranziehen. Anstatt einfach alle verfügbaren Daten abzufragen, sollten wir nur diejenigen Daten verwenden, die sinnvoll sind und uns dabei helfen, unser Ziel zu erreichen. Wir können den Fortschritt der KI nicht aufhalten und akzeptieren daher, was gegeben ist. Aber wir haben die Möglichkeit, ihn zu beeinflussen. Die Einführung von KI sollte in Teams diskutiert werden, und Stakeholder sollten über Risiken sprechen und gemeinsam Lösungen entwickeln. Parmar stellte den «AI Supply Chain» vor, der Fragebögen für Inputs, Prozesse und Outputs umfasst und bei der Entwicklung von KI-Systemen und der Berücksichtigung ethischer Aspekte helfen soll.
Learning: Jede KI-basierte Entscheidung hat eine ethische Komponente!
Dr. Sarah Genner, Studiengangsleiterin CAS New Work und Dozentin an der HWZ, ging in ihrem Referat auf die Aufgaben und Ziele von «AlgorithmWatch» ein. AlgorithmWatch Schweiz ist eine gemeinnützige Organisation, die das Ziel verfolgt, Prozesse von algorithmischen Entscheidungsfindungen zu betrachten und einzuordnen. Genner hob hervor, dass AlgorithmWatch den technologischen Fortschritt begrüsst, aber gleichzeitig einen sinnvollen Rahmen schaffen möchte. Die Organisation analysiert den Einsatz algorithmischer Entscheidungssysteme, weist auf Missbräuche und schädliche Auswirkungen hin und setzt sich für Massnahmen zur Rechenschaftspflicht ein. Ein evidenzbasierter und umfassender Diskurs ist dabei von grosser Bedeutung.
Learning: Jedes algorithmische Entscheidungsfindungssystem braucht eine «Good Governance», um potenzielle Missbräuche zu erkennen bzw. zu verhindern!
Prof. Dr. Claude Meier, Leiter des Centers for Research & Methods an der HWZ, ging zu Beginn seines Inputs auf Plattform-Ökosysteme als Formen zur Organisation wirtschaftlicher Aktivitäten ein. Er begann damit, den Bogen von natürlichen Ökosystemen hin zu Business-Ökosystemen zu erläutern. Ein Ökosystem besteht aus unterschiedlichen Unternehmen und Akteur:innen, die einzelne Komplemente zu einem Wertversprechen (Value Proposition) beitragen. Dieses Wertversprechen für eine Endnutzerin steht im Zentrum eines Ökosystems. Damit das Wertversprechen tatsächlich erstellt werden kann, ist eine professionelle Koordination der einzelnen Komplemente nötig. Durch das fokussierte Management der Beziehungen der Akteur:innen im Ökosystem können die teilnehmenden Unternehmen das Wertversprechen durch Wissensaustausch und Innovation stetig weiterentwickeln.
Ein einzelnes Unternehmen muss herausfinden und entscheiden, welche Rolle es in einem solchen Ökosystem spielen möchte, welchen wertigen Beitrag es an das Wertversprechen leistet. Es muss nicht ein eigenes Ökosystem aufbauen. Häufig werden Business-Ökosysteme technisch durch eine digitale Plattform organisiert und koordiniert. Die Plattformen bilden dann den «technologischen Kern» eines Ökosystems (Trapp et al. 2020). Die KI übernimmt in sogenannt plattformbasierten Ökosystemen verschiedene Funktionen, resp. kann von einem Plattformunternehmen angeboten werden. Neben klassischer nutzerorientierter Werbung stehen etwa Lösungen wie «Data as a Service» oder «Algorithm as a Service» im Vordergrund. Dabei werden Daten oder Algorithmen verkauft, welche von abnehmenden Unternehmen in ihrem eigenen Umfeld eingesetzt und entsprechend weiterentwickelt werden. Das abnehmende Unternehmen wird dadurch Teil des Ökosystems des Unternehmens, welches die Daten und/oder Algorithmen verkauft.
Meier betonte, dass dies sowohl strategische Chancen als auch Risiken berge, die vor einer Entscheidung genau abgewogen werden müssten. Tatsächlich gibt es auch wirtschaftlich erfolgreiche Plattform-Ökosysteme, die gänzlich ohne das Sammeln von Kundendaten auskommen. Letztlich muss sich ein Unternehmen strategisch genau überlegen, welche Rolle es einnehmen will. Rollen wie Orchestrator (Koordinator), Contributor (Ergänzer) oder Nischenanbieter kommen u.a. in Frage.
Learning: Die Rolle von KI innerhalb Business-Ökosystemen ist sehr vielfältig, variiert von zentral bis «keine Kundendaten nötig». Ein Unternehmen muss sich strategisch genau überlegen, welche Rolle es in einem Plattform-Ökosystem spielen soll und was es bedeutet, Daten und/oder Algorithmen von Dritten zu beziehen oder solchen weiterzugeben!
Claude Meier hat zusammen mit Urs Jäckli 2023 das Buch «Plattform-Ökosysteme Funktionsweise und strategische Bedeutung für Unternehmen» im Verlag SKV veröffentlicht. Link zum Buch.
Fazit: Die HWZ/Darden-Konferenz 2023 bot spannende Einblicke in die Welt der Künstlichen Intelligenz. Die Diskussionen drehten sich um die Bedeutung von Daten, neue Geschäftsmodelle, Datenschutzbestimmungen, die Rolle von Organisationen wie «AlgorithmWatch» sowie KI-basierte Plattform-Ökosysteme. Es wurde deutlich, dass KI eine starke Kraft ist, die sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt. Es liegt an uns, die Entwicklung von KI aktiv zu gestalten und gemeinsam die besten Lösungen zu finden.
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