Campus | 28. Juni 2023
Warum er die Lancierung von ChatGPT für eine noch denkwürdigere Entwicklung hält als das iPhone und weshalb er sich vorstellen könnte, mit 70 noch als Paartherapeut zu arbeiten. Wir trafen Martin Meyer, Studiengangsleiter des CAS Digital Asset Specialist in Finance, zur Kaffeepause, wo er uns mehr über technologische Entwicklungen, die Innovation in der Finanzbranche und seine Zukunftspläne erzählte.
In unserer Serie «Kaffeepause» trinken wir mit unseren Dozierenden und Studiengangsleitenden einen Kaffee oder Tee und erkunden die besten Plätze rund um die Europaallee, wo wir als HWZ zuhause sind. In dieser Ausgabe waren wir im LOFT FIVE an der Europaallee und haben einen Milchkaffee und einen Espresso genossen. Das LOFT FIVE ist am Mittag und Abend jeweils sehr gut besucht und eignet sich vor allem in den Randstunden für ein kurzes Meeting oder zum Arbeiten. Der Kaffee ist lecker und das Ambiente drinnen wie auch draussen sehr angenehm. Leider fehlen die Alternativen Milchvarianten.
Welches Fach unterrichtest du an der HWZ?
Ich habe das Privileg, mehrere Fächer an der HWZ zu leiten. Meine Favoriten sind jedoch «Trends und Zukunft der Schweizer Finanzindustrie» und «Schlüsseltechnologien in der Finanzindustrie». Zusätzlich gebe ich auch Unterricht zu klassischen Bankthemen, wie beispielsweise «Innovationsprojekt Management in der Finanzindustrie».
In welchen Studiengängen?
Ich bin derzeit in vier Studiengängen involviert. Mein eigener Studiengang ist der CAS Digital Asset Specialist in Finance. Darüber hinaus unterrichte ich im CAS Finance Transformation HWZ, CAS Future Banking & Digital Transformation HWZ und CAS Future Insurance & Digital Transformation HWZ.
Was macht deinen Studiengang besonders?
Traditionelle Anlageklassen werden digitalisiert und bereits heute mit Smart Contracts entwickelt. Diese Technologie ermöglicht es, effizientere Strukturen im Backoffice und im Sales-Bereich zu schaffen. Mein Studiengang vermittelt das nötige Grundwissen und einen tiefgreifenden Einblick in diese neuen Trends und Technologien.
Was möchtest du den Studierenden vermitteln?
Die Bankmitarbeitenden der nächsten fünf Jahre benötigen sowohl ein hohes Mass an Flexibilität als auch Fachwissen, das über das bisherige hinausgeht. Wir sehen uns mit KI-Lösungen konfrontiert, die vollkommen neue Anwendungsfälle ermöglichen, sei es in der Beratung oder in der Produktentwicklung. Ich ermögliche den Studierenden einen ersten Einblick in diese Welt und zeige Wege auf, wie man bei diesen Entwicklungen stets auf dem Laufenden bleiben kann.
Was ist dein Lieblingspraxisbeispiel im Unterricht?
Ein wiederkehrendes Thema ist der Vergleich der Agilität zwischen Banken und Fintechs. Ich erkläre es oft so: Ein mittelalterliches Gebäude hat oft viel komplexere Strukturen und «Legacy-Probleme» als ein neues Einfamilienhaus. Wenn sie an beiden Gebäuden Veränderungen vornehmen möchten, sind die Komplexitätsgrade stark unterschiedlich – zum Nachteil der traditionellen Banken.
Was ist wichtiger: Theorie oder Praxis?
Die Praxis steht definitiv an erster Stelle.
Theorieunterricht ist wichtig, um ein einheitliches Verständnis zu schaffen – danach muss die Anwendung kommen. Daher plane ich in meinem Kurs bewusst ganze Tage ein, an denen die Studierenden gemeinsam mit Profis Lösungen in der Praxis erarbeiten.
Was machst du in deiner Freizeit?
Ich wohne in Engelberg im Kanton Obwalden und habe eine tiefe Leidenschaft für die Berge. Wann immer möglich, realisiere ich meine Alpinprojekte. Das können spannende Kletter- oder Hochgebirgstouren in den Alpen sein oder auch mal ein Streckenflug mit dem Gleitschirm.
In welchem Land möchtest du gerne eine Zeit lang leben?
Ich habe bereits mehrere Länder und Städte ausprobiert, aber letztendlich fühle ich mich in der Schweiz am wohlsten. Ich schätze das ruhige und geordnete Leben hier sehr.
Was zeichnet die Schweizer Wirtschaft deiner Meinung nach aus?
Die Schweiz ist sehr auf das Geschäftsleben fokussiert. Im Gegensatz zu anderen Ländern setzen wir uns stark dafür ein, gute Geschäfte zu machen und ziehen oft unseren Nutzen aus verschiedenen Situationen. Das kann zu ethisch schwierigen Diskussionen führen, wenn beispielsweise Sanktionen absichtlich langsam umgesetzt werden. Andererseits ist die Schweiz ein Land, in dem Pflichtbewusstsein und Vertragstreue wichtig sind.
Was ist deiner Meinung nach die beste Erfindung?
Für mich ist es aktuell die Erfindung der Large Language Models (LMM) (z. B. ChatGPT). Ich bin überzeugt, dass sie unsere Arbeitsweise, unseren Konsum und unser Leben in den nächsten Jahren erheblich verändern wird – und das nicht unbedingt nur positiv.
Was ist dein verborgenes Talent?
Obwohl es nicht unbedingt auf den ersten Blick ersichtlich ist, habe ich ein gutes Gespür für Menschen und Gruppendynamiken. Ich nehme oft Entwicklungen wahr, bevor sie anderen auffallen. Deshalb habe ich einen heimlichen Plan, mit 70 Jahren eine zweite Karriere als Paartherapeut zu starten.
Als Kind wollte ich …
Polizist werden. Das war mein Traumberuf. Ich habe sogar mit 21 Jahren die Aufnahmeprüfung für die Polizeischule bestanden. Doch das Leben hat andere Pläne für mich gehabt.
Welchen Rat würdest du deinem 20-jährigen «Ich» geben?
Ich würde meinem jüngeren Ich raten, mehr Geduld zu zeigen. Ich war früher zu «schnell» und zu «masslos». Die Dinge entwickeln sich von selbst, wenn man bereit dafür ist. Ein Karrierewettlauf in einem Konzern (so wie ich ihn geführt habe) erzeugt im Nachhinein betrachtet nur unnötigen Stress.
Wie feierst du deine Geburtstage?
Meistens gar nicht. Ich glaube, ab einem bestimmten Alter erinnern Geburtstage eher an die Vergänglichkeit und die verbleibende Zeit.
Was kannst du überhaupt nicht?
Ich habe einmal versucht, für meinen Studiengang eine eigene Social-Media-Kampagne aufzusetzen. Heute weiss ich, dass ich diese Welt zu wenig verstehe.
Wem hast du zuletzt ein Kompliment gemacht? Wofür?
Ich habe einer Studentin zu ihrem Erfolg bei einer Bewerbung gratuliert. Es macht mir grosse Freude, in solchen Situationen zu helfen und mein Netzwerk sinnvoll einzusetzen.
Was treibt dich an?
Lange Zeit hatte ich keine Antwort auf diese Frage. Mit meinem Projekt «Professionals in Residence» (wir vermitteln Fachwissen und platzieren Banker in der Fintech-Industrie) habe ich eine Antwort gefunden: Ich liebe es, anderen zu helfen und zu sehen, dass meine Arbeit einen konkreten Sinn hat. Mein zweites Prinzip ist inzwischen «Gelassenheit».
Wofür bist du dankbar?
Zunächst bin ich dankbar dafür, dass ich gesund bin und gut leben kann. Es ist ein Privileg, in der Schweiz geboren zu sein und ein so gutes Leben führen zu dürfen. Ausserdem bin ich dankbar für die vielen guten Kontakte und mein Netzwerk, die ich im Laufe der Zeit aufbauen durfte.
Was steht bei dir immer im Kühlschrank?
Ich habe immer eine Tafel Kinderschokolade im Kühlschrank – das ist sozusagen eine Tradition.
Was würdest du an der HWZ einführen?
Ich würde an der HWZ noch stärker auf die Bedürfnisse der Kund:innen – oder besser gesagt, der Student:innen – eingehen. Wir leben in einer Welt, in der sich die geforderten Fähigkeiten fast alle zwei Jahre ändern. Der Erwerb dieser neuen Fähigkeiten kann nur durch Bildung erfolgen, da Arbeitgeber:innen viele dieser neuen Technologien erst adaptieren müssen. Mit einem zukunftsorientierten Bildungsangebot könnte die HWZ einen echten Mehrwert für die Schweizer Wirtschaft bieten. Ein Kurs wie «Praktische Anwendung von LMM-Modellen in der Finanzindustrie» könnte beispielsweise dazu beitragen, die Effizienz in Unternehmen deutlich zu steigern.
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