Forschung | 15. Dezember 2022
Das Wirken von Unternehmen betrifft nicht nur die Kunden und Mitarbeitenden, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes. Dieser Verantwortung werden sich Unternehmen immer mehr bewusst. Gelingt es ihnen diese Verantwortung erfolgreich wahrzunehmen, profitieren Unternehmen und ihre Stakeholder langfristig davon. Unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin, Ramona Demasi, hat sich in ihrer Dissertation dem Thema CSR (Corporate Social Responsibility) und dessen Einfluss auf das individuelle Wohlbefinden gewidmet.
Ramona, herzliche Gratulation zu deiner erfolgreich abgeschlossenen Doktorarbeit. Um was ging es in deiner Dissertation?
Vielen Dank! Das Thema des individuellen Wohlbefindens hat in den letzten Jahren aufgrund grossen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen im Business-Kontext stark an Aufmerksamkeit gewonnen und Unternehmen werden immer häufiger verantwortlich gemacht, sich um das Wohlergehen ihrer Stakeholder zu kümmern und gesellschaftliche Verantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) zu übernehmen.
Meine Dissertation setzt an der Schnittstelle zwischen CSR und individuellem Wohlbefinden an. Das Ziel der Dissertation war es, zu untersuchen, wie und wann CSR-Bemühungen von Unternehmen zum mentalen Wohlbefinden von Menschen beitragen und wann sie aber auch mögliche negative Auswirkungen haben können. Hierbei ging ich vom in der Forschung weit verbreiteten Verständnis aus, dass mentales Wohlbefinden nicht nur bedeutet, sich gut zu fühlen (z. B. Arbeits- und Lebenszufriedenheit), sondern auch ein Leben zu führen, welches man selbst als erstrebenswert empfindet (z. B. Sinnhaftigkeit der Arbeit und im Leben).
Die Dissertation besteht aus drei wissenschaftlichen Artikeln. Im ersten Artikel wird die bestehende Literatur zum Thema zusammengefasst, interpretiert und kritisch reflektiert. Zudem werden spezifische Empfehlungen für zukünftige Forschung vorgeschlagen. Basierend darauf wird im zweiten Artikel herausgearbeitet, wie und wann interne CSR-Praktiken (d. h. an Mitarbeitende gerichtete CSR-Praktiken) die wahrgenommene Sinnhaftigkeit der Arbeit beeinflussen. Der dritte Artikel untersucht, wie inkonsistente CSR-Informationen – z. B. wenn ein Unternehmen sich öffentlich zu CSR bekennt, aber mit negativen CSR-Schlagzeilen konfrontiert wird – von Menschen der breiten Öffentlichkeit interpretiert werden und welche Rolle individuelle Merkmale hierbei spielen. Dieser Artikel wurde in der Zwischenzeit im internationalen Journal of Business Ethics publiziert. Die anderen beiden Artikel werden zeitnah bei geeigneten Journals eingegeben.
Warum ist es als Unternehmen überhaupt wichtig, das mentale Wohlbefinden zu berücksichtigen bzw. zu fördern?
Die COVID-19 Pandemie hat u.a. das mentale Wohlbefinden der Menschen in unterschiedlichen Kontexten, wie Zuhause oder bei der Arbeit, gefährdet. Studien zeigen, dass Angstzustände und Depressionen während der Pandemie um einiges angestiegen sind. Zudem haben die diversen Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie das Stressniveau und Konflikte zwischen Arbeit und Familie erhöht. Aus Unternehmenssicht können diese betroffenen Personen irgendeiner Stakeholder-Gruppe (z. B. Mitarbeitende, Konsumenten, Lieferanten) angehören. Unternehmen haben in diesem Kontext nicht nur die Möglichkeiten, aber auch eine gesellschaftliche Verantwortung diese globalen Herausforderungen zu adressieren.
Hinsichtlich der Arbeitgeberattraktivität zahlt es sich für Unternehmen aus, das Wohlbefinden ihrer Stakeholder zu berücksichtigen. Zum einen möchten Mitarbeitende vermehrt einem Job nachgehen, der sie glücklich macht und es ihnen ermöglicht, eine gesunde Work-Life-Balance zu haben. Zum anderen suchen sie auch vermehrt nach der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit und möchten einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben. Gelingt es Unternehmen, diese Bedürfnisse zu erfüllen, zahlt sich dies nicht nur positiv für Mitarbeitende aus, sondern auch für Unternehmen, indem sie von engagierten Mitarbeitenden profitieren. Gerade in der VUCA-Welt sind engagierte Mitarbeitende zentral, um die unternehmerische Zukunftsfähigkeit zu garantieren.
VUCA ist eine Abkürzung für die englischen Begriffe volatility oder Volatilität (Unbeständigkeit), uncertainty oder Unsicherheit, complexity oder Komplexität und ambiguity oder Mehrdeutigkeit. Es beschreibt schwierige Rahmenbedingungen der Unternehmensführung.
Was sind die Key-Insights deiner Arbeit?
Key-Insight 1: Zu wissen, wie CSR-Bemühungen von Unternehmen das mentale Wohlbefinden von Menschen beeinflussen, macht den sozialen Impact von CSR messbar. Das ist ein wichtiger Beitrag für die Praxis und die Forschung, denn es gibt bisher erst wenige Messindikatoren des sozialen Einflusses von CSR.
Key-Insight 2: CSR-Bemühungen von Unternehmen können dazu führen, dass Menschen sich «gut fühlen» und «gut leben», wenn sie auf das abgestimmt sind, was den Menschen wichtig ist und was sie erwarten. Diese Einsicht unterstreicht die Wichtigkeit, dass CSR-Aktivitäten gut mit den betroffenen Stakeholdern abgestimmt sein müssen.
Key-Insight 3: Der dritte Key-Insight bezieht sich spezifisch auf die Mitarbeitenden. Die Beteiligung von Mitarbeitenden in CSR kann negative Folgen haben, wenn Mitarbeitende zu sehr absorbiert werden. Zum Beispiel kann Freiwilligenarbeit einem viel Sinnhaftigkeit vermitteln, aber dort gemachte Erfahrungen psychisch belastend sein. Ein anderes Beispiel ist, wenn eine hohe persönliche Bereitschaft hinsichtlich CSR-Projekte zu Überbelastung bei der Arbeit führt.
Welche praktischen Implikationen für Unternehmen gehen aus deiner Arbeit hervor?
1. Messe für deine CSR-Massnahme den Impact auf das mentale Wohlbefinden!
Wenn Unternehmen CSR-bezogene Massnahmen implementieren, ist es sinnvoll, sich zu überlegen, inwiefern diese Massnahme auf das Wohlbefinden betroffener Stakeholder einzahlen kann. Folgende Fragen können sich Unternehmen stellen:
Inwiefern tangiert die lancierte CSR-Massnahme das mentale Wohlbefinden unserer Stakeholder?
Welche Stakeholder sind davon besonders betroffen ?
Welche Arten von mentalem Wohlbefinden sind besonders relevant zu berücksichtigen (z.B. Zufriedenheit, Autonomie, Stolz, Sinnhaftigkeit)?
Wie kann das mentale Wohlbefinden messbar gemacht werden (Umfragen, persönlicher Austausch, Beobachtungen etc.)?
2. Kenne deine Stakeholder!
Stakeholder sind Menschen und haben ihre eigene Persönlichkeit, eigene Erwartungen und Bedürfnisse. Dies kommt auch im Arbeitsalltag und in der Interaktion mit unterschiedlichen Personen zum Ausdruck. Deshalb ist es wichtig, seine Stakeholder zu kennen und ihre Sichtweisen und Bedürfnisse zu verstehen. Dieses Wissen kann Unternehmen helfen, erfolgreich mit ihren Stakeholdern zu interagieren und zu kommunizieren und schlussendlich auch CSR-Massnahmen zu formulieren und zu implementieren, welche einen positiven Impact schaffen.
3. Frage regelmässig, wie es deinen Stakeholdern geht!
Ich erachte es als zentral, sich regelmässig nach dem Wohlbefinden der Stakeholder zu erkundigen, sei es im offizielleren Sinne durch eine Befragung, aber auch unbedingt im Alltagsgeschäft. Dies hilft, allfällige Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und auch entsprechend zu reagieren.
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Unternehmen diese Implikationen erfolgreich einführen?
Authentizität ist sehr wichtig, damit die oben genannten Implikationen erfolgreich implementiert werden können. Es braucht eine gelebte Unternehmenskultur über alle Stufen hinweg, die auf CSR ausgerichtet ist. Ansonsten können CSR-Bemühungen sehr schnell als heuchlerisch und als Marketingtool wahrgenommen werden.
Wie schätzt du das Forschungspotential ein?
Qualitative Forschung: Bisherige Forschung fokussierte hauptsächlich auf quantitative Forschungsdesigns (z. B. Umfragen, Experimente). Den Forschungsbereich mit qualitativen Forschungsdesigns (z. B. Fallstudien) zu ergänzen wäre sehr wertvoll und würde erlauben, im Detail zu verstehen, wie und wann CSR-Bemühungen auf Stakeholder wirken (vgl. Key-Insight 1). Eine Möglichkeit wäre, sich ein Unternehmen genauer anzuschauen, welches eine oder mehrere CSR-Massnahmen neu lanciert und dann mit den betroffenen Stakeholdern über die Zeit Interviews zu führen, um zu verstehen, wie sie diese Massnahmen wahrnehmen und wie es ihr Wohlbefinden über die Zeit beeinflusst.
Interne CSR-Praktiken: Der Key-Insight 2 zeigt, dass die Übereinstimmung von CSR-Praktiken mit den Bedürfnissen der betroffenen Stakeholder zentral ist, um eine positive Wirkung zu erzielen. In diesem Kontext erachte ich als grosses Forschungspotential, genauer zu untersuchen wie Unternehmen interne CSR-Praktiken gestalten können und müssen, um den Bedürfnissen und Erwartungen der Mitarbeitenden gerecht zu werden. Eine Möglichkeit wäre, die Rolle der Kommunikation vertiefter zu untersuchen.
Umgang mit negativen mentalen Folgen von CSR: Wie im Key-Insight 3 beschrieben kann eine zu hohe Bereitschaft von Mitarbeitenden gegenüber CSR auch negative mentale Folgen für sie haben. Hier stellt sich zum einen die Frage, wie Mitarbeitende und Unternehmen solche Situationen verhindern können. Welche Fähigkeiten sind von Mitarbeitenden gefragt und welche Präventivmassnahmen können Unternehmen anbieten? Zum anderen wäre es spannend zu untersuchen, was es seitens Mitarbeitende und Unternehmen braucht, um solche Situationen erfolgreich zu bewältigen.
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