Forschung | 27. August 2024

Wie kommen wir durch Multi-Stakeholder-Settings zu innovativen Lösungen?

Das Institut für Strategisches Management der HWZ erforscht kooperative Managementansätze, mit denen Unternehmen und andere Organisationen innovative Lösungen für komplexe Themen wie Klimawandel, künstliche Intelligenz oder Fachkräftemangel entwickeln können. In einem kürzlich erschienenen Fachartikel haben Sybille Sachs, Tiziana Gaito und Ramona Demasi den Prozess für erfolgreiche Multi-Stakeholder-Settings beschrieben. Mehr dazu im Interview mit ihnen.

Portrait   Tiziana Gaito, Sybille Sachs, Ramona Demasi

Im Interview mit Sybille Sachs, Tiziana Gaito und Ramona Demasi erfahren wir, wie verschiedene Interessengruppen zusammenarbeiten, um voneinander zu lernen und gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden, die viele Organisationen und Gruppen mit unterschiedlichen Blickwinkeln betreffen.

Tiziana, in eurem Fachartikel über erfolgreiche Multi-Stakeholder-Settings habt ihr die Herausforderungen (sog. «Wicked issues») analysiert, was ist dabei herausgekommen und warum sind sie so schwer zu lösen?

Tiziana: «Wicked Issues» sind Themen, die sehr komplex sind und für die es keine einfachen oder eindeutigen Lösungen gibt, weil sie in der Regel mit zahlreichen, miteinander verflochtenen Ursachen und Konsequenzen verbunden sind. Beispiele solcher komplexen Herausforderungen sind der Klimawandel, die Digitalisierung oder hier in der Schweiz auch der Fachkräftemangel. Die Herausforderung liegt darin, dass eine Organisation allein diese Herausforderungen nicht lösen kann. Es braucht die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Akteuren – von Unternehmen über Nichtregierungsorganisationen bis hin zu lokalen Gemeinschaften. Diese jedoch vertreten oft sehr unterschiedliche Perspektiven für ein solches Thema. Dies macht es zusätzlich herausfordernd, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Es braucht also innovative Ansätze, um solche Themen anzugehen, und genau hier setzen Multi-Stakeholder-Ansätze an.

Was versteht man unter einem Multi-Stakeholder Setting, Sybille?

Sybille: Bei einem Multi-Stakeholder Setting werden verschiedene Stakeholder (z. B. Unternehmen, Organisationen, Gruppen oder auch Einzelpersonen) zusammengebracht, die von einem bestimmten komplexen Thema betroffen sind oder dieses beeinflussen können. Das Besondere an diesem Ansatz ist, dass alle Teilnehmenden als gleichwertige Partner:innen betrachtet werden, auch wenn sie unterschiedlich wirtschaftlich oder politisch mächtig sind. Zentraler Bestandteil eines erfolgreichen Multi-Stakeholder Settings ist eine neutrale, moderierende Person, die den Prozess begleitet und den Dialog moderiert. In diesem Prozess arbeiten die teilnehmenden Stakeholder über einen längeren Zeitraum zusammen, um innovative Lösungen zu entwickeln, die den unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnissen gerecht werden.

Wichtig ist dabei, dass alle Teilnehmenden voneinander lernen und gemeinsam neue Wege finden.
Sybille Sachs, Leiterin Institut für Strategisches Management, HWZ

Ramona, wie fördert ein solcher Ansatz Innovationen?

Ramona: Innovation entsteht in Multi-Stakeholder Settings durch das gemeinsame soziale Lernen. Die Multi-Stakeholder Setting bewirken, dass die Teilnehmenden nicht nur Informationen austauschen, sondern auch durch die Auseinandersetzung mit den Themen und den Perspektiven neue Erkenntnisse gewinnen. Dieser Prozess führt zum sozialen Lernen, wenn die Teilnehmenden ihre Perspektiven durch die gemeinsame Auseinandersetzung erweitern und dadurch neuartige Lösungen entwickeln. Besonders wichtig ist dabei der Dialog: Die Teilnehmenden sollen ehrlich miteinander kommunizieren, ihre unterschiedlichen Perspektiven aktiv in den Innovationsprozess einbringen und auch offen gegenüber anderen Sichtweisen sein.

Welche Schritte sind notwendig, um in einem Multi-Stakeholder Setting erfolgreich zu innovieren?

Sybille: Ein erfolgreiches Multi-Stakeholder Setting beinhaltet vier wesentliche Phasen:

  • Phase 1: Zuerst müssen die relevanten Stakeholder und die zentralen Herausforderungen identifiziert werden. Es ist wichtig, alle betroffenen Organisationen, Gruppen und Personen frühzeitig einzubeziehen und gemeinsam klare Regeln für die Zusammenarbeit zu definieren.

  • Phase 2: Danach geht es darum, die konkrete gemeinsame Herausforderung und möglichen Lösungen gemeinsam zu erkunden. In diesem Schritt wird ein tiefes Verständnis für die verschiedenen Ursachen, Konsequenzen und Interessen im Zusammenhang mit dieser Herausforderung entwickelt.

  • Phase 3: Dieses gemeinsame Verständnis bildet dann die Grundlage, auf welcher mögliche Lösungsansätze diskutiert und konkretisiert werden. Anschliessend erfolgt die Umsetzung der entwickelten Lösungen. Dabei ist wichtig, dass diese nicht nur unter den Teilnehmenden des Prozesses akzeptiert werden, sondern auch in die jeweiligen Organisationen integriert werden.

  • Phase 4: Schliesslich werden die umgesetzten Lösungen evaluiert und kontinuierlich verbessert.

Bei der Umsetzung gibt es einige Herausforderungen, was sind die grössten?

Tiziana: Eine grosse Herausforderung ist, dass die teilnehmenden Stakeholder häufig unterschiedliche Werte und Interessen haben, die zu Konflikten führen können. Wenn diese Konflikte nicht gelöst werden, kann dies dazu führen, dass einzelne Stakeholder aus dem Prozess aussteigen. Dies kann unter Umständen den gesamten Innovationsprozess gefährden. Aus diesem Grund ist es hilfreich, wenn die oder der neutrale Moderator:in neben Moderations- auch über Konfliktlösungskompetenzen verfügt.

Ramona, welche Rolle spielt das Wohlbefinden der Stakeholder in diesem Prozess?

Das Wohlbefinden der Teilnehmenden ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Multi-Stakeholder Settings. Wenn die Teilnehmenden das Gefühl haben, offen sprechen zu können und dass ihre Perspektive ernst genommen wird, steigt die Bereitschaft, sich aktiv in den Prozess einzubringen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. 
Ramona Demasi, ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin, HWZ

Umgekehrt kann ein negatives Wohlbefinden – etwa durch Unsicherheit oder Stress – den Innovationsprozess behindern. Auch hier spielt die neutrale Moderation eine zentrale Rolle, indem sie den Teilnehmenden einen sicheren psychologischen Rahmen im Prozess bietet.

In den letzten Jahren hat sich der Multi Stakeholder Ansatz aufgrund der immer komplexeren Themen bewährt, da Unternehmungen zusammen mit ihren Stakeholdern innovative Lösungen entwickeln können.

Das ISM begleitet Unternehmen und Organisationen sowie Führungs- und Fachpersonen bei der Entwicklung und Durchführung von Multi-Stakeholder-Prozessen im Kontext verschiedenster strategischer Themen.

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