Forschung | 18. August 2025
Nach dem eindrucksvollen Wirtschaftseffekt eines Musikevents in Zürich 2024 mit über CHF 92 Millionen Wertschöpfung richtet sich der Blick nun auf das nächste internationale Highlight: Die UEFA Women’s EURO 2025. Claude Meier, Leiter des Center for Research & Methods an der HWZ, erklärt im Gespräch, welche Effekte auch dieses Grossereignis für Zürich und die Schweizer Wirtschaft haben könnte – und welche Rolle die Forschung dabei spielt.
Dieses Interview ist Teil einer Content-Reihe zur UEFA Women’s EURO 2025. Als Hochschule möchten wir Themen wie Chancengleichheit und Sichtbarkeit von Frauen nicht nur in der Bildung, sondern auch darüber hinaus mehr Aufmerksamkeit schenken.
Claude, im März 2025 habt ihr gemeinsam mit Ticketcorner eine aufsehenerregende Studie zum wirtschaftlichen Effekt eines Musikevents in Zürich veröffentlicht: mehr als CHF 92 Millionen Wertschöpfung – insbesondere in Tourismus, Handel und Gastronomie. Welche Schlüsse lassen sich aus dieser Studie auf ein Sport-Grossereignis wie die UEFA Women’s EURO 2025 übertragen?
Von der Women’s Euro 2025 profitierten wohl erneut stark die Branchen Gastronomie, Tourismus und wahrscheinlich auch der Personentransport. Zudem werden noch andere (Vor-)Leistungen dazukommen, die von weiteren Industrien für den Anlass erbracht wurden und die so davon profitierten. In unserer Studie zu den Konzerten im Letzigrund betrugen die Gesamtausgaben pro Besucher:in aus der Schweiz und Europa um die CHF 500. Wenn man bedenkt, dass gemäss UEFA die Gesamtzuschauerzahl bei der jetzigen EM bei 623’000 (vor dem Finale) lag, kommt hier für die lokale Wertschöpfung also ein grosser Betrag zusammen.
Unsere Studie zeigte, dass solche Grossanlässe für verschiedene Branchen der Schweizer Wirtschaft eindeutig relevant sind, auch wenn sie in dieser Grössenordnung Einzelereignisse sind. In unserem Fall betrugen die Gesamtausgaben aller Konzertbesucher:innen CHF 92.5 Mio. dem gegenüberzustellen wäre allerdings noch die Kostenseite, wie zum Beispiel die Sicherheitskosten, die von der öffentlichen Hand getragen werden. Es sind vornehmlich zahlreiche private Unternehmen, bis zur «Beiz» neben dem Stadion, die von solchen Anlässen profitieren und dann auch wieder Steuern bezahlen.
Quelle UEFA: https://de.uefa.com/womenseuro/news/029b-1e3de0ad1416-5b5aef0df65f-1000--women-s-euro-2025-alle-rekorde-in-der-schweiz/
Welchen konkreten wirtschaftlichen Mehrwert erwartest du durch die UEFA Women’s EURO 2025 für Zürich und die umliegende Region – etwa in Bezug auf Tourismus, Hotellerie, Gastronomie und lokale Unternehmen?
Wie bereits angesprochen, werden die Hotellerie, die Gastronomie und der Tourismus generell von der EM profitiert haben.
In unserer Studie gaben die Konzertbesucher:innen neben der An- und Rückreise am meisten Geld für Tickets, Übernachtungen, die Mobilität vor Ort sowie die Verpflegung aus.
Bezüglich Übernachtungen gaben Gäste aus Europa pro Nacht und Person durchschnittlich CHF 150 aus und übernachteten dabei 1.2 Mal. Insgesamt wurde von allen Gästen, die übernachtet haben, CHF 13.3 Mio. für die Beherbergung ausgegeben. Auch lokale Unternehmen, die etwa Souvenirs verkaufen, profitierten: CHF 2.4 Mio. wurden für Mitbringsel und typische Schweizer Produkte ausgegeben. Hier sind es also auch kleine Souvenirshops, denen die Anlässe zugutekamen. Daneben gaben 31% der Besucher:innen an, auch geshoppt zu haben.
Zudem profitiert von der EM nicht nur die Region Zürich, die Spiele fanden ja in den Stadien verschiedener Städte im ganzen Land statt. Durchaus möglich ist, dass Gäste neben der Stadt und seiner Spielstätte auch andere oder die umliegende Region bereisten. In unserer Studie besuchten rund ein Viertel der europäischen Besucher:innen, die primär aus Deutschland, dann aus Frankreich und Grossbritannien stammten, auch andere Schweizer Regionen. Gäste aus den USA reisten in gar 74% der Fälle in eine andere Region. Zudem gilt, von je weiter weg die Gäste kamen, desto öfter übernachten sie.
In der Konzertstudie zeigte sich ein überraschend hoher Anteil internationaler Gäste (33 %). Rechnet ihr auch bei der Women’s EURO mit einem ähnlich globalen Publikum – und was würde das für die regionale Wertschöpfung bedeuten?
Da die Besucher:innen an einem Länderkonkurrenz-Anlass wie der EM wohl vor allem ihr eigenes Land anfeuern wollen und die Mann- resp. Frauschaften von 16 europäischen Nationen stammen, ist es naheliegend, dass der Anteil ausländischer Gäste hoch ist – die UEFA hat hier sicher genauere Zahlen. Da die Schweiz in der Mitte des Kontinents liegt und per Luft, Bahn und Auto gut angebunden ist, könnte ich mir denken, dass es für viele Leute eine Überlegung wert ist, ein Spiel zu besuchen. Als die EM 2024 in Deutschland stattfand, gingen viele Schweizer:innen sich dort Spiele der Nati anschauen. Wenn dann beispielsweise ein Grüppchen von Freunden noch mehrere Spiele besucht, wird von diesem einiges an Ausgaben getätigt, die in die regionale Wirtschaft fliessen. Also ja, ich denke mir, der Anteil internationaler Gäste war hoch.
Die UEFA Women’s EURO spricht ein anderes Publikum an als klassische Musikevents – mit besonderem Fokus auf Frauenfussball. Welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chancen siehst du in dieser Zielgruppe, etwa im Hinblick auf Gleichstellung, neue Besucherschichten oder Sponsoring-Potenziale?
Gerade bei Konzerten sind Frauen nicht selten in der Überzahl, wobei es natürlich auch stark auf das Genre und die Künstler:innen ankommt. In unserer Studie waren ganze 79 Prozent Frauen. In den Medien wird viel geschrieben, dass die Europameisterschaften und andere Turniere des Frauenfussballs zu einer Akzeptanz und Popularisierung beitragen. Ich denke schon, dass da etwas dran ist.
Die Professionalität und Sichtbarkeit des Frauenfussballs und damit verbunden die gesellschaftliche Akzeptanz steigen stetig. Und je höher die Akzeptanz und Popularität, desto grösser wohl das Interesse von noch mehr Sponsoren am Frauenfussball. So gesehen trägt das sicherlich etwas zur Gleichstellung im Bereich Fussball bei.
2025 wird ein Eventjahr für die Schweiz: Eurovision Song Contest, Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest, UEFA Women’s EURO. Wie können solche Anlässe nachhaltig zur Standortentwicklung beitragen? Welche Rolle spielt Zürich dabei als Eventstadt?
Die Frage nach dem ökonomisch langfristigen Nutzen von grossen, einmaligen Events wird wohl zu Recht immer wieder gestellt. Wiederkehrende Anlässe, die an einem oder verschiedenen (wiederkehrenden) Orten in einem Land stattfinden, können wahrscheinlich eher langfristigen Nutzen für einen Standort stiften als Einmalanlässe.
Bei der Tour de France beispielsweise sind die einzelnen Dörfer und Städte stets interessiert, dass die Tour bei ihnen Halt macht, denn dies generiert Einnahmen und Sichtbarkeit, vor allem im Fernsehen. Jedes Jahr sieht man wieder weltweit die schönen Bilder des schönen Frankreichs. Gerade der Zusammenhang zwischen schönen Bildern eines Standorts und dem Effekt auf das Image und die langfristige Wertschöpfung ist schwierig nachzuweisen. In unserer Studie gab gut die Hälfte der Besucher:innen an, Bilder von Zürich gepostet zu haben. Auch wenn ein monetärer Effekt davon kaum direkt ableitbar ist, denke ich, dass die Kommunikation durch die Bilder eine Wirkung zumindest bezüglich der Bekanntheit und dem Image von Zürich erzielen. Dies wird verstärkt, wenn man die Bilder immer wieder sieht, da der Event wiederkehrend ist. Hier kann man beispielsweise an die Streetparade in Zürich denken.
Unmittelbar mess- und spürbar sind aber ganz klar die Ausgaben, die Besucher:innen an Anlässen tätigen. Sie bringen lokalen Unternehmen Einkünfte, die sie sonst nicht hätten. Natürlich müssen daneben auch die Kosten betrachtet werden, die ein Event nach sich zieht und vor allem die Akzeptanz in der Bevölkerung.
Gibt es einen Aspekt, denn du dir als Forscher, aber auch persönlich von der UEFA Women’s EURO für Zürich und die Schweiz wünschst?
Im Forschungsbereich gibt es noch viel Potenzial und Herausforderungen, gerade beim Messen von mittel- und langfristigen Effekten der Events auf einen Standort und seine Wirtschaft. Darauf freue ich mich. Wenn wir mehr und bessere wissenschaftliche Analysen haben, welche Anlässe einen Nutzen bringen und wie teuer diese sind, können wir informierter sagen, welche wir wollen und welche nicht. Das Profil eines Standorts wie Zürich kann dadurch sicherlich geschärft werden. Am Ende ist es die lokale Bevölkerung, welche die Anlässe mitträgt oder mittragen muss.
Persönlich würde ich mir wünschen, dass vor allem grösseren Anlässen doch etwas mehr Offenheit entgegengebracht wird.
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