Aktuell | 17. Januar 2024
Influencer Marketing ist ein wachsendes Geschäftsfeld. Tanja Herrmann, Expertin und Studiengangsleiterin im CAS Marketingstrategie, ist überzeugt, dass es noch viel Platz gibt für weitere Influencer – besonders in der Schweiz. Und sie erklärt, weshalb es Disziplin und eine dicke Haut braucht, um in der Welt von TikTok, Instagram und Co. zu bestehen.
Dieses Interview ist Mitte Januar 2024 als Erstpublikation in der Beilage «Alpha» unter anderem im Tagesanzeiger und in der Sonntagszeitung erschienen. Das Interview hat Andreas Minder geführt.
Können Sie das Bild eines typischen Influencers skizzieren?
Der Pool ist extrem bunt. Wir sehen aber, dass es eine frauendominierte Industrie ist. Von den grossen Profilen in der Schweiz sind weit über die Hälfte weiblich. Influencer Marketing begann hierzulande auf Instagram und mit sehr viel inspirativem Content: Travel, Food, Family und Fashion. Damit fühlten sich zu Beginn vor allem Frauen wohl und haben sich etwas aufgebaut.
Stimmt der Eindruck, dass sich vor allem junge Menschen in diesem Geschäftsfeld tummeln?
Die meisten sind zwischen Anfang 20 und Mitte 30. Viel älter ist die Branche halt noch gar nicht. Und weil die Leute jung eingestiegen sind, sind sie jetzt die wenigsten über 40. Die Zahl der Influencer, die über 40 oder 50 sind, steigt aber. Sie bringen auch neue Themen wie Finanzen, Vorsorge oder Hausrenovationen.
Was zeichnet Influencer sonst noch aus?
Ich kenne keine andere Branche, die so divers ist. Viele Influencer haben einen Migrationshintergrund. Sie sind sehr fleissig und diszipliniert und sie haben die Chance der Demokratisierung durch das Internet ergriffen. Für den Zugang zum Influencer Marketing braucht es nur eine Idee und ein Handy. Damit haben sich diese jungen Leute ihre Selbständigkeit aufgebaut und sind sehr erfolgreich damit.
Wie wird man Influencer?
Vor ein paar Jahren sind die Leute reingestolpert. Sie hatten Freude daran, ihre Föteli zu zeigen. Irgendwann haben sie gemerkt, dass sie Geld dafür bekommen und sich über die Einnahmequelle gefreut. Heute wird das sehr viel strategischer angegangen. Die Leute wissen viel mehr über die rechtlichen Grundlagen, Verhandlungen, Preisgestaltung. Sie überlegen sich von Anfang an, wofür ihr Kanal stehen soll und welche Kooperationen sie eingehen.
Gibt es Ausbildungen für Influencer?
Es gibt immer wieder Seminare, aber noch keine anerkannte Ausbildung. Auch wenn ich dafür ausgelacht werde, plädiere ich seit Jahren für eine Ausbildung. Ich stelle mir eine dreijährige Ausbildung vor, die betriebswirtschaftliche Grundlagen vermittelt mit einem Fokus auf Marketing: Influencer müssen neben den sozialen Medien, die ganzen digitalen Markenstrategien genauso wie Storytelling und Branding verstehen. Der dritte Pfeiler wären Inhalte aus der Mediamatiker-Lehre: Creators müssen fotografieren, filmen und schneiden können.
Influencer-Marketing ist seit Jahren in aller Munde. Und dennoch sieht man beim Durchscrollen der Social Media Feeds verdächtig viele Beispiele, die einen an der Effektivität dieser Marketing-Disziplin zweifeln lassen. Im zweitägigen Seminar an der HWZ lernen die Teilnehmenden, wie Influencer-Marketing strategisch eingesetzt wird, woran man gute und schlechte Zusammenarbeiten erkennt, wie viel ein Beitrag kosten darf und was in einen Influencer-Vertrag gehört.
Interessiert? Das Seminar «Influencer Marketing» von Tanja Herrmann findet am Mittwoch, 20. März, und Donnerstag, 21. März, statt.
Wie sehen die Arbeitsbedingungen im Influencer-Marketing aus?
Es ist eine Selbständigkeit wie eine andere auch. Ferien hat man nicht wirklich, nur dass der Algorithmus noch gnadenloser ist. Du kannst nicht sagen, ich gehe jetzt zwei Wochen in die Ferien und poste nichts. Sonst wirst du vom Algorithmus rausgekickt. Es gibt auch keinen Mutterschaftsurlaub. Diese Verfügbarkeit kann belastend sein. Was dazu kommt, ist, dass man sich sehr angreifbar macht. Jedes Feedback auf den Content, den ich erstelle, landet direkt auf meinem Smartphone. Es gibt keinen Filter. Man muss sich eine dicke Haut zulegen.
Ab welcher Reichweite in den sozialen Netzwerken verdient man gutes Geld?
Wichtiger als die Reichweite ist eine klare Positionierung. Die Brands wollen einen Influencer, der für etwas steht. Sonst fehlt die Glaubwürdigkeit. Auch mit spannendem, gut recherchiertem Content und einem unverwechselbaren Stil wird ein Account einen höheren Preis erzielen als einer mit austauschbarem Content – selbst, wenn der grösser ist. Es gibt Leute, die malen auf ihrem Account nur Augenbrauen nach, nichts anderes. Für die einen ist das komplett hirnverbrannt, aber andere finden das unglaublich spannend. Wenn ich ein Makeup-Brand bin, der einen neuen Stift auf den Markt bringt, ist dieser Influencer für mich absolut traumhaft. Anders als eine Plakatkampagne oder ein Werbespot muss Influencer-Content nicht einer Mehrheit der Menschen gefallen, sondern nur einer ganz bestimmten Zielgruppe.
Gibt es noch andere Erfolgsfaktoren?
Man muss sehr diszipliniert sein und dranbleiben. Über Jahre täglich kreativen Content produzieren, auf Kommentare eingehen, Direktnachrichten beantworten, sehr professionell sein, was Offerten, Rechnungen, Reportings, Vertragsverhandlungen angeht. Es braucht auch eine gewisse Affinität für Technik, weil es auf den Plattformen immer Änderungen gibt, die man verstehen muss.
Was zeichnet das Influencer Marketing in der Schweiz aus?
Es sind viele Brands, die sich mit spezifischem Content an den Schweizer Markt richten. Dafür sind die richtig grossen Influencer gar nicht so interessant, weil sie ein internationales Publikum haben. Es gäbe einen viel zu grossen Streuverlust. Die Schweizer Brands, die wir kennen, arbeiten eher mit Creators, die zwischen 5000 und 100'000 Follower haben. Mit Comedy-Beiträgen auf Schweizerdeutsch haben wir zudem eine Nische, die sonst niemand produzieren – und verstehen – kann. Was wir ausserdem beobachten, ist eine hohe Professionalität und Content-Qualität. Obwohl das Influencer Marketing hier später gestartet ist, brauchen wir uns nicht verstecken.
Gibt es noch Platz für weitere Influencer?
Unternehmen müssen ihre Marke sorgfältig und mit guter Qualität führen, nur dann sind Influencer bereit, für sie hinzustehen. Eine Creator brachte es schön auf den Punkt. Er sagte: Ich arbeite nicht mit einer Marke zusammen, um sie cooler zu machen, ich arbeite mit einer Marke zusammen, die mich cooler macht.
Tanja Herrmann ist Expertin für Social Media und Influencer Marketing. Sie gründete und leitet die WebStages GmbH, eine Beratungsagentur in Zürich, die Unternehmen hilft, Influencer zu finden. Tanja Herrmann ist ausserdem als Studiengangsleiterin des CAS Marketingstrategie HWZ, Dozentin und Keynote Speakerin tätig.
HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich Lagerstrasse 5, Postfach, 8021 Zürich kundencenter@fh-hwz.ch, +41 43 322 26 00
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