Aktuell | 29. März 2023
Mit dem Bachelorstudium in Betriebsökonomie schuf sich Stefan Bebié eine Grundlage, die ihn zu Grösserem anspornte: Nach einer bewusst eingelegten Pause entschied er sich für den Master an der London School of Economics & Political Science (LSE). Dort eröffneten sich ihm ganz neue Felder, die ihn schliesslich zu seinem heutigen Job führten. Welche Rolle dabei das Konzept von Design Sprints spielt, inwiefern die HWZ am Aufnahmeverfahren der LSE beteiligt war und welche Pausen er Studierenden ans Herzen legen möchte, erzählt er im Interview.
Stefan, dein Abschluss an der HWZ liegt schon eine Weile zurück. Du hast 2014 den Bachelor Betriebsökonomie mit Vertiefung Banking & Finance abgeschlossen. Mittlerweile kam zum Bachelor noch ein Master in Management of Information Systems & Digital Innovation der renommierten London School of Economics & Politicial Science (LSE) hinzu. Für die erfolgreiche Aufnahme zum Masterstudium hast du dich wieder bei der HWZ gemeldet …
Genau, die LSE führt ein sehr strenges Aufnahmeverfahren durch und verlangt als Teil eines relativ umfangreichen Dossiers unter anderem eine akademische Referenz. Thomas Rautenstrauch hatte sich nach meiner Anfrage bereit erklärt, mir als ehemaliger Betreuer meiner Bachelorarbeit eine akademische Referenz auszustellen. Offensichtlich hatte er diese durchwegs positiv verfasst, wofür ich ihm sehr dankbar bin, denn die Annahmequote für diesen Master lag unter 10%.
Das klingt wirklich nach einem strengen Aufnahmeverfahren, aber du hast es geschafft! Bevor wir auf deinen Master an der LSE zu sprechen kommen, wollen wir kurz auf die Zeit an der HWZ zurückblicken: Wie hast du das Studium in Erinnerung?
Insgesamt ist mir das Studium als eine intensive, aber auch lustige Zeit in Erinnerung geblieben. Besonders in Mathematik hatten wir – gelinde gesagt – eine sehr fordernde Dozentin.
Die HWZ fokussiert sich auf das berufsbegleitende Studium. War für dich immer klar, dass du Teilzeit studieren möchtest oder hast du auch andere Angebote an anderen Hochschulen geprüft?
Nein, das habe ich erst zum Schluss meiner obligatorischen Schulzeit realisiert. Als mein jugendlicher Minimalismus im «Gymi» zu einer nicht bestandenen Probezeit führte, musste ich mich umorientieren. Damals konnte ich mir unmöglich vorstellen, weitere vier Jahre nur die Schulbank zu drücken, ich brauchte etwas Handfesteres. In unserem dualen Bildungssystem fand ich dennoch ein Plätzli und für die KV-Lehre mit BMS auch deutlich mehr Motivation als in vier weiteren Jahren Vollzeit-Gymi. Wobei ich mir der Ironie von Handfestem und KV durchaus bewusst bin. Auf alle Fälle stand für mich bereits während der Lehre fest, dass ich später Teilzeit studieren möchte. Die Wahl für die HWZ fiel für mich primär aufgrund des Standorts aus.
Du hast während des Studiums in der Versicherungsbranche gearbeitet, unter anderem in der Beratung. Wie einfach war es damals, eine Teilzeitstelle zu finden?
Zu Beginn konnte ich bei meinem Arbeitgeber im Bereich des Pensionskassen-Managements mein Pensum problemlos reduzieren. Nachdem ich diesen aber aufgrund eines Auslandsstudiums an der UC San Diego verliess, überraschte mich der harte Arbeitsmarkt für Teilzeitstellen schon ziemlich. Das ist allerdings schon zehn Jahre her und seit damals hat sich erfreulicherweise einiges getan, wie ich auf der Stellensuche letztes Jahr bemerkt habe. Teilzeitstellen oder die Option darauf sind beinahe die Norm geworden.
Rund sieben Jahre nach dem Abschluss an der HWZ hast du dich nochmals für ein Studium entschieden. Was ist in diesen sieben Jahren passiert?
Kurz nach dem Abschluss habe ich mir erst einmal eine halbjährige Auszeit in Lateinamerika gegönnt. Solche Pausen lege ich wirklich jedem ans Herz. Danach habe ich bei der Rothschild & Co. im Business Projektmanagement angefangen und habe dort durch initiale Projekte rund um Digital Client Services meine Affinität für IT und Digitalisierung entdeckt. Daraufhin durfte ich in den IT-Projektbereich wechseln. Und nach einigen Jahren im Hamsterrad habe ich mit einer Weiterbildung in diesem Bereich geliebäugelt, mir in der Wahl glücklicherweise aber Zeit gelassen.
Eine Weiterbildung im Banking kam also dann nicht mehr in Frage. Weshalb hast du dich von einem berufsbegleitenden Bachelorstudium für ein 1-jähriges Vollzeit-Masterstudium an der London School of Economics & Political Science entschieden?
Da ich länger keine grössere Pause mehr eingelegt hatte, war die Zeit reif für einen Umbruch. Eine weitere Erfahrung im Ausland zu sammeln stand hoch im Kurs. Und dieses Mal fiel die Wahl nicht aufgrund des Klimas oder der Nähe zum Meer, sondern aufgrund der Möglichkeiten, die sich später für mich auftun würden. Das Angebot der LSE überzeugte mich aus verschiedenen Gründen: Das Curriculum des Information Systems & Digital Innovation Programms, sich einmal einem theoretischen Studium vollumfänglich hinzugeben als Kontrast zum praxisbezogenen Teilzeitstudium sowie auch die Möglichkeit, dies in der unsicheren Zeit der Pandemie in einem Jahr durchzuziehen.
Was waren für dich die grössten Unterschiede in Bezug auf den Unterricht im Vergleich zur HWZ?
Wichtig ist zu betonen, dass die meisten Studierenden an der LSE auch nur mit Wasser kochen, trotz des hohen Renommees, welches die Universität geniesst. Die LSE unterscheidet sich im Unterricht aber fundamental von der HWZ. Während man an der HWZ relativ gut mitkommt, wenn man die Vorlesungen besucht, hat die LSE eine verhältnismässig tiefe Präsenzzeit mit sehr hohem individuellem Aufwand für Lektüre. Dabei unterscheidet sich die LSE auch im Ansatz mit Vorlesungen und Seminaren. In den Seminaren gibt es kaum richtig und falsch, sondern es werden Gedanken und Ideen zu den Papern diskutiert, die in der Woche zu lesen waren. Dabei legt die LSE grossen Wert darauf, kritisches Denken zu vermitteln und fördert dies auch glaubwürdig. Zudem ist das Studium weitaus theoretischer als an der HWZ, was Vor- und Nachteile hat. Einerseits habe ich in diesem Jahr wohl mehr Research betrieben als im Rest meines Lebens, andererseits musste ich dadurch auch viel theoretischen Quark lesen.
Wovon hast du in London am meisten profitiert?
Im Rahmen eines Kurses las ich das Bitcoin Whitepaper von Satoshi Nakamoto, welches gerade mal acht Seiten lang ist und ich zu meinem Erstaunen auch verstand. Bis dahin dachte ich, solche Themen wären Informatiker:innen vorbehalten. Damit öffneten sich für mich konzeptionell ganz neue Gebiete. Speziell interessierten mich danach die groben Mechanismen und Konzepte von Distributed Ledger Technologien sowie Algorithmen, insbesondere in der Anwendung von künstlicher Intelligenz. Und im Rahmen von Innovation in organisatorischer IT durchliefen wir ein Bootcamp für das Konzept von Design Sprints. Ein Design Sprint verbindet die Gebiete von Design Thinking und Rapid Prototyping zur Entwicklung und Innovation von digitalen Produkten. Ich hoffte, dass ich dieses Konzept später einmal im Job anwenden kann.
Nun hast du im vergangenen Herbst den Master erfolgreich abgeschlossen und bist seither zurück in der Heimat. Nach einem Jahr in der pulsierenden Grossstadt: Hat es dich nicht gereizt, länger zu bleiben?
Nein, ich bin schon sehr stark verankert in der Schweiz. Obwohl ich mich kulinarisch, kulturell und auch sonst in London ziemlich ausgetobt habe, dominieren Familie und Freunde, die Lebensqualität sowie die Nähe zur Natur in Zürich, speziell zu den Bergen. Zudem wird mir im Ausland immer wieder bewusst, in was für einem Märchenland wir leben. Das nationale Gesundheitssystem (NHS), auf welches die Briten stolz sind, ist enorm am Anschlag, wie ich von Freunden erfahren habe. Auch politisch hatte Grossbritannien ein schwieriges Jahr. Boris Johnson mit seinem Partygate sowie Liz Truss, deren durchdachte Trickle-Down-Economics Policy ihr nach 6 Wochen das Amt als Premierministerin kostete. Man konnte die politische Instabilität und Frustration durchaus fühlen.
Ein beruflicher Neuanfang gab es für dich dennoch: Du bist seit November bei der Deep Impact AG tätig. Da bist du unter anderem für sogenannte Design Sprints verantwortlich. Weg von der Bankenwelt hin zur Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle. Nehme an, der berufliche Wechsel hat auch mit deinem Master zu tun. Kannst du uns mehr zu deinem neuen Job erzählen?
Genau, die Erfahrung mit Design Sprints war für mich der Türöffner bei Deep Impact. Deep Impact ist eine KMU-Kombi aus digitaler Agentur und Softwarefirma mit einem sehr internationalen Team. Entsprechend bieten wir unseren Kunden das ganze Spektrum von Ideenfindung und Konzeption, wo Design Sprints zum Einsatz kommen, bis zur Entwicklung von MVPs und Gesamtlösungen für digitale Projekte und Produkte an. Dabei durfte ich die Leitung eines Produkt-Teams übernehmen, welches sich auf eine Reihe von Anwendungen von künstlicher Intelligenz spezialisiert hat. Durch die Holacracy Organisation bin ich auch auf anderen Digitalisierungsprojekten tätig, wobei ich in wenigen Monaten schon mehrere Design Sprints für Kunden durchführen durfte.
Nach der Weiterbildung ist vor der Weiterbildung. Die HWZ lebt nach dem Prinzip des lebenslangen Lernens, Auch wenn ich glaube, dass du vorerst mit dem Thema Weiterbildung abgeschlossen hast. Könntest du dir dennoch vorstellen, irgendwann eine nächste Weiterbildung in Angriff zu nehmen? Gibt es Themengebiete, die dich faszinieren?
Ja definitiv, wahrscheinlich werde ich mich sogar bereits dieses Jahr in Produktmanagement und Datenschutz weiterbilden. Das sind aber kleine, sehr spezifische Angebote, die ich im Auge habe. Zudem finde ich die Bereiche Workshop Facilitation sowie Design Thinking spannend für eine Weiterbildung. In einem weiteren Vollzeitstudium oder einem mehrjährigen berufsbegleitenden Programm sehe ich mich in absehbarer Zeit aber eher nicht.
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